menschlichen Figur. Schiele laßt die beiden
Gestalten in der Bildfläche fast verschwim-
men, er grenzt sie gegen den Hintergrund
kaum ab. Charakteristisch für ihn ist auch
die asymmetrische Knickung der streng
senkrecht gebauten Komposition in den
Beinen der Sitzenden, die direkt in die linke
untere Bildecke führen, und das Abschneiden
der Figuren durch den unteren Bildrand.
Sehr ornamental und schwungvoll wirkt
auch die Profilzeichnung einer Sitzenden
(Abb. 9). Die Frau, die nur mit Strüm-
pfen und Schuhen bekleidet ist, hat
den Oberkörper so stark nach vorne ge-
beugt, daß er (lach auf den Oberschenkeln
liegt. Das Gesicht ist nach unten gewendet
und mit einem Tuch bedeckt. Es bleibt un-
klar, was mit dieser Haltung gemeint ist.
Vermutlich handelt es sich um die Dar-
stellung einer weinenden Frau. Formal ist
die Komposition von großer Eindringlich-
keit und Geschlossenheit. Oberkörper und
Schenkel sind wie ein Taschenmesser zu-
sammengeklappt. Sie liegen waagrecht auf
den gerade nach oben führenden Beinen,
so daß ein pilzartiges Gebilde entsteht.
Die beiden folgenden Zeichnungen gehören
offenbar wieder zusammen. Sie zeigen je-
weils das gleiche männliche Aktmodell in
verschiedenen Stellungen. Auf der einen
(Abb. 10) sitzt das Modell, die Hände
zwischen die Knie geklemmt, fast im Profil
und leicht in Untersicht gesehen. Nur die
Umrißlinien sind gezeichnet. In einem
frappierend sicheren und lockeren Strich
ist die Gestalt in harmonischer Gelöstheit
skizziert. Das zweite Blatt zeigt den Mann
ebenfalls im Profil, aber mit ausgestreckten
Beinen, weit zurückgelehnt (Abb. 11).
Der Kopf ist auf die Brust gesenkt, die Arme
überkreuzt und die Linke zur Faust geballt.
Haltung und kraftvolle Anspannung lassen
an die Bewegung eines Ruderers denken.
Die Figur, auch wieder nur im Umrißkontur
gezeichnet, erinnert in der Konzentration
und Gespanntheit an Akte von Ferdinand
Hodlcr.
Eine weitete männliche Aktzeichnung soll
sich hier anschließen (Abb. 12). Ein jun-
ger Mann sitzt mit hucklig gekrümm-
tem Rücken, den Kopf zwischen den
Armen, die verschränkt auf den Knien
ruhen. Der Jüngling macht einen müden,
entspannten Eindruck, er blickt melancho-
lisch ins Leere. Die schwarze, in weichen
Wellen vom Kopf hcrabfließende Haar-
perücke unterstreicht das Traurig-Schwere
der Gestalt.
Man kann annehmen, daß der kauernde
Rückenakt des folgenden Blattes (Abb. 13)
nach dem gleichen Modell gezeichnet
ist. Die Beine sind nun angewinkelt und
die linke Hand krallt sich in die rechte
Schulter. Die etwas seitlich von hinten ge-
sehene Figur stellt sich in schwerer Massig-
keit dar. Schiele betont die geschlossene
Kompaktheit noch durch die einheitliche
Ockerfarbung und durch das Anschmiegcn
der schwarzen Haarmassc. Indem der
Zeichenstift die Rundung des Rückens noch
über die anatomischen Formen hinaus ver-
folgt, gleicht er die Komposition stark der