Peter Krenn
ZUR MALEREI IN
STEIERMARK IN DER ZEIT
UM 1550 BIS 1630
Verglichen mit der intensiven Erforschung
österreichischer Kunst des Mittelalters, der
Barocke und des 19. Jahrhunderts nimmt
sich der dazwischenliegende Zeitraum von
ca. 1530 bis ca. 1630 noch immer wie ein
Stiefkind aus. Die Ursachen für diese Ver-
nachlässigung, die besonders Malerei und
Plastik betrifftl, sind jedoch bekannt und
mehrfach ausgesprochen worden 1. Sie be-
stehen vor allem darin, daß die heimische
Kunst nach dem Abklingen der Spärgotik
ihre schöpferische Initiative in den Wirren der
Reformation weitgehend verlor und in den
mächtigen Strahlkreis Italiens geriet, dessen
klar durchgebildete und zu einem System
formaler Vollendung ausgewachsene Re-
naissance zum internationalen Stil Europas
geworden war. Dies fand, begünstigt durch
die habshurgische Kulturpolitik seit Ferdi-
nand I., seinen Ausdruck in einem invasions-
artigen Zulauf italienischer Meister, die den
Kunstbettieb an sich zu reißen verstanden
und an die Stelle einer von heimischen
Kräften getragenen, eigenständigen Ent-
wicklung traten. Eine auf diese Weise in die
Rolle des Schülers gedrängte, in Bedeutungs-
losigkeit und Anonymität verharrende
Kunstübung muß daher dem Forscher
wenig attraktiv erscheinen: für die die
Szene beherrschenden Ausländer will er
sich nicht in dem Maße zuständig fühlen
und die Einheimischen bieten seinem Inter-
esse nach ausgeprägten Künstlerpersönlich-
keiten und lokalen Stilschattierungen wenig
Angrilfspunkte. Es ist daher bezeichnend
für die noch in beträchtlichem Maße
stagnierende Forschungssituation, daß von
den im Forumverlag erschienenden Gesamt-
darstellungen über die einzelnen Epochen
österreichischer Kunst der Band über
Renaissance und Manierismus mit Ver-
spätung als letzter erschienen ist 1, wogegen
.2 .1 ._ ' l"v1 H,
die von eingeßeischten Nationalgotikern
angezweifelt Wurden4. Vor nun beinahe
hundert Jahren, 1874, gab der Wiener
Kunstfachmann A. Ilg seine „Unter-
suchungen über Werke der Renaissancc- und
Barokkckunst in Grätz"5 heraus, in denen
er erstmals auf einen Grazer Hofkünstler,
G. P. de Pomis, näher einging. Sicher dürfte
dabei die ein Jahr zuvor erschienene aus-
gezeichnete „Geschichte der deutschen
Renaissance" von W. Lübkeß, die auch
Österreich einbczog, Anregung gegeben
haben. llgs Aufsatz wirkte seinerseits auf
die steirische Forschung Weiter, die nun
langsam ins Rollen kam.
1879 wertete E. Kümmel die landschaft-
lichen Ausgabenbüchcr des steiermärkischen
Landesarchives aus und stellte in einem
sehr wichtigen Aufsatz alle von der Land-
schaft beschäftigten Künstler vom 16. bis
zum 18. Jahrhundert zusammen7. Am
Beginn der achtziger Jahre setzt dann die
äußerst ertragreiche Forschungstätigkeit
J. Wastlers, des Begründers der stcirischen
Kunstgeschichte, ein, der sich in seinen
zahlreichen Veröffentlichungen gerade mit
dem 16. Jahrhundert besonders eingehend
befaßte. Beginnend mit einer Arbeit über das
Seckauer Mausoleum Erzherzog Karls 11.3,
spannt sich der Bogen seines Schaffens über
das steirische Künstlerlexikon9, die De-
Pomis-Aufsätzelß, das Landhaus-Buchll,
die „Italienischen Baumeister" 12 bis hin
zum bekrönenden „Kunstleben"13, wobei
wir weitere Einzeluntersuehungen noch
zuzuführen haben werden. Wastlers Ver-
dienst besteht vor allem in der gründlichen
Sichtung des vorhandenen Arehivmate-
rials", mit dessen Hilfe er als erster eine
lebendige Vorstellung des steirisehen Kunst-
lebens im 16. und frühen 17. Jahrhundert
vermitteln konnte. Seine Arbeiten bilden
nach wie vor den Ausgangspunkt für jede
Beschäftigung mit der Kunst dieser Epo-
che.
Im Jahre 1884 gab v. Zahn Ergänzungen
zu Wastlers Künstlerlexikon heraus, die
auch für das 16. Jahrhundert neue Archiv-
funde bringen 15. Im selben Jahr erschien in
der Reihe „Deutsche Renaissance in Öster-
reich" der die Steiermark behandelnde erste
Band, herausgegeben vom damaligen Direk-
tor dcr k. k. Staatsgcwcrbeschule in Graz,
August Ortwein 16. In zahlreichen Strich-
zeichnungen und knappen beschreibenden
Texten werden hier mehrere stcirische