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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 93)

Fuß montiert und beansprucht auch hand- 
werksgeschichtliches Interesse. 
Die mündliche Überlieferung, die Stauro- 
thek sei vorn seinerzeitigen Erzbischof von 
Gran und späteren Erzbischof von Salz- 
burg, Johannes Pfluger-Peckenschlager 
(1482-1489), in den Domseltatz gebracht 
worden, kann zwar nicht durch Beweise 
erhärtet werden. Sie gewinnt jedoch an 
Gewicht, seitdem ungarische Kunsthisto- 
riker behaupten, das mit romanischen 
Filigranornamenten applizierte Stück sei 
das Sehwurkreuz der ungarischen Könige 
gewesenV. 
Die romanische Zeit ist in Salzburg, ver- 
glichen mit anderen Domscbätzen, außer 
den beiden genannten Werken nur schwach 
vertreten, obwohl hier auch damals bedeu- 
tende Meister gearbeitet haben. Rossacber 
bringt in der Einleitung zum Katalog 
dafür eine einleuchtende Erklärung. Als 
sich der Salzburger Hof während des 
lnvestiturstreites für die päpstliche Partei 
entschied, verhängte Kaiser Friedrich Bar- 
barossa 1167 i vor 800 Jahren 7 über 
Salzburg die Reichsacht und beauftragte die 
Grafen von Plain mit der Exekution. Der 
Dom und fünf Kirchen gingen in Flammen 
auf. Wahrscheinlich wurde daraufhin die 
Soldateska mit den fürstlichen Goldschätzen 
befriedigt. 
Erst nach der Katastrophe, deren Ausmaß 
am Beispiel Mailands erahnt werden kann, 
sind alle heutigen „Rupertusstücke" ent- 
standen. Wahrscheinlich wurden sie von 
Erzbischof Eberhard II., der von 1200 an 
46 Jahre regierte, „in memoriam Sancti 
Ruperti" in Auftrag gegeben. Trotzdem 
wurde ihnen in den folgenden Jahrhunder- 
ten stets eine große Verehrung zuteil. 
Die Zeit um 1400 ist durch die Schönen 
Madonnen und durch innige Vesperbilder 
allgemein bekannt. Die Sehnsucht der 
Menschen nach dem Schönen und deren 
Vorliebe für exotische und diaphane Stücke 
ließ in dieser verfeinerten Epoche seltsame 
Werke entstehen. Um der Schaulust des 
Volkes entgegenzukommen, stellte die 
Kirche an den Festtagen Kleinodien und 
Rcliquiengeräte auf den Altären aus. Aus 
den Sammlungen im Palazzo Pittiß wurden 
aus dieser liptvehe die sieben charakte- 
ristischcsten und wertvollsten Beispiele, die 
sich ursprünglich auf der Hohensalzburg 
befunden hatten, in die Domoratorien 
gebracht. Sie vermitteln uns einen auf- 
schlußreichen Einblick in eine phantasti- 
sche wen, in der Fabelwcscn noch eine 
Rolle spielten. Die aus Büffelhorn, Silber 
und limail zusammengesetzte „Greifen- 
klaue" des lirzbischofs Gregor Schenck 
von Osterwitz syntbolisiert durch den 
tragenden Adler und den Pelikan Christus. 
Zwei kunstvoll montierte Straußeneier in 
der Form eines Druplwelptukales dienten als 
Reliquienbehäiltnisse. Zvcei Doppelscheuern 
(Fladcrköpfe) aus heilbringendenl Wurzel- 
holz reinigten und entgifteten Getränke. 
ln dem auf einen vergoldeten Silberfuß 
gestellten unteren Gefäß wurden sie auf- 
bewahrt, aus dem kleineren (Jberen, in 
dessen „l.uek" sich meist das Wappen des 
Besitzers befand, wurden sie getrunken. 
Sehr begehrt waren die Kokosnüsse, die 
ebenfalls zu Doppelpokalen verarbeitet 
wurden. Um 1500 entstand der bizarre 
„NleersChnt-ck", der aus dem Gehäuse des 
Nautilus Pompilitis zu einer Trinkschale 
umgearbeitet wurde. Die fruchtbare Epoche 
schließt das 1499 datierte, aus vergoldetem 
Silber geschallene Legatenkreuz Leonhards 
von Keutschacb ab. 
Die ukusstcllung erreicht ihren Höhepunkt 
in den Geräten aus dem Besitze Wlolf 
Dietrichs, der 1617, also vor 350 Jahren, 
in der Haft auf der Festung starb. Höchstes 
Niveau ist dem bisher als Reiseserviee des 
Fürsten bezeichneten Ensemble zuzuspre- 
chen, das der aus Nürnberg stammende 
Hofgolrlschmied Hans Karl aus purem 
Gold gestaltet und mit Grubenschmelz 
und limail rond bosse versehen hat. Es 
besteht aus einer signierten Flasche und 
vier unvergleichlichen gebauchten, mit ie 
zwei Hcnkeln versehenen Trinksehalen, die 
aufeiner niedrigen runden Basis mit flachem 
Nodus stehen. Als Schmuck dient ein von 
(irotcskun und Girlanden gebildeter Orna- 
mentfries, dem auf der Vorderseite das 
große VÜtppen Wolf Dietrichs, auf der 
Rückseite eine mit Figuren 
Kartusche eingefügt ist. Die vierte Schale 
i mindestens zwei weitere gingen ver- 
loren - ist nach dem Sturz des Erzbischofs 
wohl 1612 von dessen Nachfolger Marcus 
Sitticus, dessen Wlappen sie trägt, in Auf- 
trag gegeben worden. Die bisherige Mei- 
nung, die Schalen, die in ihrer Qualität 
nur mit der Radzixlvill-Schale" in der 
Schatzkammer der Münchner Residenz 
verglichen werden können, seien als Reise- 
versehene
	        
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