künstlerische Mittel der Marmorbehandlung
das rechte Maß hervorbringen.
Im ursprünglichen Zustand gesehen, wird
der Betrachter erstaunt sein über das
Dunkel; das Dunkel, aus dem das von oben
gleichmäßig und milde einfallende himm-
lische Licht Therese, auf Wolken liegend,
ihm enthebt, in mildem Licht sie sehen
läßt, selbst milde auf ihr scheint und sie
sanft leuchten macht. Therese, die wie jede
Figur Berninis nicht als einzelne und ab-
gesondert gesehen werden darf, sondern in
ihrer Situation begrilfen werden muß: ist
der Erde enthoben und lagert auf Wlolken
dem himmlischen Licht ausgesetzt. Es ist
dabei nicht das Geschehen einer Entrük-
kung, ein Aufsteigen gezeigt, sondern in
Anwesenheit des Seraph ein Weilen in
dieser Iinthobenhcit, ein Ruhiges; wie auch
die empfängliche Hingebreitetheit Ruhen
ist. Das Licht (und darin möchte dem nach-
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sinnenden und nachdenkenden Betrachten
tiefer Sinn anschaulich sein), das Licht,
welches Therese empfängt, das himmlisches
Licht ist und den unsichtbaren Gott, der
sie in unione mystica sich eint, vertritt, ist
es zugleich überhaupt erst, was sie leuchten
macht und was sichtbar sie sein läßt.
Von ihrem Körper ist außer Händen, Füßen
und Gesicht nichts zu sehen, zum Unter-
schied von anderen gleichzeitigen Gestalten
des Bernini (vgl. die Tugenden am Grab
Urbans VIII. und die Vcrita): für Therese
ist hier anders als beim Seraph, wesentlich,
daß der Leib nicht zählt, ja, daß der Leib,
um Bernini beim Wort zu nehmen, nirlzlzlg
ist: Therese lebt wesentlich im Gewande.
Wohl ist, nach Bernini, wenn Gott Therese
sich eint, Therese ihm galt; geeint: Gott
ist hier nicht ein Gott des bloßen Geistes,
sondern der Gott des ganzen Menschen:
dieser Mensch aber, um sich der Sprache
der Zeit zu erinnern, ist der Sinnlichkeit
des Körpers entkleidet und mit einem neuen
Gewande, dem Gewand seines Ordens und
seiner Demut, angetan, einem Gewande,
das seinen Leib nicht verhüllt, sondern sein
neuer Leib ist.
Am Denken der heutigen Zeit und immer
noch am Anschauen der Kunst der Re-
naissance geschult, sind uns beide eine
Verbindung eingegangen, die nur mit
größter Mühe den Gedanken zu denken
erlaubt, daß Kleider nicht als Verhüllungen
(um anzudeuten oder übersehen zu lassen)
gemeint sein müssen, sondern als Positives,
als Leib gemeint sein können; eine Vor-
stellung, die uns als Anschauung am ehesten
in den Zeremonien zugänglich ist, in denen
Könige und Bischöfe, was sie sind, erst in
ihren Gewändern sind und wo das Küssen
des Gewandsaumes den Träger nicht
insofern er Mensch ist meint, sondern den
Menschen insofern er Papst oder Kaiser
ist. Der Heilige nun, wie Therese, um
Berninis Anschauung noch einmal in die
Sprache seiner Zeit zu setzen, befindet sich
in derartiger Entkleidung seines Fleisches
und ist mit seinem Gewand so angetan, daß
dieses sein Leib ist. Uns muß ihr Gewand
gelten, wie uns die Nacktheit des Apoll
gilt: antikisch gesagt, ist das Kleid der
Therese ihr Leib; christlich gesagt der
Körper des Apoll sein Gewand. Historisch
heißt uns hier das Kleid als Leib: das
Gewand. Ist der Leib der Therese aber ihr
Gewand, so wäre jeder Begriff von fleisch-
licher Sinnlichkeit oder Lüsternheit von
vorneherein verfehlt.
Bei der Bedeutung des Gewandes als Leib
der Therese verwundert es nicht, daß
Bernini es mit besonderer Sorgfalt gestaltet
hat: so hat der Künstler hier, dem Ausdruck
einer radikalen und ganzen Hingegebenheit
an das himmlische Licht entsprechend, und
zum Unterschied von dem Seraph, der in
Flammen lebt und dessen Leib mit einem
Gewand aus sich schlängelnden Graten, die
flammengleich um seine Glieder züngeln
und an seinem Leib ernporschlagen, ge-
wandet ist, zum erstenrnal in seinem Leben
ein Gewand gebildet, in dem es neben den
Graten und Furchen, die eine zitternde
Unruhe erzeugen, keine einzige kanvexe
Wölbung gibt, sondern nur konkave Ein-
Ziehungen und Mulden, deren Sinn an-
schaulich ist: denn sie sind es, die das
himmlische Licht - empfangen. Diese
zitternd-unruhige Empfänglichkeit ist aber
von allgemeiner Ruhe umschlossen; um
sich dessen nochmals zu versichern, ist ein
Bozzetto der Hauptgruppe in der Eremitage
in Leningrad4 hilfreich: vergleicht man ihn
mit dem ausgeführten Werk, so ist vor
allem eine Veränderung bemerkenswert:
im Bozzetto eilt der Engel schnellen Laufes
heran, ist mit dem rechten, ihr näheren Fuß
schon neben die Therese getreten, während
er mit dem linken noch zurück ist. In Rom
ist das rechte Bein noch zurück und das
linke, ihr fernere, neben sie und dadurch
fest gestellt: der Engel steht. Erinnert man
sich, daß die Figuren der Borghesezeit
schreiten, eilen, überhaupt gehen können,
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