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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 93)

AUS DEM KUNSTLEBEN 
 
ALBERTINA 
Kurt Absolon 
Das Werk eines Künstlers für seine Zeit 
im richtigen Augenblick zu entdecken 
und sich dafür in entsprechender Farm 
einzusetzen (was mit zu den vornehmsten 
Pflichten verantwortungsbewußter Kul- 
turpolitik zählt), scheitert nicht bloß an 
den üblichen Widrigkeiten des Kultur- 
betriebs und seiner Exponenten, sondern 
im Einzelfall oft auch an der Härte 
eines unerwarteten Schicksalsschlages. 
Als der 1925 als Sohn eines Striftstellers 
in Wien geborene Graphiker Kurt 
Absolon am 26. April des Jahres 1958 
bei einem Autounfall tödlich verun- 
glückte und dadurch aus einer in vollster 
Entfaltung befindlichen künstlerischen 
Entwicklung herausgerissen wurde. 
wußten nur wenige seiner Freunde und 
einige echte Kenner des Panoramas 
österreichischer Gegenwartskunst, wel- 
che schöpferische Potenz da ein für 
allemal verlorenging. 
Der Graphischen Sammlung Albertina 
und ihrem Direktor Dr. Walter Ko- 
schatzky ist es hoch anzurechnen. daß 
mit einer 185 Arbeiten umfassenden 
Ausstellung, das Werk des frühver- 
storbenen Künstlers - wenn auch ver- 
spätet - jene Würdigung und Aner- 
kennung fand, die hoffentlich dazu bei- 
tragen werden. den Rang und die 
Eigenart des Absolon'schen (Euvres beim 
Publikum und in der Fachwelt des In- 
und Auslandes entsprechend zu ver- 
ankern. 
Chronologisch gegliedert und unter 
Berücksichtigung thematischer Zusam- 
menhänge erwies sich die mit Umsicht 
erstellte und auch rnit dem nötigen 
propagandistischen Einsatz betreute Re- 
trospektive in ihrer Gesamtheit als 
eindrucksvolle. in einzelnen Arbeiten 
sogar als erregende Herausforderung, 
über Aussagen zu reflektieren. die mit 
äußerster künstlerischer Sparsamkeit. 
dafür jedoch mit enormer Sensibilität 
und lntensität zu Papier gebracht 
wurden. 
Man kann nicht anders e und auch 
Dr. Schmeller tut dies in einem der 
Katalogbeiträge -. als Absolon einen 
"Seismographen" seelischer Landschaf- 
ten zu nennen, einen Bekenner und 
Erkennenden wesentlicher menschlicher 
Regungen, als realistischen. nichts be- 
schönigenden Registrator feinster Emp- 
findungen und visueller Eindrücke, ob 
sie nun durch Figur oder Antlitz einer 
Person, durch die Weite einer faszi- 
nierenden Landschaft oder die geballte 
Kraft eines Tieres ausgelöst wurden. 
Das abstrahierende Festhalten am Ge- 
genstand war für diesen Künstler 
Bekenntnis und Notwendigkeit zugleich. 
Es hatte nichts Opportunistisches an sich 
und geschah zu einer Zeit. in der das 
Gros der Mittelmäßigen - doch nicht 
nur diese! - in andere Richtung mar- 
schierte. Absolons Blätter beweisen 
unmißverständlich. daß immer die Art 
und Weise der künstlerischen Umsetzung 
über formalen Wert und Wahrhaftigkeit 
entscheiden und nicht die Tendenz. die 
Richtung oder der Stil. für den zumeist 
nur ein unbefriedigender und am We- 
sentlichen vorbeigehender Terminus 
gefunden werden kann. 
