WIENER AUSSTELLUNGEN:
FESTWOCHENNACHLESE 1967 UND
SOMMERPROGRAMM
Museum des 20. Jahrhunderts: Kinetika
Seit Jahren zählt kinetische Kunst -
bewegliche Skulpturen. Reliefs, rotie-
rende Scheiben, sich verändernde Bil-
der. Lichtobjekte und ähnliches -
ebenso wie Op-Art (optical art). Hard-
Edge und die freilich nur zum Teil
wirklich neuen Tendenzen geometri-
scher Abstraktion zum künstlerischen
Alltag großer internationaler Ausstel-
lungen und mehr oder minder avant-
gardistischer ausländischer Galerien.
Eine stets beträchtlich hinter der inter-
nationalen Entwicklung (und Mode)
zurückbleibende Stadt wie Wien mußte
freilich Jahre warten. um sich endlich
mit einer repräsentativen und hoch-
interessanten Ausstellung kinetischer
Kunst. wie sie bis Mitte Oktober im
Museum des 20. Jahrhunderts statt-
findet. ein Mitspracherecht in der Aus-
einandersetzung mit diesen vielfach
unterschätzten künstlerischen Strömun-
gen der Gegenwart zu sichern.
Die in Zusammenarbeit mit der Pariser
Galerie Denise Rene und der (op) an
Galerie EBlingen gezeigte Sommer-
Ausstellung im Schweizergarten-Mu-
seum umfaßt mehr als hundert Ex-
ponate. ausgehend von vergleichsweise
konventionellen Bildern geometrischer
Manier bis zu Mobiles und beweglichen
Skulpturen. die in der Regel in ver-
dunkelten Kojen Aufstellung fanden.
Ebenso wie Mini-Art. die in einem Vor-
trag von Manfred de la Motte anläBlich
des 13. Internationalen Kunstgesprächs
der Galerie nächst St. Stephan aus-
führlich behandelt wurde. erweitert
auch die kinetische Kunst unseren
fälschlicherweise nur allzu statisch auf-
gefaßten Begriff von Kunst und fordert
im einzelnen zu einem in gleicher Weise
notwendigen wie nützlichen Umdenken
heraus. Ein geringschätziges pauschales
Aburteilen in Richtung ..Spielereien"
(deswegen soll nicht bestritten werden.
daß kinetische Kunst vielfach eine ent-
schieden spielerische Komponente auf-
weist). wie es selbst in Kollegenkreisen
anläßlich der Eröffnung der Ausstellung
im Museum des 20. Jahrhunderts zu
hören war. ist jedoch der denkbar
ungeeignetste Weg. sich mit der Materie
auseinanderzusetzen. Die Exponate. die
Werner Hofmann für die abwechs-
lungsreiche. lebendige Schau zusam-
mentrug. sind im besten Sinne des
Wortes international. berücksichtigen
aber auch das - hierzulande kaum
beachtete - Schaffen österreichischer
Künstler wie Marc Adrian. Lilly Green-
ham. Richard Kriesche, Hermann Pai-
nitz. Wichmann und Helga Philipp.
Julio le Parc, der auf der vorjährigen
Biennale von Venedig mit dem Großen
Preis für Malerei ausgezeichnet worden
war. ist mit nicht weniger als fünf
Exponaten vertreten. der Pariser Nico-
las Schoeffer, einer der führenden
Kinetiker, mit zwei seiner besonders
grazilen. ästhetisch reizvollen Licht-
skulpturen sowie einer weiteren stati-
schen Arbeit. Die mit Abstand besten
Bilder der sehr weit gesteckten Aus-
stellung stammen von Viktor Vasarely
(der Rezensent kann sich nicht er-
innern. ein beeindruckenderes. farbig
schöneres Bild serieller geometrischer
Abstraktion in' Wiener Ausstellungen
gesehen zu haben als Vasarelys "Kezdi
Il"). von dem auch mehrere Siebdrucke
ausgewählt wurden (Abb.1. 2).
50
Albertina: Meisterzelctinungen
Es ist in der Albertina schon Tradition,
während der Sommermonate. in denen
der Studiensaal geschlossen ist. aus-
gewählte Originalzeichnungen aus eige-
nen Beständen in Form ad hoc zusam-
mengestellter Sonderausstellungen zu
zeigen. Der Überblick. den die dies-
jährige, von Dr. Nara Keil zusammen-
gestellte Sommerausstellung bietet. um-
faßt in chronologischer Abfolge Hand-
zeichnungen vom 15. Jahrhundert bis
zum dritten Jahrzehnt des 20. Jahr-
hunderts. Die einzigartige Qualität des
Gebotenen beweist einmal mehr den
Weltrang der Sammlung. die so reich
an Spitzenwerken ist. daß sie es sich
leisten kann, jedes Jahr neue. in den
vorhergegangenen Veranstaltungen die-
ser Folge noch nicht gezeigte Blätter
auszustellen.
