der deutschen Variante _des Barock be-
stätigt, deren Kennzeichen Robert de Cotte
erkannt hat. Die Anhäufung der Rustika-
Elemente an der Ostseite spricht für die
expressionistisch-dramatische Stimmung des
deutschen Geistes, die nahezu als Leitmotiv
der deutschen Kunst angesehen werden
kann. Die Architektur hat jedoch etwas
Strenges und Militärisches an sich, und der
Autor des Berichtes vom Jahre 1784 hat
sich nicht geirrt, wenn er sie als „dorischcn
Stil" bezeichnete, aber in der toskanisch-
deutschen Variante. Auf alle Fälle stellt
dieses Tor das hervorragendste erhaltene
Denkmal des Barockstils in Belgrad vor.
Die übrigen Stadttore, z. B. das Zindan-Tor
(Abb. 19) an der Südostseite, Weisen ähn-
liche Elemente und sogar einen diskreten
dekorativen Aufwand auf: von Kugeln
gekrönte Pyramiden, ein schön ausge-
arbeitetes Kranzgesims mit Schlußstein, die
Kapitelle der Säulen in Form kleiner Volu-
ten, schließlich Verschalungen in Rustika.
mit geränderten Quadern. Am Schlußstein
sind die Initialen „L P" eingeschnitten, die
von Vilovsky als „Leopoldus Primus"
gedeutet wurden 41.
Das zur Zeit der Türkenherrschaft bei den
Serben so übelbeleumdete Stambol-Tor
(Abb. 20) hieß im 18. Jahrhundert wegen
der in der Nähe liegenden Württemberg-
oder Alexanderkaserne „Württemberger
Tor". Anastas jovanovic hat uns seine
Außenansicht überliefert, während Djura
jaksiö die Innenansicht mit dem halbkreis-
förmigen Gewölbe darstellt43. Es unter-
schied sich seiner Fassade nach nicht we-
sentlich von den übrigen erhaltenen Stadt-
toren, nur war es massiver gebaut und stellte
eine wahre kleine Festung mit Öffnungen
für die Kanonenrohre dar.
Weit weniger bekannt ist das Aussehen der
Klöster und Herbergen der verschiedenen
Mönchsorden, die ihren Sitz in Belgrad
hatten. Nach der Beilanrlaufnabme mm 7728
erbauten nur wenige dieser Orden neue
Gebäude, während sich die meisten vor-
handener Moscheen bedienten. S0 über-
nahmen die Ilfinarilen eine Moschee als
Kirche für sich, doch ihre Wohngebäude
waren neu und bestanden aus 14 Räumen.
Die jeiuilen und Kapuginer hingegen er-
bauten neue Kirchen. Ihre Standorte sind
auf Sparrs Plan Nr. 14 als große, komplexe
Flächen eingetragen, die ein ganzes Recht-
eck zwischen vier Gassen umfassen. Leider
liefert die Berlandaufnabrne nur spärliche An-
gaben über die katholischen Kirchen, noch
weniger kann über ihren Stil gesagt werden.
N. F. de Sparr lieferte eine Ansicht von
Belgrad von der Südseite, aus der ersichtlich
ist, daß die Kapuzinerkirche eine Kuppel
mit hohem Tambour besaß, der auf Skizze
Nr. 11 noch besser erkennbar ist. Eine
interessante Einzelheit bildet der Grundriß
der Kapuzinerkirche, deren Naos nach
Sparrs Skizzen von elliptischer Form war.
Aufdiese Weise scheint also auch in Belgrad
ein Element auf, das dem Rokoko in
Deutschland eigen war. Die Kapuziner-
kirche war jedoch, ihrer Lage nach, dem
Angriff der türkischen Artillerie gelegent-
18
lich der Besetzung unmittelbar ausgesetzt
und wurde vollkommen vernichtet 44.
Auch andere Ordcn begannen, anstatt der
bisher benutzten Moscheen, Kirchen zu
bauen: die Frangirkaner 1728, die juuilen
173245. Nach Sporon hatten die Franzis-
kaner ihre Kirche und ihr Kloster an der
Stelle des heutigen Universitätsparks (wo
sich die ehemalige Stadtverwaltung be-
funden hatte)46. Spart jedoch weist sehr
bestimmt an dieser Stelle den Komplex der
Minaritenkirche nach; nördlich von ihr be-
fand sich der „Thom", d. h. die Sabot-
kirche oder die katholische Kathedrale.