Die künstlerischen Höhepunkte in der 
Entwicklung Absolons Enden sich jedoch 
eindeutig erst seit 1950. Dann freilich 
in oft ungemein rascher, logischer Auf- 
einanderfolge. Die Spannung und Emp- 
50 
findsamkeit dieser mit knappesten Ak- 
zentsetzungen im Graphischen wie im 
Malerischen auskommenden Arbeiten. 
ihr kratzender, bei aller Sensibilität 
sicher. ja beinahe hart zupackender 
Strich verdeutlichen nicht nur die Be- 
gabung des Künstlers, sondern auch 
das Ehrfurcht erweckende Maß, in dem 
für Absolon Kunst Lebensvollzug war 
(Abb. 1. 2). 
Wilhelm Busch: Zeichner und Maler 
Albertina, Wien, 31. März bis 13. Mai 
1967 
Kulturamt der Stadt Graz, 19. Mai bis 
18. Juni 1967 
Kulturamt Kapfenberg, 24. Juni bis 
9. Juli 1967 
Salzburger Kulturvereinigung. 21. Juli 
bis 20. August 1967 
Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt, 
2. September bis 24. September 1967 
Neue Galerie der Stadt Linz, 28. Sep- 
tember bis 29. Oktober 1967 
Die gemeinsam von der Albertina und 
dem Busch-Museum in Hannover ver- 
anstaltete Wanderausstellung geht auf 
eine Anregung des Direktors der Neuen 
Galerie Linz, Professor Walter Kasten, 
zurück. 
In den einführenden Zeilen, die Walter 
Kasten der Exposition mit auf den Weg 
gibt. wird die Gesamtauflage der erst- 
mals 1865 erschienenen, in rund dreißig 
Sprachen übersetzten Bubengeschichte 
"Max und Moritz" auf zehn Millionen 
geschätzt. In Anbetracht der schon 
allein daraus resultierenden Popularität 
des Autors braucht einen daher um den 
Gesamterfolg der Ausstellung, die je- 
doch nicht nur in einem Besuch absol- 
viert werden sollte, kaum bange zu 
sein. 
Wenn es auch unklug wäre. die Zeich- 
nungen gegen die Malereien oder die 
populären Bildgeschichten auszuspielen 
und umgekehrt. so läßt sich zusammen- 
fassend doch sagen, daß die eigentliche 
Entdeckung dieser Ausstellung in den 
kaum bekannten oder gänzlich un- 
bekannten Ölbildern des Künstlers 
gesehen werden muß. Der feinfühlende 
Maler Wilhelm Busch. der zeit seines 
Lebens an seinem Talent zweifelte und 
dessen Bilder erst ein Jahr nach seinem 
Tode (1909) der Öffentlichkeit bekannt 
wurden, hinterließ ein stattliches (Euvre 
von 800 Arbeiten. 
Sechzig dieser intimen, im Zeitraum 
von 1852 bis 1895 entstandenen Bilder. 
die fast immer durch malerische und 
formale Ausgewogenheit gekennzeich- 
net sind. umfaßt die Ausstellung. 
Vom Format her lassen sie sich noch am 
ehesten über einen Leisten schlagen, 
nicht hingegen im Hinblick auf eine 
Beeinflussung durch frühere Epochen 
(so vor allem durch die niederländische 
Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts) 
oder hinsichtlich ihrer stimmungs- 
mäßigen und koloristischen Spann- 
weite. 
In gleicher Weise. in der sich Einflüsse 
vergangener Zeiten feststellen lassen, 
gilt dies freilich auch von Parallelen zu 
moderneren Strömungen, unter denen 
man vor allem impressionistische und 
expressionistische Tendenzen erkennt. 
