oberhalb des Tores sind die Rollen für die
Zugbrückenketten noch sichtbar. Der An-
bau stand an der Ostseite frei, über der
freien Auffahrt war die Nordmauer des
Innentraktes sichtbar. Über dem Westlich-
sten Joch der Auffahrt erhob sich ebenfalls
ein turmartiger Anbau, der etwas weiter
nach Osten gereicht haben dürfte als die
heutige Fassadenlinie, denn an der Naht-
stelle zwischen der nördlichsten und der
zweiten Fensterachse ist unter dem Putz
eine vertikal verlaufende Erhebung in der
Stärke der ausgerissenen Mauer zu sehen.
Der südliche Fassadenteil, der über der
Kapellendurchfahrt liegt, ist um ein Stock-
werk niedriger als die Fassade. Das Türm-
chen, das darüber noch sichtbar ist, könnte
zur Kapelle gehören (die heutige hat
keines), oder aber es ist damit die Bekrönung
des sogenannten dritten Turmes gemeint,
die später abgetragen wurde. Dieser dritte
Turm erhebt sich nur um ein Geschoß über
der westlichen Ecke des Südtraktes zwi-
schen der kleinen Zisterne und dem Stiegen-
haus. Um das Haupttor in der Ostfassade
waren noch keine Figurennischen einge-
lassen. Das oberste Stockwerk war nied-
riger als jetzt und die Zwiebelbekrönung
des Uhrtürmchens saß ein Geschoß tiefer.
Damit ist im wesentlichen schon alles über
den letzten Umbau des Schlosses gesagt,
den Graf, später Fürst Paul Esterhazy
1683 bis 1687 durchführen ließ. Nur eine
Inschrift, die in der Kapelle eingemauert
ist, nennt ein Datum, sonst sind bisher
keine Archivalien gefunden worden, die
über Bauzeit und Baumeister Aufschluß
geben könnten. Den Beweis für die Authen-
tizität der Stammbaum-Ansicht, die den
Zustand des Schlosses, wie Simon Radäck
es erbaut hat, viel richtiger wiedergibt als
die beiden bekannten Stiche von Matthäus
Greischer, liefert der Bau selbst. Fürst Paul
ließ den ganzen Dachstuhl über den Innen-
trakten mitsamt den Zimmerdecken des
Obergeschosses abtragen, um sie auf gleiche
Höhe mit den neu geplanten Bauteilen
führen zu können, also vor allem dem Auf-
bau über der nötdlichen Auffahrt, der
Aufstockung des Südanbaues und der
Kapelle. Die Spuren des alten Dachstuhles
sind am Untergeschoß des Uhrtürrnchens,
am großen Turm und an den Mauern des
sogenannten dritten Turmes noch sichtbar
und liegen mehr als 2 Meter tiefer als der
Ansatz des heutigen, der in seiner ganzen
Ausdehnung neu aufgerichtet wurde. S0
haben alle Zimmer des obersten Stock-
werkes jetzt flache Decken mit einem
schmalen Stuckgesims. Aber auch im
ersten Stock wurden teilweise flache Decken
eingezogen, so daß nur noch wenige Räume
die Kreuzgratgewölbe des Nikolaus-Baues
erhalten haben, so die obersten Treppen-
absätze der beiden Stiegenhäuser und ein
Zimmer oberhalb des Einfahrtstores. Die
Fenstereinteilung des Radäck-Baues zeigen
nur noch zwei Achsen an der Südseite des
dritten Turmes. Alle Fenster an der West-
und Nordfront wurden auf gleiche Größe
gebracht, dagegen erhielt der Südtrakt im
ersten Stock hohe halbrund geschlossene
16
Fenster, im zweiten Stock bis zum Boden
heruntergezugene rechteckige Türen mit
„französischen" Balkonen. Der Baumeister
unter Fürst Paul hat aus der noch immer
winkelig verbauten Burg, die vielleicht so-
gar noch die Erinnerung an den mittel-
alterlichen Bau, ein lang gezogenes Vier-
eck mit Ecktürmen, bewahrte, einen ge-
schlossenen Block von mächtiger, straff ge-
gliedetter Gesamtwirkung gemacht.
Der Innenhof war in der Zeit Nikolaus" mit
einer al fresco gemalten Scheinarchitektur
geschmückt gewesen, die mit Pilastern und
Gesims bis zur heutigen Fensteroberkante
gereicht hatte. Reste von Mc-daillons mit
Bildnissen von Heiligen und Kaisern sind
noch auszunchmen, eine Inschrift
einem religiösen Spruch an der Nordfront
ist nicht mehr lesbar. Diese Dekoration
wurde beim Umbau nicht nur übermalt,
sondern größtenteils auch ahgekratzt, ihre
Spuren kommen jetzt unter der schad-
haften Tünche wieder zum Vorschein.
Auf die letzte Bauzeit geht auch die Aus-
gestaltung des Hauptportales am Torbau
zurück, dessen Nischenfiguren denen am
östlichen Schloßtor sehr ähnlich sind. Über
dem Innentor des Torbaues steht in einer
Nische eine steinerne Statue der Maria-
zeller Muttergottes, unter der in einer In-
schrift die Jahreszahl 1696 zu lesen ist.
Wohl zur Erinnerung an eine große XVall-
fahrt des Fürsten in diesem Jahre hier
angebracht, dürfte sie auch als Abschluß-
darum für den ganzen Bau anzusehen sein.
Später ist nichts Wesentliches mehr weg-
oder hinzugekommen, nur an der Einrich-
tung hat sich manches geändert. In seinem
Testament aus dem Jahre 1695 hat Fürst
Paul bestimmt, daß das ganze Haus als das
Stammschloß der Familie standesgemäß
eingerichtet bleiben müsse, daß Möbel,
Teppiche, Vorhänge und Bilder ebenso an
Ort und Stelle verbleiben sollten wie die
Schatzkammer und die umfangreichen Be-
stände an Waffen und Kriegsmaterial und
die Fahnen. Nach der Fertigstellung des
neuen Schlosses in Eisenstadt hat die
Familie selbst ia nicht mehr hier gewohnt,
sondern nur noch zeitweise einen Teil der
Räume benützt, wovon noch die schönen
Rokoko-Kaehelöfen in den Zimmerfluchten
des obersten Stockes zeugen. Die riesigen
Kamine der Innentrakte wurden erst im
19. Jahrhundert abgetragen. Es wurden
aber weiterhin alle Dinge hierher ver-
bracht, die der Familie wcrt waren, auf-
gehoben zu werden. Im 18. Jahrhundert
hatte Forchtcnstcin seine Bedeutung als
Festung wehrtechnisch verloren, aber es
war als Ganzes zur Schatzkammer und zu
Anfang des 19. Jahrhunderts zum Museum
geworden. lirst zu dieser Zeit kam ein
großer Teil der Familien- und Kaiserbilder
aus anderen Schlössern hierher ebenso wie
die Bestände der Eisenstädter Jagdkammer,
die nun zusammen mit den VUalIen der
Esterhzizfschen Regimenter und den ein-
gebrachten Beutestücken aus den Kriegen
aus drei Jahrhunderten eine der groß-
artigsten privaten Waffcnsammlungen Euro-
pas bilden.
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ANMERKUNG 14
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Ungarixrhes ÄIILIHJTUIHY. Budapest. Famlhenarchiv Esrcr-
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