Durchweg sind es wieder große und
bekannte Namen, denen man diesmal
in der ..Alten Albertina" begegnet:
Albrecht Dürer. der mit insgesamt
11 Arbeiten vertreten ist. darunter dem
"Großen Rasenstück". der "Blaurake"
und der grandiosen aquarellierten
Zeichnung ,.Maria mit den vielen
Tieren"; Hieronymus Bosch. Michel-
angelo, Raffael, Tizian. Jacques Callot.
Rembrandt (von ihm sieht man u. a.
..Das Mühlctien" und "Die Parabel
vom unwürdigen Hochzeitsgast"). Pisa-
nello. Paul Trager und viele andere
deutsche. italienische. niederländische
und französische Meister, die anzufüh-
ren der Platz nicht zuläßt.
Sehr interessant und aufschlußreich.
doch nicht von derselben allerersten
Qualität wie die knapp zuvor ebenfalls
in der Albertina ausgestellten Zeich-
nungen des 19. und 20. Jahrhunderts
aus dem Museum der Schönen Künste
in Budapest sind die Albertina-Bestände
an Blättern der Moderne. die für diese
Auswahl herangezogen wurden. Wäh-
rend Nolde und Marc nur mit durch-
schnittlichen Arbeiten repräsentiert wer-
den. entziehen sich freilich eine klein-
formatige. feine Schwarzweißzeichnung
von Klee („Hartes Gesetz", 1914). ein
prächtiges Aquarell von Kandinsky.
Cezannes "Mont St-Victoire" (um 1885),
eine Studie Klimts. eine Skizze Gau-
guins und ein ausdrucksstarkes, faszi-
nierendes Porträt Egon Schieles (..Die
Gattin des Künstlers". 1917) jeder ab-
wertenden Kritik. Einziger Wermuts-
tropfen der Ausstellung: das Fehlen
eines Kataloges (Abb. 3. 4).
Masuo
Internationaler Künstlerclub:
lkeda
1964 gelang es dem Internationalen
Künstlerclub. eine Ausstellung des Bien-
nalepreisträgers von Venedig. Robert
Rauschenberg. in Wien zu veranstalten.
Rauschenbergs Illustrationen zu Dantes
..lnferno" standen damals für Wochen
im Mittelpunkt des Interesses jener. die
- mit Recht- am Wiener Ausstellungs-
betrieb immer wieder kritisieren. daB
er viel zuwenig international orientiert
sei und nur selten etwas ohne Ver-
spätung bringe. Was die Regel ist.
kann jedoch nicht immer die positive
Ausnahme verhindern. Bevor noch auf
der venezianischen Biennale des Vor-
jahres der Große Preis für Graphik
vergeben worden war. gelang es der
Leiterin des Künstlerclubs. lnge Zimmer-
Lehmann. jenen Mann für eine Kollek-
tive in Wien zu gewinnen. der nicht
nur von den damals dabeigewesenen
österreichischen Kritikern als erster
Anwärter auf den Großen Preis für
Graphik favorisiert wurde. sondern
kurz darauf von der internationalen
Jury die begehrte Auszeichnung auch
tatsächlich verliehen bekam: Masuo
lkeda.
Die Einzelschau des inzwischen welt-
bekannt gewordenen. zur ersten Garni-
tur zeitgenössischer Graphiker zählen-
den Künstlers im lnternationalen Künst-
lerclub (sie dauerte bis 8.Juni 1967)
war unzweifelhaft eine der inter-
essantesten, die man während der
letzten Jahre in österreichischen Gale-
rien sehen konnte. lkedas technisch
brillanten Farbradierungen sind ein
von Sensibilität und Aktualität getrage-
nes. harmonisches. einfalls- und witz-
reiches Konglomerat mit einprägsamer
stilbildnerischer Note; prägnant und
hart im Strich, knallig wie Pop-und
Op-Art im erfrischenden Kolorit. lm
formalen Selbstverständnis und Ein-
fühlungsvermögen des Asiaten finden
europäische und amerikanische Ten-
denzen Ergänzung im Sinne einer ech-
ten Synthese.
Masuo lkeda. der 1934 in der Man-
dschurei geborene. zur Zeit in Berlin
lebende Künstler. schöpft aus der Viel-
falt des gegenwärtig Möglichen und
Aktuellen. fällt jedoch weder einer da-
durch bedingten lnflation an Einfällen
und bildnerischen Varianten noch auch
der ebenso schädlichen bloßen Masche
anheim. Seine "Masche" ist vielmehr
das durch und durch beherrschte Wie
seiner prägnanten Arbeiten. die im
Betrachter eine Vielzahl an Denk- und
Auseinandersetzungsmöglichkeiten aus-
lösen.
