kurlich an eine luxuriose Schiffskabine oder ein
Schlafwagenabteil. Nimmt man noch hinzu. daß
die mit Glasmalereien verzierten Fenster zu beiden
Seiten des Kamins wie Waggonfenster versenkbar
sind, mag Hoffmann tatsächlich, um Platz zu
sparen. derartige Anregungen verwertet haben".
Was die Foringebung des Mobilicirs betrifft, so
erweist sich diese im Vergleich zu allem Btsherigen
als etwas vollig Neuartiges, Ja wir begegnen
hter tatsächlich einer ähnlich revolutionären Hol-
tung, wie sie am Ende des 18..'ahrhunderts. im
Zeitalter der Französischen Revolution, die Bauten
von Louis Etienne Boullee (T728 71799) und
Claude Nicolas Ledoux (1736 4806). mehr aber
noch ihre Projekte und Entwürfe zum Ausdruck
bringen. Beide Künstler". für deren Schöpfungen
der Begriff „Revolutionsarchitektur" geprägt
wurde, gelten als die Vorläufer und Begrunder
der modernen Baukunst. Aber noch rund ein
Jahrhundert lang konnten sich die restaurativen
Gegcnkrafte in der Kunst behaupten. bis dann
schließlich am Ende des 19. Jahrhunderts der
Durchbruch der revolutionären Bestrebungen
nicht mehr aufzuhalten war. Es ist sehr bezeich-
nend. daß gerade Josef Hoffmann, einer der
lnitiatoren der zeitgenössischen Architektur, dank
dem ausseinervielseitigen Begabung resultierenden
Interesse fur das Kunstgewerbe, auch für das
Mobiliar, teils aus eigenem. teils in Anlehnung an
die englischen Reformer, zu ganz neuen Lesungen
fand. Konsequent wird nun auch bei der Gestal-
tung des Mabiliars mit dem Prinzip des Denkmal-
haften, des Monumentalen im eigentlichen Sinne
des Wortes, ernst gemacht, wie es für die Revol-
tionsarchltektur so maßgebend war. Stärker als
bei den fur Hochreith angefertigten Möbeln kommt
dieses Charakteristikum bei den gleichzeitig fur
andere Mitglieder der Familie Wittgenstein her-
gestellten Wahnungseinrichtungen zur Geltung,
Hier sind die Speiseziinmerkredenzen, Schranke
und Schreibtische, ja sogar Fauteuits, Tische und
Bellen tatsächlich von einer nahezu archaisch
wirkenden Wucht. Man könnte sie sich ohne
weiteres als Möblierung eines der von Ledoux
entworfenen Hauser denken. ja sie würden sich
harmonischer in diese herbe, ernste und strenge
Umgebung einfugen als in vorgegebene Räume
aus konservativen Epochen. Am ehesten ist
noch eine Ähnlichkeit mit dem Mobiliar der Bieder-
meterzeit festzustellen, weil dieses wegen seiner
Schlichtheit und Schwere auch viel mehr Ver-
wandtschaft mit der Revolutionsarchitektur besitzt
als die unmittelbar darauffolgenden Empiremöbel;
ihr hötisch repräsentativer Aufwand war eine
demonstrativ antirevaliittonäre Reaktion. Die
Biederrneiermöbel, die Einrichtung des Burger-
standes und aus dtesem Grunde bewulit und betont
ziiruckhaltend, waren gewif} auch deshalb der
letzte Stil, den Hoffmann gelten ließ und besonders
schätzte.
Innerhalb der Entwicklung der modernen Möbel,
vom Jugendstil bis heute, kommt Hoffmanns
Leistungen auf diesem Gebiet zwar große Be-
deutung zu. doch war ihr tatsächlicher Einfluß
örtlich und ZElliiCh begrenzt. Sie blieben singuläre
Erscheinungen. und ihre Auswirkungen fitr die
weitere Zukunft waren gering. Denn diese stand
im Zeichen der industriellen Fertigung und Serien-
produktion. Hoffmann wußte das oder sah es
jedenfalls kommen. Doch distanzierte er sich von
dieser Art der Herstellung, jedenfalls soweit es die
Tätigkeit der Wiener Werkstätte betraf, Sagt er
doch selbst irn Arbeitsprogramm. er sei sich be-
wußt, ,.daf3 unter gewissen Umständen mit Hilfe
von Maschinen ein erträglicher Massenartikel ge-
schaffen werden kann, derselbe muß dann aber
unbedingt das Gepräge der Fabrikation tragen.
Wir halten es nicht fur unsere Aufgabe, jetzt schon
dieses Gebiet zu betreten"? Zwar entwarf er
gelegentlich Stühle, die nach dem von Michael
Thonet entwickelten industriellen Verfahren aus
Bughotl maschinell hergestellt wurden. Doch
handelte es sich dabei stets unn umfangreiche
Serien für Restaurants und dergleichen. Fiir den
individuellen Auftrag, fur die private Sphäre der
Wohnung. hielt Hoffmann noch an der hand-
werklichen Erzeugung fest.
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Jagdhaus Hochreiih. Richard Lu ksch. Diana, Keramik-
stulueile vom Ofen des Wohnzimmers
Jagdhaus Hochreilh, Detail von einem Spieliisch, nach
Entwurf von C. O. Czeschka: Relief des Kurokönigs
Jagdhaus Hochreilh. Türklinke
ANMERKUNG 1 1
Hier Sei auf eine Bemerkung im Arbeiisprogramm
der WW verwiäen: „Es muß einmal daran erinneri
werden. dciß wir leider gezwungen sind. um den
Betrug, um den zum Beispiel ein WnggonrLii (i)
gebqui wird. ein reichlich großä Haus mii allem.
was darinnen isi. zu errichien."