AUS DEM KUNSTLEBEN
ALBERTINA
Kurt Absolon
Das Werk eines Künstlers für seine Zeit
im richtigen Augenblick zu entdecken
und sich dafür in entsprechender Farm
einzusetzen (was mit zu den vornehmsten
Pflichten verantwortungsbewußter Kul-
turpolitik zählt), scheitert nicht bloß an
den üblichen Widrigkeiten des Kultur-
betriebs und seiner Exponenten, sondern
im Einzelfall oft auch an der Härte
eines unerwarteten Schicksalsschlages.
Als der 1925 als Sohn eines Striftstellers
in Wien geborene Graphiker Kurt
Absolon am 26. April des Jahres 1958
bei einem Autounfall tödlich verun-
glückte und dadurch aus einer in vollster
Entfaltung befindlichen künstlerischen
Entwicklung herausgerissen wurde.
wußten nur wenige seiner Freunde und
einige echte Kenner des Panoramas
österreichischer Gegenwartskunst, wel-
che schöpferische Potenz da ein für
allemal verlorenging.
Der Graphischen Sammlung Albertina
und ihrem Direktor Dr. Walter Ko-
schatzky ist es hoch anzurechnen. daß
mit einer 185 Arbeiten umfassenden
Ausstellung, das Werk des frühver-
storbenen Künstlers - wenn auch ver-
spätet - jene Würdigung und Aner-
kennung fand, die hoffentlich dazu bei-
tragen werden. den Rang und die
Eigenart des Absolon'schen (Euvres beim
Publikum und in der Fachwelt des In-
und Auslandes entsprechend zu ver-
ankern.
Chronologisch gegliedert und unter
Berücksichtigung thematischer Zusam-
menhänge erwies sich die mit Umsicht
erstellte und auch rnit dem nötigen
propagandistischen Einsatz betreute Re-
trospektive in ihrer Gesamtheit als
eindrucksvolle. in einzelnen Arbeiten
sogar als erregende Herausforderung,
über Aussagen zu reflektieren. die mit
äußerster künstlerischer Sparsamkeit.
dafür jedoch mit enormer Sensibilität
und lntensität zu Papier gebracht
wurden.
Man kann nicht anders e und auch
Dr. Schmeller tut dies in einem der
Katalogbeiträge -. als Absolon einen
"Seismographen" seelischer Landschaf-
ten zu nennen, einen Bekenner und
Erkennenden wesentlicher menschlicher
Regungen, als realistischen. nichts be-
schönigenden Registrator feinster Emp-
findungen und visueller Eindrücke, ob
sie nun durch Figur oder Antlitz einer
Person, durch die Weite einer faszi-
nierenden Landschaft oder die geballte
Kraft eines Tieres ausgelöst wurden.
Das abstrahierende Festhalten am Ge-
genstand war für diesen Künstler
Bekenntnis und Notwendigkeit zugleich.
Es hatte nichts Opportunistisches an sich
und geschah zu einer Zeit. in der das
Gros der Mittelmäßigen - doch nicht
nur diese! - in andere Richtung mar-
schierte. Absolons Blätter beweisen
unmißverständlich. daß immer die Art
und Weise der künstlerischen Umsetzung
über formalen Wert und Wahrhaftigkeit
entscheiden und nicht die Tendenz. die
Richtung oder der Stil. für den zumeist
nur ein unbefriedigender und am We-
sentlichen vorbeigehender Terminus
gefunden werden kann.
Die künstlerischen Höhepunkte in der
Entwicklung Absolons Enden sich jedoch
eindeutig erst seit 1950. Dann freilich
in oft ungemein rascher, logischer Auf-
einanderfolge. Die Spannung und Emp-
50
findsamkeit dieser mit knappesten Ak-
zentsetzungen im Graphischen wie im
Malerischen auskommenden Arbeiten.
ihr kratzender, bei aller Sensibilität
sicher. ja beinahe hart zupackender
Strich verdeutlichen nicht nur die Be-
gabung des Künstlers, sondern auch
das Ehrfurcht erweckende Maß, in dem
für Absolon Kunst Lebensvollzug war
(Abb. 1. 2).
Wilhelm Busch: Zeichner und Maler
Albertina, Wien, 31. März bis 13. Mai
1967
Kulturamt der Stadt Graz, 19. Mai bis
18. Juni 1967
Kulturamt Kapfenberg, 24. Juni bis
9. Juli 1967
Salzburger Kulturvereinigung. 21. Juli
bis 20. August 1967
Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt,
2. September bis 24. September 1967
Neue Galerie der Stadt Linz, 28. Sep-
tember bis 29. Oktober 1967
Die gemeinsam von der Albertina und
dem Busch-Museum in Hannover ver-
anstaltete Wanderausstellung geht auf
eine Anregung des Direktors der Neuen
Galerie Linz, Professor Walter Kasten,
zurück.
