Walther Maria Neuwirth
KÜNSTLERSCHICKSALE
AUS ARCHIVBRIEFEN
Im Laufe der letzten fünf Jahre wurde das
umfangreiche Archiv der Gesellschaft bil-
dender Künstler Wiens, Künstlerhaus, er-
schlossen. Während des Vorjahres erhielt
es von dem jetzigen Präsidenten, Hochschul-
prof. Dr. techn. Karl Kupsky, im ersten
Stockwerk des Hauses ein würdiges Lokal
und wurde außerdem mit modernen Stahl-
regalen ausgestattet, die eine zweckent-
sprechende Lagerung der Archivschätze
garantieren. Das Archiv besitzt auch eine
viele hundert Exemplare umfassende Samm-
lung von Originalbriefen. Einige dieser
Künstlerbriefe, die sich auf Wiener Künstler-
schicksale oder auf in Wien geschaffene
Werke beziehen, lassen wenig bekannte
oder noch unbekannte Schicksale in grellem
Lichte sichtbar werden. Ihr Inhalt sei teil-
weise nachfolgend der Öffentlichkeit be-
kanntgegeben.
Der Bildhauer Anton Ritter von Fernkorn
(f 1878) schrieb vor 94 Jahren am 17. Mai
1873 an den damaligen Vorstand des Künst-
lerhauses, Maler Prof. Eduard Ritter von
Lichtenfels: „Gefertigter, welcher seit Be-
ginn des Vereins Mitglied desselben war (I),
muss jetzt in seinen traurigen Verhältnissen
höflichst um zwei Freykarten bitten für
mich und seinen Diener. Er zeichnet sich
Achtungsvoll . . ." Fernkorn, der an zeit-
weiser geistiger Umnachtung litt, schrieb
diesen Brief aus einer XViener Nerven-
heilanstalt, und der Prirnararzt, dem alle
Briefe vorgelegt werden mußten, fügte am
18. Mai Fernkorns Bitte folgende Nach-
schrift hinzu: „Herr Ritter von Fernkorn
ist in einem Zustande, in dem er zeitweilig
Bildergallerien u. dergl. besuchen kann und
öfters ausgeht. Er ist zwar nicht in miss-
lichen Verhältnissen, da er neben der
Anstaltsverpflegung noch eine monatliche
Zubusse hat, die er aber zumeist für seinen
Gaumen verbraucht; aber sie genügt ihm
nicht, um noch andere Vergnügungen, die
nicht ganz billig sind, mitzumachen. Dass
er zu seiner Begleitung immer einen
Krankenpfleger bei sich haben muss, braucht
wohl nicht besonders bestätigt werden."
Die zweite Freikarte brauchte Fernkorn für
seinen Wärter.
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Der einflußreiche Vorsitzende des Haupt-
vorstandes der Deutschen Kunstgenossen-
schaft in München, der seinerzeit berühmte
Bildhauer Professor Konrad Knoll, von
dem u. a. die Kolossalstatuen Heinrichs des
Löwen und Ludwigs des Bayern in Zink-
guß am alten Rathaus zu München und der
Fischbtunnen auf dem Marienplatz vor
dem Neuen Rathaus stammen, schrieb am
5. Dezember 1868 an das Wiener Künstler-
haus: „Lieber Freund! Mit Markatt's
Bilder habe ich nichts zu schaffen. Da ich
übrigens bei dessen Vergolder mein Atelier
habe, so fragte ich diesen und erfuhr, dass
die Bilder Makarts vor 8 bis 10 Tagen schon
nach Wien gesandt wurden und zwar unter
der Adresse: Oesterreichischer Kunstverein.
Nebenbei bemerkt über dieses Pechfsche
Hätschelkind: wenn Ihr Euer Künstlerhaus
zu einem Hurenhaus umgestalten wollt,
dann müsst Ihr diese Saubilder dafür
kaufen." (Pecht war Kritiker, Anm. d. A.)
Bekanntlich waren Feuerbach, Canon und
Pettenkofen vorn „Meteor" Makart ver-
dunkelt worden. Darüber handelt der Brief
der Mutter des 2. Hellenen Europas, c
Frau Henriette Feuerbach, geborene H:
denreich aus Nürnberg, vom 9. März 181
Sie schrieb 2 Monate nach dem T1
Anselm Feuerbachs (geb. 1829) unter anc
rem an den Vorstand des Künstlerhaus
Baron Architekt Karl von Hasenaun
„Geehrter Herr! Sie müssen mir verzeihe
wenn ich es ehrlich ausspreche, dass c
Name Wien mir bitter klingt. Mein S0}
der in vorlezter jugendkraft in ihre Mi
trat, hat nach drei Jahren (1875, Anm. d. I
den Todeskeim mit hinweggetragen. E
,Wie' ist mir leider nur zu wohl bekam
das ,Warum' bleibt ein unauflöslic}
Rätsel. Diejenigen, die an dieser ewig l
weinungsxivürdigen Tragödie rnitgearbei
haben, mögen sich des Ausgangs freue
wenn sie können."
In einem Brief vom 3. März 1877 schri
Maler Alois Nigg, ordentliches Mitgli
des Künstlerhauses, an den Vorstand c
Genossenschaft Maler, Friedrich Sehilcht
Er beklagte sich, daß Gemälde seines Sc
nes, der als Gast in einer Künstlerhai