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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 92)

Zeichnungen tragen expressive Züge. sind pro- 
blematischer im Inhalt und zeigen den impetuosen 
Strich des Künstlers. Eine dritte Gruppe klingt in 
zwei Zeichnungen an (Abbfll). abstrakten Ge- 
staltungen. die nicht nur Hanaks Bedeutung für 
die moderne Plastik ahnen lassen. sondern viel 
mehr noch von seiner hohen Musikalität künden. 
interessant und typisch für l-ianak sind die Kom- 
mentare. die auf einigen der Zeichnungen zu 
finden sind (Abb. 7. 9); sie sind kritisch oder er- 
läuternd. manche andere gewähren einen er- 
schütternden Einblick in die materielle Notlage 
des Künstlers. immer sind diese Anmerkungen in 
Hanaks charakteristischer. ornamental wirkender 
Schrift gemacht (Abb. S). die einer näheren Unter- 
suchung würdig wäre. 
Die Tintenstiftzeichnungen zeigen weibliche Akte. 
tanzende Figuren. solche, die in gelöster Ruhe 
gelagert sind. die Freude an der Schönheit kün- 
den. Schwerelosigkeit ausdrücken. die dem Licht 
geöffnet sind. Schwingende Rhythmen durchziehen 
diese Bilder (Abb. 1. 2). 
Die Technik des Tintenstiftes erlaubt malerische 
Effekte. Oft sind die Figuren in mystisches Dunkel 
gehüllt. oft sind sie in sonnige Helligkeit getaucht. 
oft glost es in ihnen oder es lodern Flammen 
(Abb. 1. 4). Es sind von innen durchglühte Körper. 
Bisweilen aber haben sie die Oberfläche des 
kalten. glatten Steins (AbbÄS). Manchmal sind die 
Konturen mit dem Tintenstift dicht zusammen- 
geschlossen, auf ihre Silhouette zusammengefaßt 
(Abb. 4): diese nach innen blickenden Figuren 
sind geballte Kraft. massive Körperlichkeit. Die 
Gesichter sind ins Dunkel getaucht. in den Beinen 
sind aufhellende Lichter. Die starken Tintenstift- 
striche wirken in der violetten Lavierung grün 
opalisierend. Die Körper sind wie von innen 
durchglüht. das Licht dringt an die Oberfläche 
und macht sie lebendig. Es ist also überflüssig. den 
Körper zu modellieren. die Impulse kommen van 
innen. es ist ein Modulieren, nicht ein Modellieren. 
Bei Hanak ist es die schwellende Kraft des Lichtes. 
die aus dem Material hervorbricht und es ent- 
materialisiert. 
Andere Figuren bekommen das Licht von außen 
(Abb. 2). die Konturen sind bisweilen aufgelöst. 
Dort. wo das Licht vom Material wegnimmt, 
wird dem Körper von seiner Schwere. von seiner 
materiellen Substanz genommen. Hanaks Figuren 
sind aus Feuer und Licht geboren. 
Die Tusche- und Tintenfederzeichnungen haben 
phantastische Inhalte. Die Blätter mit den viel- 
armigen und vielbeinigen Figuren sind Beispiele 
reiner Graphik. Es sind keine Bewegungsstudien. 
die nach dem richtigen Bewegungsmoment 
suchen. sondern es sind Visionen des Künstlers 
(Abb. 6). Solch eine Figur hat sieben Arme. die 
wie die Greifer eines Polypen ins Freie ringen 
und vom Körper nicht loskommen: das Gesicht 
ist das eines Fauns. die Augen sind nach oben ge- 
richtet. sein Mund ist leicht geöffnet, als härte er 
Musik. der er im Tanzschritt folgt. 
Der Strich ist vielgestaltig. In Kurven und Bögen. 
Zähnen und Häkchen. Knoten und Kerben ist er 
. voll innerer Unruhe. Das sind Beispiele wahrer 
Griffelkunst. Es ist die harte. unsinnliche (im 
Gegensatz zur mehr sensualistischen Tintenstift- 
Zeichnung). unerbittliche Schwarzweißkunst. die 
am stärksten das Temperament des Künstlers 
offenbart. Zu diesen Themen bevorzugt Hanak 
den männlichen Akt, der die Tektonik des mensch- 
lichen Körpers besser zeigt und der den schroffen. 
ruckartigen Stößen herberer Takte folgt. Schwarz- 
weißkunst ist die am wenigsten verbindliche Kunst. 
die am wenigsten unsere Sinne anspricht. aber 
am meisten Ausdruckskraft besitzt. Die Gestalten 
sind mit einer Unmittelbarkeit vorgetragen. die 
uns mitreißt. Figuren brausen wie im Sturm über 
uns hinweg. Dämonen gleich. Diese Zeichnungen 
sind eine flammende Hingabe an die Technik 
der Graphik; auf kleinen. manchmal quadrati- 
schen Blättern eines anspruchslosen. weichtiießen- 
den Papieres vorgetragen, sind sie höchste künst- 
lerische Aussage. 