Anklänge an die Österreichische Land- 
schaftsmalerei der zweiten Hälfte des 
19. Jahrhunderts. etwa an einen Jettel 
oder Schindler, finden sich ebenfalls 
wiederholt vor. Mit Bewunderung regi- 
striert der Betrachter die Sensibilität 
des Pinselduktus. das leise Vibrieren 
einer malerischen Handschrift. die sich 
insbesondere im Landschaftsbild, in der 
Landschaftsskizze bewährte. Aus dem 
Rahmen des Üblichen fällt eine Porträt- 
skizze im Hochformat (Katalog Num- 
mer 42). die sich bei einigem Humor, 
der möglicherweise vom Kunsthistoriker 
als Zumutung erachtet werden wird. 
mit Pop-Art-Bildern des Amerikaners 
Larry Rivers vergleichen läßt. von 
denen 7 bei völlig anderer Zielsetzung 
und in wesentlich größerem Format 4 
eine ähnliche Wirkung ausgeht. 
Wilhelm Busch, der zunächst Maschinen- 
bauer werden wollte, dieses Studium 
jedoch aufgab, um sich in Düsseldorf, 
Antwerpen und e etwas später - 
auch in München als Maler auszubilden, 
begann 1858 seine Mitarbeit an den 
..Fliegenden Blättern" und am ,.Mün- 
chener Bilderbogen" des Verlegers Cas- 
par Braun. 1864 erschienen in Dresden 
Wilhelm Buschs "Bilderpossen". 1865, 
wie schon erwähnt. die Geschichten von 
„Max und Moritz" im Verlag Braun und 
Schneider in München. Zwei Jahre 
darnach kam..HonsHuckebein"heraus. 
1870 „Der Heilige Antonius von Padua", 
der dem Verleger eine Anklage wegen 
Erregung öffentlichen Ärgernisses ein- 
trug. Von 1871 an erschienen sämtliche 
Bildergeschichten, Gedichte und Prosa- 
texte des 1832 in Wiedensahl im da- 
maligen Königreich Hannover ge- 
borenen Künstlers in der Friedrich 
Bassermann'schen Verlagsbuchhand- 
lung Heidelberg und München („Die 
fromme Helene", .,Fipps der Affe". 
„Maler Klecksel" usw). 
Wenn auch viele Illustrationen der 
Busch'schen Bildergeschichten nicht im 
Original, sondern nur in Faksimiles 
gezeigt werden können. so entschädigen 
einen dafür die zahlreichen freien, 
autonomen und zum Teil sehr qualität- 
vollen Zeichnungen dieser Auswahl. 
Ähnlich wie die - in der Albertina 
ungewohnten - Ölbilder (ein Beispiel 
dafür. daß im Interesse einer logischen 
Ausstellungsabfolge Statuten und lang- 
jährige Gepflogenheiten auch einmal 
über Bord geworfen werden können) 
stellen auch sie einen eigenen. an 
Material und daraus resultierenden 
Vergleichsmöglichkeiten reichen Ab- 
schnitt dieser Exposition dar. 
Daß Wilhelm Busch ein individueller 
Zeichner von hohen Graden war, 
braucht gewiß nicht eigens betont zu 
werden, ihn jedoch den „großen 
Meistern der Zeichenkunst" gleichzu- 
setzen. wie es im Katalog geschieht, 
scheint jedoch bei aller Wertschätzung 
gegenüber einem imponierenden Guvre 
unzulässig. 
Die Kollektion von Skizzen und aus- 
geführten Zeichnungen läßt - so man 
sich die Mühe nimmt. auch die winzig- 
sten Blättchen eingehender zu studieren 
- Größe und Begrenztheit. Stärken und 
Schwächen des Künstlers in gleicher 
Weise erkennen. 
Über den Humor Wilhelm Buschs hier 
abzuhandeln, ist einfach nicht der Platz. 
Mit Notwendigkeit darf jedoch darauf 
verwiesen werden. daß gerade die- 
jenigen Beispiele auch vom Witz her 
die stärksten und haltbarsten sind. in 
denen die graphische Lösung, der 
zeichnerische Strich an sich dominiert 
und nicht die Idee oder der literarische 
Begleittext. 