In den einführenden Zeilen, die Walter
Kasten der Exposition mit auf den Weg
gibt. wird die Gesamtauflage der erst-
mals 1865 erschienenen, in rund dreißig
Sprachen übersetzten Bubengeschichte
"Max und Moritz" auf zehn Millionen
geschätzt. In Anbetracht der schon
allein daraus resultierenden Popularität
des Autors braucht einen daher um den
Gesamterfolg der Ausstellung, die je-
doch nicht nur in einem Besuch absol-
viert werden sollte, kaum bange zu
sein.
Wenn es auch unklug wäre. die Zeich-
nungen gegen die Malereien oder die
populären Bildgeschichten auszuspielen
und umgekehrt. so läßt sich zusammen-
fassend doch sagen, daß die eigentliche
Entdeckung dieser Ausstellung in den
kaum bekannten oder gänzlich un-
bekannten Ölbildern des Künstlers
gesehen werden muß. Der feinfühlende
Maler Wilhelm Busch. der zeit seines
Lebens an seinem Talent zweifelte und
dessen Bilder erst ein Jahr nach seinem
Tode (1909) der Öffentlichkeit bekannt
wurden, hinterließ ein stattliches (Euvre
von 800 Arbeiten.
Sechzig dieser intimen, im Zeitraum
von 1852 bis 1895 entstandenen Bilder.
die fast immer durch malerische und
formale Ausgewogenheit gekennzeich-
net sind. umfaßt die Ausstellung.
Vom Format her lassen sie sich noch am
ehesten über einen Leisten schlagen,
nicht hingegen im Hinblick auf eine
Beeinflussung durch frühere Epochen
(so vor allem durch die niederländische
Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts)
oder hinsichtlich ihrer stimmungs-
mäßigen und koloristischen Spann-
weite.
In gleicher Weise. in der sich Einflüsse
vergangener Zeiten feststellen lassen,
gilt dies freilich auch von Parallelen zu
moderneren Strömungen, unter denen
man vor allem impressionistische und
expressionistische Tendenzen erkennt.
Anklänge an die Österreichische Land-
schaftsmalerei der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts. etwa an einen Jettel
oder Schindler, finden sich ebenfalls
wiederholt vor. Mit Bewunderung regi-
striert der Betrachter die Sensibilität
des Pinselduktus. das leise Vibrieren
einer malerischen Handschrift. die sich
insbesondere im Landschaftsbild, in der
Landschaftsskizze bewährte. Aus dem
Rahmen des Üblichen fällt eine Porträt-
skizze im Hochformat (Katalog Num-
mer 42). die sich bei einigem Humor,
der möglicherweise vom Kunsthistoriker
als Zumutung erachtet werden wird.
mit Pop-Art-Bildern des Amerikaners
Larry Rivers vergleichen läßt. von
denen 7 bei völlig anderer Zielsetzung
und in wesentlich größerem Format 4
eine ähnliche Wirkung ausgeht.
Wilhelm Busch, der zunächst Maschinen-
bauer werden wollte, dieses Studium
jedoch aufgab, um sich in Düsseldorf,
Antwerpen und e etwas später -
auch in München als Maler auszubilden,
begann 1858 seine Mitarbeit an den
..Fliegenden Blättern" und am ,.Mün-
chener Bilderbogen" des Verlegers Cas-
par Braun. 1864 erschienen in Dresden
Wilhelm Buschs "Bilderpossen". 1865,
wie schon erwähnt. die Geschichten von
„Max und Moritz" im Verlag Braun und
Schneider in München. Zwei Jahre
darnach kam..HonsHuckebein"heraus.
1870 „Der Heilige Antonius von Padua",
der dem Verleger eine Anklage wegen
Erregung öffentlichen Ärgernisses ein-
trug. Von 1871 an erschienen sämtliche
Bildergeschichten, Gedichte und Prosa-
texte des 1832 in Wiedensahl im da-
maligen Königreich Hannover ge-
borenen Künstlers in der Friedrich
Bassermann'schen Verlagsbuchhand-
lung Heidelberg und München („Die
fromme Helene", .,Fipps der Affe".
„Maler Klecksel" usw).
Wenn auch viele Illustrationen der
Busch'schen Bildergeschichten nicht im
Original, sondern nur in Faksimiles
gezeigt werden können. so entschädigen
einen dafür die zahlreichen freien,
autonomen und zum Teil sehr qualität-
vollen Zeichnungen dieser Auswahl.
Ähnlich wie die - in der Albertina
ungewohnten - Ölbilder (ein Beispiel
dafür. daß im Interesse einer logischen
Ausstellungsabfolge Statuten und lang-
jährige Gepflogenheiten auch einmal
über Bord geworfen werden können)
stellen auch sie einen eigenen. an
Material und daraus resultierenden
Vergleichsmöglichkeiten reichen Ab-
schnitt dieser Exposition dar.