Kulturamt: Slowenische G raph ik
Die im Rahmen der Wiener Festwochen
stattgefundene Ausstellung slowenischer
Druckgraphik im Kulturamt der Stadt
Wien am Friedrich Schmidt-Platz 5
zählte zu jenen Ereignissen am Rande.
die mehr Beachtung verdient hätten.
als sie de facto fanden. Die Auswahl
besaß erste Qualität und konnte als
repräsentativer Querschnitt durch das
vorwiegend abstrakte bzw. abstrahie-
rende Schaffen der führenden sloweni-
schen Druckgraphiker gewertet wer-
den. Neben Dzevad Hozo. der vor
wenigen Monaten mit dem ersten Preis
der V. Internationalen Graphikausstel-
lung im Wiener Europahaus ausge-
zeichnet wurde und knapp darauf auch
einen der sieben Hauptpreise bei der
Biennale in Laibach erhielt. und dem
exzellenten Andrej Jemec begegnete
man nicht weniger renommierten Na-
men: Janez Bernik. Bogdan Borcic.
Riko Debenjak (erfreulich seine Weiter-
entwicklung). Vladimir Makuc. Marjan
Pogacnik und Jaki.
Secession: Hildegard Joos
Parallel zur gelungenen Staudacher-
Ausstellung in der Secession zeigte die
Wiener Malerin Hildegard Joos in der
Kellergalerie derselben Vereinigung
neue Ölbilder: großformatige Medita-
tionen einer empfindsamen Künstlerin.
die in ihrer schlichten Schönheit und
Ausgeglichenheit ein konsequentes und
erfolgreiches gestalterisches Bemühen
erkennen lassen.
Innerhalb des klaren Entwicklungs-
verlaufes von Hildegard Joos. die zu
jenen zählt. die unabhängig von Moden
und opportunistischen Uberlegungen
das tun, was sie für richtig halten. was
also ihrer Person und Begabung ent-
spricht. kommt ihren neuesten Arbeiten
beispielhafte Bedeutung im Sinn
echten Substanzgewinnes zu.
Die sensibel modulierten Abstra
der abwechselnd in Paris unc
lebenden und auch da wie dt
schätzten Künstlerin stellen im t
auf ihre formale und koloi
Askese zweifellos einen Endpunl
logisch entwickelten künstleriscl
mühens dar. Es wäre jedoch fals
so zu verstehen. daß bei Hildega
fortan bloß Variationen unc
schöpferische Leistungen im Sinr
immer wesensgemäßeren Ge
möglich wären.
Die in hellen. pastellartigen
tönen vorwiegend auf Filz um
leinen gemalten Bilder erwec
ähnlicher Weise wie mono
Malerei im Betrachter die Vor
von Weite und Ruhe. von echter
entbehren aber auch nicht eii
heimnisvollen.aufgeometrischen
formen basierenden Symbolik. l
stärker an das Gefühl und wen
den lritellekt richtet und auch in
Sinne verstanden werden sollte.
Griectienbeisl: Reisichke. John.
mann
Die 1966 und 1967 entstandener
der 1936 in Dresden geborenen.
wärtig in Berlin lebenden l
Annelise R. John erinnern zwc
unwesentlich an grundsätzlich e
Arbeiten des ltalieners Piero E
doch wäre es falsch. auf Grun:
Parallele der sensiblen Malei
Berlinerin Eigenständigkeit uni
nome Aussage abzusprechen. I
R. John. die nach Worten des d:
Kritikers Heinz Ohff den .
Traum der Maler. mit Licht Zl
statt mit Farben". verwirklicht.
zugt subtile, pastellartige Töne
gefüge und feinst nuancierte
Überlagerungen. die sich im A
Betrachters zu einem harmi
.,Teppich" zusammenfügen. ZL
zur Meditation anregenden
ästhetisch-geistiger Auseinander
Der durch das Symposion euro
Bildhauer in St. Margarethen
genland bereits bekannte B
Erich Reischke. der ebenfalls
Galerie in Griechenbeisl vc
wurde. zeigt hingegen eine
Verwandtschaft und formale Pc
zu den Skulpturen Karl Prant
ihm geht es in seinen zell:
kubenarligen Gebilden und
mationen um Ruhe und Ausge
heit. um konzentriertes. symt
Gestalten("Kristall". "Mäander
ment" usw.). Reischkes Bemühei
auf richtigen Überlegungen. zei
und Ausdauer. müßte jedoch i
persönlicherer Profilierung noc
gewinnen.
Die jüngst entstandenen Ölbilt
Siebdrucke. die der aus Käri
bürtige Maler Johann Fruhn
seiner Hausgalerie ausstellte. s
an seine Bilder aus früheren
zwar wesensgemäß an. weist
doch Veränderungen und Ergä
auf. die einer echten Erweitert
Bereicherung seiner Ausdru
gieichkomrnen. Die mit denkbai
Sensibilität und rhythmischem
fühl gemalten Abstraktionen sin
weg zentral aufgebaut. Rechts L
von der Bildmitte treten subtil
dergreifende dynamische Pins
in Erscheinung, die zur Aktiviei
Bildfläche beitragen und mit t
meist als "Durchblick" fungi
Bildhintergrund korrespondier