Wenn man dies bei Wilhelm Busch 
entsprechend erkennt und seine Zeich 
nungen unter diesem künstlerisch we 
sentlichsten Aspekt betrachtet, läßt sic 
neben dem weltbekannten Humoriste 
und so gut wie gar nicht bekannte 
Maler auch der Zeichner neu ent 
decken (Abb. 3. 4). 
Zeichnungen aus dem Museum 
der Schönen Künde in Budapest 
Als ein fulminanter Höhepunkt der die: 
jährigen Wiener Festwochen konnt 
auch die in der Graphischen Sammluni 
Albertina gezeigte Ausstellung vo 
Meisterzeichnungen aus dem Museur 
der Schönen Künste in Budapest gc 
wertet werden, die nicht nur für dc 
österreichische Ausstellungsleben ei 
außergewöhnliches Ereignis darstellte 
Die 121 Zeichnungen und ein Skizzer 
buch umfassende Exposition wurde va 
lvdn Fenyö. dem Direktor der Graph 
schen Sammlung des Budapester Muse 
ums, der erst vor kurzem für sein 
wissenschaftlichen Verdienste mit der 
Johann-Gottfried-Herder-Preis an de 
Wiener Universität ausgezeichnet WOt 
den war, ausgewählt und katalogisier 
Sie stellte die Gegenleistung für di 
im Herbst vergangenen Jahres stat 
gefundene Albertina-Ausstellung in BL 
dapestdandieinderungarischen Haup 
stadt enthusiastische Aufnahme fand un 
als bedeutender Schritt neuer kultui 
politischer Austauschbestrebungen zw 
schen den beiden Ländern angesehe 
wurde. 
Gegenwärtig verfügt das Museum de 
Schönen Künste über Handzeichnung: 
bestände von rund zehntausend Nurr 
mern. Die in Wien vereinten Blätte 
stellten eine gleichermaßen qualitäl 
volle wie kunsthistorisch lehrreiche un 
interessante Auswahl dar, welche i 
geradezu unerschöpflicher Vielfalt un 
ganz ungewöhnlicher Signifikanz m 
vielen bedeutenden Werken der eurc 
päischen Zeichenkunst bekanntmachte 
Die Mehrzahl der Blätter stammt tJL 
der ehemaligen Wiener Sammlung de 
Fürsten Esterhazy (sie war von 1815 b 
1865 im Palais Kaunitz in Mariahi 
untergebracht), die 1870 vom ungar 
schen Staat zu äußerst günstigen B: 
dingungen erworben werden konnte. 
Die nach Ländern und innerhalb diese 
chronologisch vorgenommene Auswal 
graphischer Spitzenwerke reichte vor 
15. bis zum Beginn des 20. Jahrhunder 
und berücksichtigte fast alle wichtige 
Schulen. 
Mit 40 Beispielen war die italienisch 
Zeichenkunst repräsentativ vertreter 
Leonardo da Vincis „Studie für zwr 
KriegerköpfezurSchlachtvonAnghiari 
(eine Kreide-Rötel-Zeichnung im Au: 
maß von rund 19x19 Zentimetern 
ein kleiner Frauenakt Raphaels. Skizze 
beziehungsweise ausgeführte Blätter vo 
Tintoretto, Parmigianino. Correggic 
Annibale Carracci und Guercino zäh 
ten hier zum Wertvollsten und lntei 
essantesten. Von Guercino (Giovani 
Francesco Barbieri: Cento 1591 A166 
Bologna) stammt auch die laviert 
Bisterzeichnung „Der Triumph Davids' 
ein bisher unveröffentlichtes, schwer z 
datierendes Blatt. dessen grandios korv 
ponierte rechte Hälfte unsere Abbildun 
zeigt. Die Anmut und der graphisch 
Schwung dieser Zeichnung muten fa- 
ebenso "modern" an wie eine vehe 
mente Skizze des Bolognesen Donat 
Creti (1671-1749). die in ihrer fai
	        
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