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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 92)

kurlich an eine luxuriose Schiffskabine oder ein 
Schlafwagenabteil. Nimmt man noch hinzu. daß 
die mit Glasmalereien verzierten Fenster zu beiden 
Seiten des Kamins wie Waggonfenster versenkbar 
sind, mag Hoffmann tatsächlich, um Platz zu 
sparen. derartige Anregungen verwertet haben". 
Was die Foringebung des Mobilicirs betrifft, so 
erweist sich diese im Vergleich zu allem Btsherigen 
als etwas vollig Neuartiges, Ja wir begegnen 
hter tatsächlich einer ähnlich revolutionären Hol- 
tung, wie sie am Ende des 18..'ahrhunderts. im 
Zeitalter der Französischen Revolution, die Bauten 
von Louis Etienne Boullee (T728 71799) und 
Claude Nicolas Ledoux (1736 4806). mehr aber 
noch ihre Projekte und Entwürfe zum Ausdruck 
bringen. Beide Künstler". für deren Schöpfungen 
der Begriff „Revolutionsarchitektur" geprägt 
wurde, gelten als die Vorläufer und Begrunder 
der modernen Baukunst. Aber noch rund ein 
Jahrhundert lang konnten sich die restaurativen 
Gegcnkrafte in der Kunst behaupten. bis dann 
schließlich am Ende des 19. Jahrhunderts der 
Durchbruch der revolutionären Bestrebungen 
nicht mehr aufzuhalten war. Es ist sehr bezeich- 
nend. daß gerade Josef Hoffmann, einer der 
lnitiatoren der zeitgenössischen Architektur, dank 
dem ausseinervielseitigen Begabung resultierenden 
Interesse fur das Kunstgewerbe, auch für das 
Mobiliar, teils aus eigenem. teils in Anlehnung an 
die englischen Reformer, zu ganz neuen Lesungen 
fand. Konsequent wird nun auch bei der Gestal- 
tung des Mabiliars mit dem Prinzip des Denkmal- 
haften, des Monumentalen im eigentlichen Sinne 
des Wortes, ernst gemacht, wie es für die Revol- 
tionsarchltektur so maßgebend war. Stärker als 
bei den fur Hochreith angefertigten Möbeln kommt 
dieses Charakteristikum bei den gleichzeitig fur 
andere Mitglieder der Familie Wittgenstein her- 
gestellten Wahnungseinrichtungen zur Geltung, 
Hier sind die Speiseziinmerkredenzen, Schranke 
und Schreibtische, ja sogar Fauteuits, Tische und 
Bellen tatsächlich von einer nahezu archaisch 
wirkenden Wucht. Man könnte sie sich ohne 
weiteres als Möblierung eines der von Ledoux 
entworfenen Hauser denken. ja sie würden sich 
harmonischer in diese herbe, ernste und strenge 
Umgebung einfugen als in vorgegebene Räume 
aus konservativen Epochen. Am ehesten ist 
noch eine Ähnlichkeit mit dem Mobiliar der Bieder- 
meterzeit festzustellen, weil dieses wegen seiner 
Schlichtheit und Schwere auch viel mehr Ver- 
wandtschaft mit der Revolutionsarchitektur besitzt 
als die unmittelbar darauffolgenden Empiremöbel; 
ihr hötisch repräsentativer Aufwand war eine 
demonstrativ antirevaliittonäre Reaktion. Die 
Biederrneiermöbel, die Einrichtung des Burger- 
standes und aus dtesem Grunde bewulit und betont 
ziiruckhaltend, waren gewif} auch deshalb der 
letzte Stil, den Hoffmann gelten ließ und besonders 
schätzte. 
Innerhalb der Entwicklung der modernen Möbel, 
vom Jugendstil bis heute, kommt Hoffmanns 
Leistungen auf diesem Gebiet zwar große Be- 
deutung zu. doch war ihr tatsächlicher Einfluß 
örtlich und ZElliiCh begrenzt. Sie blieben singuläre 
Erscheinungen. und ihre Auswirkungen fitr die 
weitere Zukunft waren gering. Denn diese stand 
im Zeichen der industriellen Fertigung und Serien- 
produktion. Hoffmann wußte das oder sah es 
jedenfalls kommen. Doch distanzierte er sich von 
dieser Art der Herstellung, jedenfalls soweit es die 
Tätigkeit der Wiener Werkstätte betraf, Sagt er 
doch selbst irn Arbeitsprogramm. er sei sich be- 
wußt, ,.daf3 unter gewissen Umständen mit Hilfe 
von Maschinen ein erträglicher Massenartikel ge- 
schaffen werden kann, derselbe muß dann aber 
unbedingt das Gepräge der Fabrikation tragen. 
Wir halten es nicht fur unsere Aufgabe, jetzt schon 
dieses Gebiet zu betreten"? Zwar entwarf er 
gelegentlich Stühle, die nach dem von Michael 
Thonet entwickelten industriellen Verfahren aus 
Bughotl maschinell hergestellt wurden. Doch 
handelte es sich dabei stets unn umfangreiche 
Serien für Restaurants und dergleichen. Fiir den 
individuellen Auftrag, fur die private Sphäre der 
Wohnung. hielt Hoffmann noch an der hand- 
werklichen Erzeugung fest. 
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Jagdhaus Hochreiih. Richard Lu ksch. Diana, Keramik- 
stulueile vom Ofen des Wohnzimmers 
Jagdhaus Hochreilh, Detail von einem Spieliisch, nach 
Entwurf von C. O. Czeschka: Relief des Kurokönigs 
Jagdhaus Hochreilh. Türklinke 
ANMERKUNG 1 1 
Hier Sei auf eine Bemerkung im Arbeiisprogramm 
der WW verwiäen: „Es muß einmal daran erinneri 
werden. dciß wir leider gezwungen sind. um den 
Betrug, um den zum Beispiel ein WnggonrLii (i) 
gebqui wird. ein reichlich großä Haus mii allem. 
was darinnen isi. zu errichien."
	        
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