wie jedes Geräth gravirt, geschnitzt, gefärbt, geglättet wird, so erfährt
auch der Körper allerlei Veränderungen, die nichts Anderes sollen, als
ihn verschönern. Die unbestimmte Empfindung, die ihn zu solchem Be-
ginnen drängt, lässt sich etwa in folgender Weise erklären:
Der Mensch Endet an den Erzeugnissen der Natur in ihrer ursprüng-
lichen Form und Anordnung kein volles Gefallen.
Die geheimnissvollen Schönheitsgesetze im Weltall und das eigene
naive ästhetische Empfinden berühren sich wohl, decken sich aber nicht.
Es bleibt ein Rest ästhetischen Unbehagens, den er in irgend einer
Weise zu beseitigen strebt. Daher will er zunächst mindestens das, was
ihn beständig umgibt, nach eigenem Gefallen umformen, seinem Schön-
heitsempfinden assimiliren. Erst wenn ein solches ästhetisches
Besitzergreifen stattgefunden, wenn die Dinge die ihnen aufgenöthigte
Wandlung durchgemacht haben, betrachtet er sie als sein Eigenthum im
engeren Sinne, erst dann sind diese ursprünglichen Naturproducte gänzlich
ausgeschieden aus dem Haushalte der Natur, und in den persönlichen
Besitz eingereiht. S0 schnitzt noch heute der spielende Knabe Ringe
und Linien in die Rinde des Stabes, den er sich gebrochen, so bethä-
tigen in allerlei Spiel mit bunten Steinen, Beeren, Muscheln, Federn
u. s. w. Kinder täglich von Neuem den unbewussten Trieb, wdie Natur
zu verbessern".
Wiewohl sich nun diese merkwürdige ästhetische Unbefriedigtheit der
gCSHIIImKCH Natur gegenüber geltend macht, beschleicht sie doch den
Menschen früher noch als gegenüber der Außenwelt beim Anblick Seines-
gleichen. Auch hier gilt in gewissem Sinne das Sprichwort, dass Jeder
sich selbst der Nächste. Die einfache Menschengestalt ohne jegliche künst- '
liche Veränderung, selbst das Haupthaar ungeordnet und der Willkür des
Zufalles überlassen, erscheint zu natürlich, zu roh. Es erwacht das Be-
dürfniss, sich von der Natur als etwas Besonderes auszuscheiden, durch
Abzeichen loszulösen aus dem allgemeinen Verbände alles Geschatfenen.
Auch mit dem Körper muss jene Assimilirung vor sich gehen, damit der
Mensch rechtes Gefallen an ihm finde. Mag die Veränderung, die nun
vorgenommen wird, noch so unbedeutend oder nach unseren Begriffen
geschmacklos sein, es ist Geist von seinem Geiste. Der Mensch ist dadurch
aus den Regionen des allgemeinen Naturlebens in die des speciellen Men-
schendaseins übergetreten, und erst von da ab ist er in den Augen Seines-
gleichen kein nWilderi- mehr. Welche Motive immer es aber auch sein
mögen, die den dunklen Trieb entfachen, Alles um sich her, den Körper
nicht ausgenommen, bestimmten Veränderungen zu unterziehen, jedenfalls
entspringt das Vorgehen der Welt des Empfindens. Es hat weder mit
Gut und Böse, noch mit Wahr und Falsch etwas zu thun, sondern mit
Schön und Hässlich; es bewegt sich auf der Stufenleiter der Lust- und
Unlust-Empfindungen, und gehört daher in das Gebiet der Aesthetik.
Beim Körperschmuck erscheint sogar dieses Gebiet durch den bei primi-