Die Taube ist im gesamten Kuppelraum
sichtbar (Abb. 15 und 16). Als Taube der
Inspiration steht sie über dem Papstaltar und
sendet ihre waagrechten Strahlen in das
ganze Kuppelrund. Hier ist ihr organischer
Platz, in dieser lntrechten trinitarischen
Bildachse hat sie ihre ästhetische und ideelle
Funktion.
Nicht so überzeugend ist ihre Funktion im
Glasfenster der Glorie. Abgesehen von der
Leere der künstlerischen Komposition ist
die Wiederholung dieses schon organisch
eingebauten Motivs unnötig. Am Endpunkt
der Apsis ist das Fenster mit der Taube
schon zu weit hinausgerückt, um noch un-
mittelbar am trinitzlrisehen Bildprogramm
des Kuppelraumes mitzuwirken.
Herbert von Einem 35 erklärt ihre ikonolo-
gische Funktion im Zusammenhang mit
dem Motiv des leeren Thrones und Weist
auf mittelalterliche Mosaiken hin. Der leere
Thron wäre demnach als Symbol der Prä-
senz des Herrschers und die Taube als die
Inspiration durch den Hl. Geist aufzufassen.
Tatsächlich ist dieser Zusammenhang schon
bei den älteren Cathedraprojekten sichtbar.
In der Zeichnung des Cathedraprojektes von
1657 steht dicht über der Custodia eine
Taube im Strahlenkranz 36. Wolke und
Engelsglorie fehlen. Die ganze Lösung ist
niedrig, noch im Sinne des Zentralbaues
gedacht. Die Höhe des Altares, der nur eine
Art Reliquiar darstellt, entspricht den be-
nachbarten Tribunanischen mit den Papst-
grabmälern Pauls III. und Urbans VIII. Das
durch Säulenpaare aufgegliederte Unter-
geschoß sollte nicht wesentlich überschrit-
ten werden. Noch in der Gedenkmedaille
für Papst Alexander VII. von 1663 kommt
dieser Gedanke eines Reliquiars schön zum
Ausdruck 37. Unmittelbar über der Cathedra
schwebt die Taube und ergießt die Strahlen
der Inspiration über den Stuhl Petri (Abb.
17 und 18). Sie befindet sich dabei noch nicht
in der Höhe des Fensters, die große Engels-
glorie und die Wolke fehlen. Diese niedrige
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Lösung hätte jedoch zusätzlich ein selb-
ständiges Oberbild vor dem mittleren
Fenster erfordert 37". -
Erst in diesen Jahren wurde nunmehr
anstelle des Zentralbauprinzips auch
der Blick aus der Längsachsc Madernos
Wirksam. Wie im Anschluß die Unter-
suchung der Werksgeschichte erweisen
wird, wächst die Planung des Altarcs all-
mählich aus dem Reliquiar zum wirklichen
Hochaltar heran. Es dauerte Jahrzehnte, bis
langsam das machtvolle Gestaltungsgesetz,
das Michelangelo mit der Kuppel diktiert
hatte, in Richtung der Längsachse aufge-
lockert wurde. Der Baldachin in der Mitte
des Kuppelraumes stand einer totalen
Längswitkung des Hochaltares bis zum
Eingangsportal dabei keinesfalls im Wege.
In mehreren Zeichnungen hat Bcrnini
den Durchblick der Cathedra durch die
Säulen des Baldachins studiert 33. (Abb 24,
25). Schon am Beginn des Langhauses wird
die Funktion der Glorie als Rahmung eines
Zielbildes voll wirksam.
Wir wissen nichts über die sicherlich äußerst
intensiven Beratungen über dieses Problem.
Wir kennen nur als überlieferte Anekdote
den Besuch des Malers Andrea Sacchiw
während der Probeaufstellung der Guß-
modelle des Altares im Jahre 1660. Sacchis
lebhafte Kritik ist uns überliefert, die dazu
beitrug, daß das ganze Alrarwerk viel höher
gemacht wurde und daß die fertigen Guß-
modelle der Kirchenvater nunmehr wesent-
lich größer neu angefertigt wurden. In der
neuen Höhe wurde nun die Notwendigkeit
der Verschmelzung des Reliquienaltarcs
mit dem Oberbild der Fensterzone evi-
dent. Wolke und Glorie, als Teile des
neuen Projektes, dessen Mitte die Trans-
{iguration bilden sollte, wurden errichtet.
Das Zentrum der Glorie wird zum Blick-
punkt der Längsachse ab der Mitte des Lang-
hauses. In dieser Höhe genügt das Bild der
Taube aus dem älteren Cathedraproiekt in-
haltlich und kompositionell nicht mehr.
11
11 Die Glorie des Hochaltares von St. Peter aus Zentraler
Unrcrsirht
ANMERKUNGEN 35A43
1.- Herbert v. laintni, a. a. o._ s. in r.
30 Braucr-Wirrknwcr, Nr. 166 b: Nachdruck von C. Metz.
lmitations uf aneienr and modern druwings, London 1798.
Das Original später publiziert durch P. L. crigniit in: The
Ar: quarcrly was, s. 129, fig. s.
v Roherro Ilartaglia, a. 2. 0., Tafel x. Die Medaille von o.
Mornnc ist wohl SCHON 1662 gCSChilfTCn worden. D21 die
m Die Feustcrznne in der Längsachse konnte keineswegs
ohne ein bedeutungsvoll ausgestattetes Zlelbild bleiben.
Vermutlich bestand schon neben dem ersten, niedrigen
Cllhedrnpmjckt init der Taube der Plan einer Ver-
klcidung di-r Fensterzone mit der Transliguralion inmitten
di-r Engelsgloric.
u lin Besitz der Vütikül]. Bibliothek Cod. Chig. al 19, f. 41 r
und t'. 42 v. Brßucr-Willknwer, a. .-i. 0., Abb. 74 a, 74 b.
w l.. Pascoli, VitC, 1730, Bd. 1., S. 19120, Faksimileausgabc,
1mm m33.
w Der Verfasrer bvnülzt in diesem Abschnitt zur lkonolngie
ilit niiitiiingit- Haus Scdlmmyrs (a. J. o.) - Er verdankt
in ilii in Zusammenhang i-lt-rrn Prof. Dr. H. Sedlmayr
wichtige Literaturhinweise. Weitere Hinweise zur Tkono-
lngie gaben die Herren Prof. Dr. Thomas Michels, 0.5.5.,
Dr. Jollunllbs Neuhardr und Dr. Gerhard Woeckel.
H st-dlitnyr, a. a. 0., s. was. - Siebenhüner, a. a. 0„
s. zrivizss.
41 Richard Gutzwillcr, MCÖÄEMÄOHHI über Matthäus, Zürich-
Khiit 1952, n, s. 11-15.
41 Deutsches Brevier, Regensburg 1950, 11.. S. 700mm.