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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 91)

AUS DEM KUNSTLEBEN 
 
SECESSION: 
Deutsche Druckgraphik 
Sich für die Belange von Wissenschaft 
und Kunst tatkräftig einzusetzen, zählt 
zu den verpflichtenden Gewohnheiten 
großer deutscher Firmen und Industrie- 
unternehmen. Auf dem Gebiet der 
bildenden Kunst sind es neben Stiftungen 
für Museen, respektablen Preisen, Auf- 
trägen und renommierten Wettbewer- 
ben aller Art vor allem zahlreiche 
Ankäufe. die - begünstigt durch eine 
vom Gesetzgeber in kluger Voraus- 
sicht ermöglichte steuerliche Absetzbar- 
keit - den Schwerpunkt kunstfördern- 
der Maßnahmen von privater Seite 
darstellen. 
Zu welch fruchtbaren Ergebnissen eine 
derartige Kulturpalitik im einzelnen 
führt. bewies eine interessante. kleine 
Ausstellung in der Wiener Secession. 
die auch als Beispiel dafür angeführt 
werden darf. daß sich private Kunst- 
förderung auf geschickte und durchaus 
sympathische Art mit geschäftlicher 
Reklame verbinden kann. (Ähnliches in 
Österreich zu tun, steht übrigens jeder- 
mann frei!) 
Der Titel der Wanderausstellung lautete 
..Deutsche Graphik noch 1945". Als 
Veranstalter fungierte die deutsche 
Lufthansa. eine der bekanntesten Flug- 
gesellschaften der Welt, in deren Besitz 
sich sämtliche 58 Exponate dieser als 
knapper Querschnitt durch die deutsche 
Graphik der Jahre 1955 bis etwa 1962 
fungierenden Schau befinden. Da es 
sich bei den gezeigten Blättern in der 
Regel um Arbeiten handelte, deren 
Entstehungsdatum schon einige Jahre 
zurückliegt. blieben neuere Tendenzen 
und Strömungen deutscher Graphik 
leider unberücksichtigt. Erfreuliches 
Durchschnittsniveau unter deutlichem 
Herausstreichen solider Modernität war 
somit der Grundtenor dieser Schau. 
Zum Herausragendsten zählten eine 
Farblithographie des 1955 verstorbenen 
Willi Baumeister. besonders aufschluß- 
reiche und sehr schön gedruckte Litho- 
graphien von Max Ernst, feinnervige. 
typische Radierungen von Horst Antes. 
zwei sehr schöne Abstraktionen Ernst 
Wilhelm Nays sowie Blätter von Trökes. 
Trier, Meistermann und Ruprecht Gei- 
ger. 
AKADEMIE FÜR ANGEWANDTE 
KUNST: 
Eduard Bäumer 
Im neuen Gebäude der Wiener Aka- 
demie für angewandte Kunst zeigte der 
seit 1933 in Salzburg lebende Maler 
Eduard Bäumer eine Kollektive neuerer 
Arbeiten. die durch einige zum Teil 
durch den Kubismus und die Lehren 
des Bauhauses inspirierten Werke so- 
wie mehrere akademisch-natu ralistische 
Arbeiten aus der Frühzeit des Künstlers 
ergänzt wurde. Eduard Bäumer ist mit 
dem Haus am Stubenring eng ver- 
bunden. Von 1948 bis zu seiner Pen- 
sionierung im Jahre 1963 war er dort 
als Professor tätig. Zwischen seiner 
ersten Kollektivschau 1942 in der 
Galerie Würthle und seiner jetzigen 
an der Akademie für angewandte 
Kunst liegen 24 Jahre. was als Indiz 
für Bäumers Zurückgezogenheit vom 
heutigen Ausstellungsrummel gelten 
mag. dem der 1892 in Castellaun im 
Hunsrück geborene und in Frankfurt 
ausgebildete Künstler vermutlich fremd 
50 
und ablehnend gegenübersteht. Die 
schon in frühen Jahren erfolgte Be- 
einflussung durch den Expressionismus 
der Franzosen und Deutschen spielt 
auch im heutigen Spätwerk Büumers 
(es handelt sich dabei zumeist um 
Variationen über die kalabrische Lond- 
schatt) eine nicht unwesentliche Rolle. 
Obwohl sich Bäumers Palette durch 
einen kleinkalibrigeren Rhythmus von 
der kräftigeren und vehementeren 
Malerei der französischen Fauves und 
der deutschen Brücke-Leute deutlich 
unterscheidet. bleibt in ihr ein expres- 
sionistisches Element stets spürbar. Bäu- 
mers Bilder können daher als verhal- 
tener Expressionismus charakterisiert 
werden - als eine helle Farben be- 
vorzugende. subtile und stark rhyth- 
mische Malerei. die zwar noch immer 
temperamentvoll genug ist, aber keine 
Eskapaden und Wildheiten mehr kennt. 