Ein Mensch hängt verkehrt und pendelt im Raum 
(Abb. 7), Die Arme suchen rnit rudernden Be- 
wegungen nach einem festen Punkt. Die Schulter 
berührt die Erdkugel. Wird er mit seinen tieri- 
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schen Prankeri. dem massigen Oberkörper. wieder 
ins rechte Lot kommen? Dieser Mensch ist seinem 
Schicksal. seinem Promethidenlos ausgeliefert. 
..Vielleicht erhebst du dich noch einmal." 
Ein Mensch tastet sich nach vorne. Mit suchender 
Hand und weit ausholenden Schritten, die blick- 
Iosen Augen nach oben gerichtet. balanciert er 
gleich einem Blinden zwischen Himmel und Erde. 
Oder ist es ein Seher. der wie lauschend den Kopf 
hebt und dessen Hand nach oben weist? 
Andere Zeichnungen verraten Hanaks Humor. 
zeigen Clowns. Grotesken (Abb. 9. 10). 
Ein katzenbuckeliger. ausgemergelter Körper 
kriecht über die Erde (Abb. 8). Ist es ein Mensch? 
Dieser Körper hat die federnde Kraft eines Tieres. 
Viel Animalisches liegt in der Figur. instmktiv 
weist die rechte Hand den richtigen Weg. Weg- 
sucher sind die Gestalten Hanaks. ob sie sich vor- 
oder rückwärtstasten. sie alle suchen den richtigen 
Weg (Abb. 9). 
Diese Zeichnungen Hanaks sind Phantasiebilder. 
Als Bildhauer verlangte er von seinen Schülern 
das Schaffen aus der Phantasie. Dort, wo sich die 
Imagination des Künstlers besonders verdichtet, 
greift er zum Stift. da dieser die Unmittelbarkeit 
eines Einfalls. das Werden einer Gestalt besonders 
spontan wiedergibt. Die Grundidee. die die Bilder 
beherrscht. ist die Bewegung im Raum. Seine 
Körper. meist nur auf einen Punkt gestützt. be- 
schreiben verschiedene Bewegungen, sie pendeln, 
schweben. balancieren. schrauben sich nach oben, 
drehen sich um die eigene Achse und schaffen in 
sich gegenläufige Bewegungen. Sie alle stehen 
auf der Spitze eines Berges. unter ihnen rotiert 
die Welt. der Mensch ist gleichsam Fliehkraft. 
Allen Zeichnungen ist ein Prinzip gemein: das 
Tektonische. Architektonische. Dies zeigt sich be- 
sonders schön in den abstrakten Zeichnungen 
(Abb.'l1). die aus Steinquadern gefügte Gebilde 
zeigen. den eigenen Kraftlinien folgend und nach 
den Gesetzen des Tragens und Lastens gebaut. 
Hier berührt Hanak. indem er architektonische 
Gebilde setzt. den Bereich der Musik. setzt volle 
Akkorde. Harmonien, die im Raume schwingen. 
Diese Karyatiden sind tönende Instrumente, auf 
dem vollkommenen Maß der Dreihett aufgebaut. 
Der Kanon ist auch hier - wie überall im Werke 
Hanaks 7 der menschliche Körper! 
ä 
Einer Mitteilung von Herrn Dipl-Ing. Erich Gusel 
vom Anton-Hanak-Archiv im Museum Lang- 
enzersdorf zufolge. wurden zu Lebzeiten des 
Künstlers auf folgenden Ausstellungen Zeichnun- 
gen und Skizzen gezeigt: 
Bei der Ausstellung von Werken A. Hanaks im 
Theseustempel des Volksgartens wurden im Früh- 
jahri192ß im Rahmen der kurz zuvor gegründeten 
Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst außer 
verschiedenen Plastiken auch Federzeichnungen 
ausgestellt. 
Im Sommer 1926 veranstaltete die Kunsthandlung 
Würthle in der Weihburggasse eine Ausstellung. 
die 130 graphische Skizzen und nur 10 plastische 
umfaßte. Es wurde berichtet. daß diese Ausstellung 
 nicht so sehr einen Blick in die Werkstatt 
eines Schaffenden. als in die Seele eines Menschen 
(in des Wortes schwerstem Sinne) vermittelt" 
(Dr. E. H. Buschbeck). 
Die Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst 
veranstaltete im Herbst 1927 im Österreichischen 
Museum am Stubenring über Anregung Hans 
Tietzes die Ausstellung ..Das Werden eines Kunst- 
werks". Am stärksten kam der Schaffensprozeß 
mit all seinen Zwischenstadien in Hanaks Groß- 
plcistik ..Der letzte Mensch" zur Geltung. Vier 
Plastiken und 46 Federzeichnungen zeigten die 
allmähliche Entwicklung der künstlerischen Idee 
mit allen ihren Änderungen, die durch das Tem- 
perament des Künstlers hervorgerufen wurden. 
bis endlich das abgeschlossene Kunstwerk vor uns 
steht, Die Zeichnungen waren vielfach mit An- 
merkungen versehen; aus ihnen war zu ent- 
nehmen. was Hanak in jedem Fall angestrebt und 
inwieweit er das Angestrebte erreicht hat. Diese 
Kommentare des Künstlers, die dieser natürlich 
nicht fürs Publikum bestimmte. sondern verfaßt 
hat. um sich selbst völlige Klarheit über sein Tun 
zu verschaffen. sind besonders wertvoll.
	        
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