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KAR KO KOSCHKA
NEW YORK
Oskar Kokoschka, zweifellos der berühmteste unter
den heute lebenden Expressionisten, ist vielleicht
der erste und bisher einzige österreichische Maler.
dessen Werk ein wahrhaft weltweites Echo gefunden
hat. Seit frühester Jugend mit dem Namen des
Meisters vertraut, zählt man ihn fast automatisch
zu den großen künstlerischen Persönlichkeiten der
ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Es wirkte daher
überraschend, sich dem aus zahlreichen Selbst-
porträts bekannten Gesicht Oskar Kokoschkas
gegenüber zu sehen, als der Künstler vor kurzem
nach New York kam. Anlaß für den Besuch war
eine zu Ehren seines 80. Geburtstages von der
Marlborough-Gerson-Galerie arrangierte Aus-
stellung. Mit geradezu jugendlicher Spannkraft.
humorvoll und offenbar völlig unbeeindruckt von
der eigenen Berühmtheit empfing der jetzt am
Genfer See ansässige Künstler die amerikanische
Presse. "Meine Bilder sind eigentlich ein Tagebuch.
Ich bin noch immer nicht überzeugt. daß sie Kunst
sind. Oder sind sie etwa Kunst?"
Sind sie etwa Kunst? Eine rhetorische Frage und
dennoch ernsthaft gemeint. Es ist nichts Gekünstel-
tes, nichts Beabsichtigtes an Kokaschkas Bildern.
Obwohl sich ganz deutlich mehrere Malperioden
unterscheiden lassen, ist doch alten gemeinsam die
elementare Kraft und Unmittelbarkeit der Aussage.
Festgehalten ist der energiegeladene Moment
malerischer Eingebung. Der Künstler hat sich nie
für ästhetische Theorien oder stilistische Richtungen
interessiert. "Ich bin wahrscheinlich der letzte
Maler, der seine Augen gebraucht". sagt er mit
einem gewissen Bedauern. "Für mich ist das Leben
das wahre Wunder und nicht die Kunst, Und Kunst
gibt es nur dort, wo man sieht, wirklich sieht, was
das Leben ist."
Die Veranstalter der Ausstellung legten darauf
Wert. ein möglichst vollständiges Bild der künstle-
rischen Entwicklung Kokoschkas zu geben. Die
unter dem gemeinsamen Protektorat der öster-
reichischen Botschaft in Washington und des Öster-
reichischen Kulturinstitutes in New York stehende
Ausstellung umfaßt über 120 Werke aus einer
60 Jahre umspannenden Schaffensperiode. Die
meisten dieser Arbeiten sind Leihgaben amerika-
nischer Museen und privater Sammlungen. Vier
große Olbilder stammen aus dem Besitz der
Phillips-Collection in Washington, die über die
umtangreichste Kokoschka-bammtung in aen ve
einigten Staaten verfügt.
Besonders eindrucksvoll in ihrer stilistischen G
schtossenheit ist die Serie von 16 Porträts aus di
Wiener Zeit vor dem ersten Weltkrieg. darunl
die bekannten Bildnisse von Peter Altenberg U1
Egon Wellesz sowie das Doppelportrüt Prof. Ha
Tietze und Erika Tietze-Conrad. Nicht wenigeri
sechs der Stüdtebilder sind dem alten Prag gewi
rnet. Die für Kokoschka typische Gestaltung ein
großräumigen, scheinbar in Auflösung begrirtent
Perspektive wird am deutlichsten in zwei spannung
geladenen Londoner Ansichten, die trotz ihr
zeitlich weit auseinanderliegenden Entstehui
H 1926 und 1962 4 in der malerischen Konzeptii
eng miteinander verwandt sind.
Daß der Künstler nichts von seiner Schaffensfreut
eingebüßt hat. geht aus den fünf Ölbildern hervc
die im Jahre 1966 entstanden sind. Darunt
befinden sich ein Porträt Adenauers und eine e
im August dieses Jahres vollendete Ansicht Berli
mit der Mauer. Charakteristisch für Kokoschl:
späten Stil ist das ebenfalls 1966 datierte Bild ..D
abgewiesene Liebhaber". Fleischfarbenes Rosa
die dominierende Farbe. Die nur umrißhaft ang
deuteten Personen gehen ganz auf in der Bevx
gung: das triebhafte Begehren des Mannes und c
hochmütige Zurückweisung der Frau sind gebar
in eine knappe Geste, In seiner groben Unverblür
heit ein echter Kokoschka, unterscheidet sich die:
Bild in Farbigkeit und Pinselführung doch deutli
von Arbeiten aus früheren Jahren. Es beweist. d
der Künstler nicht zum Gefangenen seines eigen
Stiles geworden ist. sondern sich immer wieder v
sich selbst befreit und innerhalb der ihm ofte
stehenden Möglichkeiten neue Wege geht.
Die Marlborough-Gerson-Galerie. die unter d
über 2OOVerkaufsgalerien New Yorkseine führen
Stellung einnimmt, brachte einen 130 Seiten stark
Katalog heraus. in dem jedes einzelne der ai
gestellten Bilder, oit sogar in Farbe, reproduzii
und ausführlich kommentiert ist.
Selbst im hektischen und von modischen Richtung
weitgehend bestimmten Kunstleben New Yoi
wurde die Würdigung des österreichischen E
pressionisten Oskar Kokoschka zum Ereignis. II
Besucherzahl der Ausstellung glich der eii
Museums. und das Echo in der amerikanisch
Presse war überaus positiv.
lskur Kokoschka bei seiner Ankunfä m New York an
Yeck der S5 Roüerdum
ßkar Kokoschku. Der cbgewiesene Liebhaber, 1966.
lllLwdu 81 X 115 cm. Sign. rezhls unten: "OK"
vskar Kokoschkn. Porlrül E. Ludwig, 1914. ÖlILwd"
17 x 80 cm. Sign, links oben "OK"
Pskar Kokoschku. Porlräl Egon Wellesl. 1911.
)llLwd.. 70.75 X 67.5 cm. Sign. links oben: OK"
bskur Kokoschka. Die Elbe bei Dresden. 192 .OlILwd..
8,75 x 78.75 cm. Sign. links unten: "OK"