Gebirgs- und Steinformationen. die mit 
zu den Lieblingsthemen des Malers 
gehören und Bäumers Sinn für feinste 
Strukturen und Farbwerte hervor- 
kehren. lassen in neueren Beispielen 
gelegentlich auch Anklänge an die 
Landschaftsmalerei von Werner Gilles 
erkennen, zu dessen bevorzugten Mo- 
tiven ebenfalls Mittelmeerlandschaften 
zählten. 
NIEDERÖSTERREICHISCHES 
LANDESMUSEUM: 
Weihnachtliche Hinterglasbilder 
Waren es vorigen Sommer Votivtafeln 
aus niederöslerreichischen Gnaden- 
stätten. die vom Niederösterreichischen 
Landesmuseum in Form einer Gostaus- 
stellung in der Galerie Autodidakt 
gezeigt wurden. so galt im Dezember 
1966 und Jänner dieses Jahres der 
"Darstellung des Weihnachtsfestkreises 
im Hinterglasbild" eine ebenso wichtige 
wie erfolgreiche Austellung im eigenen 
Haus. 
Die von Kustos Dr. Hermann Steininger 
unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher 
Assistenz Friedrich Knaipps (in Fragen 
der Bestimmung der jeweiligen Er- 
zeugungsstötten und Dotierung der 
Bilder) organisierte. siebenundvierzig 
Bilder umfassende Exposition wurde 
aus einem Material von 160 Hinter- 
glasarbeiten ausgewählt. Neben eige- 
nen musealen Beständen mußte dabei 
auch auf Leihgaben privater Sammler 
zurückgegriffen werden. 
Gemäß der Absicht. .. ine vollständige 
Aufarbeitung der niederösterreichi- 
schen Bstände ihrem topologischen 
Anteil gemäß zu bieten". konfrontierte 
die informative Ausstellung mit allen 
wichtigen Typen und Varianten von 
Hinterglasbildern dieses Themenkreises. 
Der zeitliche Bogen spannte sich dabei 
vom Ende des 1B. Jahrhunderts bis 
etwa zum dritten Viertel des neun- 
zehnten. Dabei ist festzuhalten, daß 
sämtliche Bilder bis auf eines. das von 
einem oberbayrischen Nlalerhandwer- 
ker hergestellt wurde. aus hüttenge- 
werblicher Produktion stammen, die 
durch Händler und Hausierer haupt- 
sächlich an Bauern verkauft werden 
konnte. Von den 46 hüttengewerblichen 
Arbeiten stammen nicht weniger als 
23 aus Sandl und Umgebung und vier- 
zehn aus Buchers. was die besondere 
Bedeutung dieser Ortschatten für die 
Fertigung von Hinterglasmalereien ein- 
mal mehr unterstreicht. 
Die Herbheit und Intensität der ro- 
busten Darstellungen, die Kraft und 
der satte Klang der Farben. kurzum 
all das. was neben dem leicht faßbaren 
Inhalt das Spezifische des Hinterglas- 
bildes ausmacht. wurde dem Besucher 
dieser schönen und besinnlichen Aus- 
stellung in verschwenderischer Fülle 
und Eindringlichkeit vor Augen ge- 
führt (Abb. 1). 
GALERIE TAOZ 
Slavko Tihec und Rudolf Kotnik 
Eine der interessantesten Ausstellungen, 
die in Wiener Galerien zur Jahres- 
wende veranstaltet wurden, war in 
der Galerie Tao im Palais Palffy zu 
sehen. Sie vereinte neuere Arbeiten 
der in Wien keineswegs unbekannten 
jugoslawischen Künstler Slavko Tihec 
und Rudolf Kotnik. 
Die verschiedenformatigen. material- 
betonten. reliefartigen normierten Lein- 
wände" von Kotnik mit ihren an 
Zwischentönen reichen Vertiefungen, 
Verstrebungen und Verspannungen 
können als poesievolle. vegetative Sym- 
bole des Vergänglichen, aber auch des 
neu Entstehenden, Kommenden ange- 
sehen werden. Sie sind typische Bei- 
spiele für jene Tendenz in der bildenden 
Kunst der letzten Jahre. die den auto- 
nomen Aussagewert des Materials 7 
in unserem Fall Gips- und Farbstruk- 
turen, verspannte Schnüre, Drahtge- 
füge und Metallteile - besonders 
unterstreicht. 
Demgegenüber zeigen die Skulpturen 
von Tihec (er vertrat sein Land auch 
auf der voriährigen Biennale von 
Venedig) eine wesentlich deutlichere 
Tendenz einer präzisierten Bildidee. 
