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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 92)

 
i. 
liche Umgebung, die erscheinenden Engel werden 
nicht in penibler Weise dargestellt. Was erscheint. 
ist eine Gesamtatmasphöre. ein Aufragen Auf- 
rauschen von großer Pracht, ein Schollen und 
Tönen. ein Schweben und Gleiten. das seine Wir- 
kung tut und bei all seiner Abstraktheit die vom 
Thema her gebotenen Assoziationen zulüßt. ja sie 
evoziert. 
Carl Unger, in großen Mosaikauftrügen erfahren. 
hat auch bei diesem kreuzförmigen, nicht weniger 
als 8 Meter hohen und 15 Meter breiten Werk 
wieder seine ungewöhnliche TretTsicherheit be- 
wiesen, sowohl im Aufbau des Ganzen als auch in 
der Farbwirkung. Er nahm das stärkste Rot, das 
stärkste Grün, setzte Orange und Gelb und Ocker- 
löne, Weiß und Grau hinzu, verwendete Schwarz 
sehr betont und band das Ganze durch reich 
variiertes wunderbares Blau. 
Aus verschiedenartigen Steinen. darunter auch den 
klassischen venezianischen Smalten, ist das Mosaik 
zusammengesetzt. im Glasfluß von erlesener Wir- 
kung. Landschaft und Architektur können sich 
ineinander verwandeln, die zwölf Grundmauern. 
die zwöllTore als architektonische Sigel erscheinen, 
und goldene Flecken als die Gesichter der Engel. 
Johannes ist aufdem Berg entrückt. Das himmlische 
Jerusalem ist eine überirdische Vision. Das Fluten 
der Gesichte hört nicht auf. Eines geht in das andere 
über. Was bleibt. ist keine festgefügte, konkrete 
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Vorstellung. Die Stadt senkt sich vom Himmel 
herab, prächtig geschmückt wie eine Braut. Sie 
funkelt wie ein Edelstein. wie der kristallhelle 
Jaspis. Sie hat eine große, hohe Mauer mit zwölf 
Toren. Auf den Toren stehen zwölf Engel. Die 
Mauer der Stadt ist auf zwölf Grundsteinen er; 
richtet. Über den Toren erheben sich Türme und 
Zinnen. 
Die Stadt ist voll Licht. Licht kommt aus ihr heraus. 
Der Platz in der Stadt, das Zentrum, ist aus Gold, 
und inmitten des Platzes steht der Thron Gottes. 
Am Fuße des Throns fließt ein Strom lebendigen 
Wassers, klar wie Kristall. Inmitten der Straße und 
auf beiden Seiten des Stroms steht der Baum des 
Lebens. Er trügt zwölfmal Früchte; jeden Monat 
bringt er eine Frucht. Die Zinnen aus Gold sind 
durchsichtig. Die Gesichte wiederholen sich. 
steigern sich ins Phantastische hinein, und die Engel 
kommen, lobsingen die Herrlichkeit des neuen 
Lebens. Das etwa war es. was der Künstler von 
der Lektüre behielt. Die himmlische Stadt. die sich 
herabsenkt. istdieMetapherfürden neuen Glauben. 
Das neue Jerusalem wird gegründet auf dem alten 
Jerusalem. 
Er hatte das Buch weggelegt und ganz frei zu 
malen begonnen. hat an das Wasser des Lebens. 
an den Baum des Lebens. an den Platz mit dem 
goldenen Thron. an Johannes gedacht, der auf 
den Berg geht und seine Visionen hat. und an die 

	        
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