Daß Wilhelm Busch ein individueller
Zeichner von hohen Graden war,
braucht gewiß nicht eigens betont zu
werden, ihn jedoch den „großen
Meistern der Zeichenkunst" gleichzu-
setzen. wie es im Katalog geschieht,
scheint jedoch bei aller Wertschätzung
gegenüber einem imponierenden Guvre
unzulässig.
Die Kollektion von Skizzen und aus-
geführten Zeichnungen läßt - so man
sich die Mühe nimmt. auch die winzig-
sten Blättchen eingehender zu studieren
- Größe und Begrenztheit. Stärken und
Schwächen des Künstlers in gleicher
Weise erkennen.
Über den Humor Wilhelm Buschs hier
abzuhandeln, ist einfach nicht der Platz.
Mit Notwendigkeit darf jedoch darauf
verwiesen werden. daß gerade die-
jenigen Beispiele auch vom Witz her
die stärksten und haltbarsten sind. in
denen die graphische Lösung, der
zeichnerische Strich an sich dominiert
und nicht die Idee oder der literarische
Begleittext.
Wenn man dies bei Wilhelm Busch
entsprechend erkennt und seine Zeich
nungen unter diesem künstlerisch we
sentlichsten Aspekt betrachtet, läßt sic
neben dem weltbekannten Humoriste
und so gut wie gar nicht bekannte
Maler auch der Zeichner neu ent
decken (Abb. 3. 4).
Zeichnungen aus dem Museum
der Schönen Künde in Budapest
Als ein fulminanter Höhepunkt der die:
jährigen Wiener Festwochen konnt
auch die in der Graphischen Sammluni
Albertina gezeigte Ausstellung vo
Meisterzeichnungen aus dem Museur
der Schönen Künste in Budapest gc
wertet werden, die nicht nur für dc
österreichische Ausstellungsleben ei
außergewöhnliches Ereignis darstellte
Die 121 Zeichnungen und ein Skizzer
buch umfassende Exposition wurde va
lvdn Fenyö. dem Direktor der Graph
schen Sammlung des Budapester Muse
ums, der erst vor kurzem für sein
wissenschaftlichen Verdienste mit der
Johann-Gottfried-Herder-Preis an de
Wiener Universität ausgezeichnet WOt
den war, ausgewählt und katalogisier
Sie stellte die Gegenleistung für di
im Herbst vergangenen Jahres stat
gefundene Albertina-Ausstellung in BL
dapestdandieinderungarischen Haup
stadt enthusiastische Aufnahme fand un
als bedeutender Schritt neuer kultui
politischer Austauschbestrebungen zw
schen den beiden Ländern angesehe
wurde.
Gegenwärtig verfügt das Museum de
Schönen Künste über Handzeichnung:
bestände von rund zehntausend Nurr
mern. Die in Wien vereinten Blätte
stellten eine gleichermaßen qualitäl
volle wie kunsthistorisch lehrreiche un
interessante Auswahl dar, welche i
geradezu unerschöpflicher Vielfalt un
ganz ungewöhnlicher Signifikanz m
vielen bedeutenden Werken der eurc
päischen Zeichenkunst bekanntmachte
Die Mehrzahl der Blätter stammt tJL
der ehemaligen Wiener Sammlung de
Fürsten Esterhazy (sie war von 1815 b
1865 im Palais Kaunitz in Mariahi
untergebracht), die 1870 vom ungar
schen Staat zu äußerst günstigen B:
dingungen erworben werden konnte.
Die nach Ländern und innerhalb diese
chronologisch vorgenommene Auswal
graphischer Spitzenwerke reichte vor
15. bis zum Beginn des 20. Jahrhunder
und berücksichtigte fast alle wichtige
Schulen.
Mit 40 Beispielen war die italienisch
Zeichenkunst repräsentativ vertreter
Leonardo da Vincis „Studie für zwr
KriegerköpfezurSchlachtvonAnghiari
(eine Kreide-Rötel-Zeichnung im Au:
maß von rund 19x19 Zentimetern
ein kleiner Frauenakt Raphaels. Skizze
beziehungsweise ausgeführte Blätter vo
Tintoretto, Parmigianino. Correggic
Annibale Carracci und Guercino zäh
ten hier zum Wertvollsten und lntei
essantesten. Von Guercino (Giovani
Francesco Barbieri: Cento 1591 A166
Bologna) stammt auch die laviert
Bisterzeichnung „Der Triumph Davids'
ein bisher unveröffentlichtes, schwer z
datierendes Blatt. dessen grandios korv
ponierte rechte Hälfte unsere Abbildun
zeigt. Die Anmut und der graphisch
Schwung dieser Zeichnung muten fa-
ebenso "modern" an wie eine vehe
mente Skizze des Bolognesen Donat
Creti (1671-1749). die in ihrer fai