Kontraste im sinnvoll verwendeten 
Material wie in der Farmgebung 
charakterisieren diese ebenfalls symbol- 
haften. kleinen Skulpturen aus Nickel 
und Holz. deren Materialeffekte und 
gegensätzliche Volumina den Betrachter 
zu einer weit Über das Formale hinaus- 
gehenden. doch wesentlich von ihm 
bestimmten geistigen Auseinanderset- 
zung anregen (Abb. 2. 3). 
GALERIE WÜRTHLE: 
Italienische Druckgraphik 
Unter ähnlichen Gesichtspunkten in- 
formativ und sehenswert wie die Aus- 
stellung deutscher Graphik in der 
Secession war auch die Gruppenaus- 
stellung italienischer Druckgraphik der 
Gegenwart. die von der Galerie Würthle 
gezeigt wurde. Ein wirklich repräsen- 
tativer Überblick konnte jedoch auch 
hier nicht erreicht werden. obwohl die 
gewiß verdienstvolle Exposition mit 
Blättern einiger der wichtigsten und 
bekanntesten italienischen Künstler von 
heute bekannt machte: mit 7 technisch 
zumeist einwandfreien - Drucken von 
Burri. Fontana. Perelli. Vedova, Do- 
razio. Consagra, Pomodoro und an- 
deren. 
GALERIE NÄCHST ST. STEPHAN: 
Lichtbilder von gestern und heute 
Eine der aufschlußreichsten kleineren 
Photoausstellungen, die man während 
der letzten Jahre in Wien zu sehen 
bekam. veranstaltete die Galerie nächst 
St. Stephan zum Jahresauftakt. 
Verbreitung und Bedeutung. die der 
Photographie heute zukommen. er- 
fordern geradezu Ausstellungen dieser 
Art. weil sie dem Fachmonr 
aufgeschlossenen Amateur 
historische Leistungen und 
vor Augen führen. sondern 
seitige Anregungen zu geben 
Lag auch das Schwergewicht 
wenig zu unaufwendig darge 
Exposition bei ihrem histari: 
bei den um 1920 entstandene 
von Moholy-Nagy. Man Rat, 
sehr alten Aufnahmen des 
Seidenstücker. so konfrontier 
seits die ..Figurenphotograi 
jungen. 1937 geborenen Floi 
Neusüss mit Aspekten neue 
bildnerischen Gestaltens. 
Neusüss. auf dessen Anreg 
die vom Museum des 20. Jal 
für 1968 geplante Ausstellung 
rische Photographie" zustand 
wird. leitet seit 1966 die 
Experimentalphotagraphie 
Werkkunstschule in Kassel. 
lebensgroßen Lichtbilder (n 
.,Figurenphotogrammen" ze 
süss auch ,.Faltphotogramm 
bilder. Montagen und Rayog 
dienen ihm Mannequins als 
Neusüss komponiert gleichsai 
menschlichen Körper. mit 
Bewegungsphasen, Gliedmc 
Licht, dem Hell und Dunkel. 
tiv-. Negativ- und räntgei 
Effekten. Expressive Morni 
rhythmische Impressionen we 
bei von Bild zu Bild. DCIZL 
gleich zeigen die „TBllEFlJllt 
denzen ziemlich präzisen ( 
mus, wie man ihn von ält 
neueren Beispielen in der 
aber auch den "Rauchbilc 
Deutschen Otto Piene her ki 
Von Man Ray. dem 1890 
delphia geborenen Mitbegri 
Dada-Bewegung in den U! 
neben abstrakten. fein ausge 
autonom gestalteten .,Rayog 
(diese Bilder wurden nach 
benannt) mehrere ausdruckssl 
träts von Marcel Ducham 
Joyce und Pablo Picasso 
Ungar Moholy-Nagy (Jahrgr 
von 1919 bis 1920 in Wien lt 
Berufung ans Bauhaus in We 
er vier Jahre später auch sein 
weisendes Buch über „Maler 
graphie. Film" herausbrachte 
in seinen Bildern ungewöhnlic 
Vorstellungen und Perspektii 
Moholy-Nagy photographiei 
damals bahnbrechend und VI 
von ungefähr Parallelen zu r 
falls auf den reinen Aussagew 
Form und des Schwarzweiß be 
Lichtgraphiken von Ray auf. 
Als wirklichkeitsnaher Beoba 
Menschen erweist sich schlie 
1882 geborene Westfale Dir 
nieur Seidenstücker. Seine kli 
tigen Vergrößerungen (oft I 
karten) zeigen entweder l 
Personengruppen. Angehörige 
ter sozialer Schichten (z. B 
oder verschiedene Leute bei 
derselben Tätigkeit; so z. 
Überspringen einer Pfütze, 
trachter im Zoo usw. Daß Seid 
zu einer Zeit. wo die Phot 
fast ausschließlich dem Kontert 
mit scharfem Blick für die Wi 
den Menschen aufs Korn n( 
als nichts verschönernder B 
Erscheinung trat. verleiht seine 
Wert und Bedeutung (Abb. 5:
	        
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