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Volltext: Alte und Moderne Kunst XII (1967 / Heft 95)

menschlichen Figur. Schiele laßt die beiden 
Gestalten in der Bildfläche fast verschwim- 
men, er grenzt sie gegen den Hintergrund 
kaum ab. Charakteristisch für ihn ist auch 
die asymmetrische Knickung der streng 
senkrecht gebauten Komposition in den 
Beinen der Sitzenden, die direkt in die linke 
untere Bildecke führen, und das Abschneiden 
der Figuren durch den unteren Bildrand. 
Sehr ornamental und schwungvoll wirkt 
auch die Profilzeichnung einer Sitzenden 
(Abb. 9). Die Frau, die nur mit Strüm- 
pfen und Schuhen bekleidet ist, hat 
den Oberkörper so stark nach vorne ge- 
beugt, daß er (lach auf den Oberschenkeln 
liegt. Das Gesicht ist nach unten gewendet 
und mit einem Tuch bedeckt. Es bleibt un- 
klar, was mit dieser Haltung gemeint ist. 
Vermutlich handelt es sich um die Dar- 
stellung einer weinenden Frau. Formal ist 
die Komposition von großer Eindringlich- 
keit und Geschlossenheit. Oberkörper und 
Schenkel sind wie ein Taschenmesser zu- 
sammengeklappt. Sie liegen waagrecht auf 
den gerade nach oben führenden Beinen, 
so daß ein pilzartiges Gebilde entsteht. 
Die beiden folgenden Zeichnungen gehören 
offenbar wieder zusammen. Sie zeigen je- 
weils das gleiche männliche Aktmodell in 
verschiedenen Stellungen. Auf der einen 
(Abb. 10) sitzt das Modell, die Hände 
zwischen die Knie geklemmt, fast im Profil 
und leicht in Untersicht gesehen. Nur die 
Umrißlinien sind gezeichnet. In einem 
frappierend sicheren und lockeren Strich 
ist die Gestalt in harmonischer Gelöstheit 
skizziert. Das zweite Blatt zeigt den Mann 
ebenfalls im Profil, aber mit ausgestreckten 
Beinen, weit zurückgelehnt (Abb. 11). 
Der Kopf ist auf die Brust gesenkt, die Arme 
überkreuzt und die Linke zur Faust geballt. 
Haltung und kraftvolle Anspannung lassen 
an die Bewegung eines Ruderers denken. 
Die Figur, auch wieder nur im Umrißkontur 
gezeichnet, erinnert in der Konzentration 
und Gespanntheit an Akte von Ferdinand 
Hodlcr. 
Eine weitete männliche Aktzeichnung soll 
sich hier anschließen (Abb. 12). Ein jun- 
ger Mann sitzt mit hucklig gekrümm- 
tem Rücken, den Kopf zwischen den 
Armen, die verschränkt auf den Knien 
ruhen. Der Jüngling macht einen müden, 
entspannten Eindruck, er blickt melancho- 
lisch ins Leere. Die schwarze, in weichen 
Wellen vom Kopf hcrabfließende Haar- 
perücke unterstreicht das Traurig-Schwere 
der Gestalt. 
Man kann annehmen, daß der kauernde 
Rückenakt des folgenden Blattes (Abb. 13) 
nach dem gleichen Modell gezeichnet 
ist. Die Beine sind nun angewinkelt und 
die linke Hand krallt sich in die rechte 
Schulter. Die etwas seitlich von hinten ge- 
sehene Figur stellt sich in schwerer Massig- 
keit dar. Schiele betont die geschlossene 
Kompaktheit noch durch die einheitliche 
Ockerfarbung und durch das Anschmiegcn 
der schwarzen Haarmassc. Indem der 
Zeichenstift die Rundung des Rückens noch 
über die anatomischen Formen hinaus ver- 
folgt, gleicht er die Komposition stark der 
 
 

	        
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