Laut Spart stand das Kloster der Franzis-
kaner in Dorcola in nächster Nähe des
jesuitenklosters. Die Kathedrale war ihrem
Grundriß nach eine Basilika mit halbkreis-
förmiger Apside. Davor befand sich ein
freier Platz. Vielleicht handelt es sich hier
um den Bau, den Sparr in seiner Skizze
Nr. 12 und auf der zeichnerischen Dar-
stellung der Besetzung Belgrads dargestellt
hat, „dessine sur la Hauteur de Semelin"
(Abb. 21). Die Kathedrale dominierte über
ihre Umgebung, besaß ein sehr hohes Dach,
einen hohen Glockenturm barocken Stils
und hohe Fenster; letztere gemahnen an
die spätere Neugotik im abendländischen
Kirchenbau. Sie war zu Beginn eine Pfarr-
kirche, wurde aber später von dem ersten
katholischen Bischof in den Rang einer
Kathedrale erhoben. Sie entstand durch
Umbau einer der repräsentativsten Mo-
scheen in eine Kirche. Vilovsky sah den
Umbauplan dieser Moschee, ebenso den
Entwurf für den Altar, und es wunderte
ihn, daß er erhalten geblieben war, weil
andere, wichtigere Pläne verlorengegangen
sind. Auf Grund Sparrs Plan wies Lj. Nikiö
auf die einzige Moschee in Belgrad hin,
die gleichfalls als Kathedrale benutzt wor-
den ist - die frühere Barjakli-Moschee
(Fahnenmoschee), an der noch Spuren vor-
genommener Umbauten bemerkbar sind".
Die Herbergen der Franziskaner und Jesui-
ten mit Grundrissen in Form unregel-
mäßiger Vierecke besaßen eine Etage,
Erdgeschoß und Keller48. Auf Sparrs
Zeichnung von Belgrad sind an der Süd-
seite eine große Zahl europäischer Ge-
bäude, sogar zweistöckige, zu sehen, ferner
Kuppeln von Kirchen, so daß hieraus ge-
schlossen werden darf, daß Belgrad, ehe
es in die Hände der Türken fiel, sein Aus-
sehen in hohem Maße geändert haben
mußte. Die katholischen Mönche hatten
ihre Kirchen nach dem Jahr 1728 gebaut,
und deren Architektur konnte sich auf das
westliche Aussehen von Belgrad sehr aus-
gewirkt haben. In Sparrs Plan Nr. 15 sind
außer den Kasernen auch etliche Kirchen-
bauten eingezeichnet, wahrscheinlich des-
halb, weil sie die markantesten Gebäude
von Belgrad waren und das meiste zur
westlichen Physiognomie beitrugen.
Die orthodoxe serbische Kirche kann aus
Sparrs Skizzen als ein Bauwerk mit Drei-
konchengrundriß und Kuppel auf Tambour
identifiziert werden, während sie auf Plan
Nr. 15 vielleicht nur verallgemeinert als
Basilika mit halbkreisförmigcr Apside dar-
gestellt wurde. Das Grundstück, das sie
auf Plan Nr. 14 einnimmt, ist von recht-
eckiger, dcr ausgebaute Teil aber von
unregelmäßiger Form und erinnert einiger-
maßen an den bei uns üblichen Kirchen-
grundriß. Sie war jedoch an einer augen-
fälligen Stelle errichtet worden und ist auf
diesen Zeichnungen, die teils von der
Banater, teils von der Zemuner Seite ange-
fertigt worden sind, wie ein Symbol der
Zukunft von Belgrad sichtbar.
Außerhalb der äußeren Befestigungslinie
befanden sich da: Alililärkrankenhaur (Ab-
bildung 22), etwa in der Gegend der heutigen
Terazije. Es war ein schöner Bau von
quadratischem Grundriß, mit risalitartigen
Vorsprüngen an den Ecken und mit einem
großen Hof, in dem sich drei kleinere
Bauten befanden. Da das Krankenhaus in
der Bexlanzlaxzfnabme um 7728 nicht erwähnt
wird, ist anzunehmen, daß es erst nach dem
Jahre 1728 gebaut wurde. Es besaß Erd-
geschoß und Etage mit einer größeren An-
zahl von Zimmern und befand sich un-
mittelbar auf dem Hang zu der Neigung
gegen die heutige Balkanska-Straße hin. Es
ist in Sparrs Skizze Nr.1"! festgehalten.
Laut Vilovsky blieb sie bis zu den Zeiten
Laudons erhalten 49.
Über die Innenarchitektur dieser Bauten
ist so gut wie nichts bekannt. Auf Grund
gewisser Analogien ist es jedoch möglich,
sich davon eine bestimmte Vorstellung zu
machen.
Obwohl über die Fassade der Bischofresidenz
nicht viel bekannt ist, bestehen eine Reihe
von Angaben über deren inneres Aussehen.
Mit dem Bau dieses Schlosses war 1725
begonnen worden, doch war er auch im
Jahr 1737 noch nicht fertiggestellt. Man
Weiß jedoch, daß das Gebäude ein Erde
geschoß und ein Stockwerk mit rund vierzig
Räumen besaß. Das Erdgeschoß des Schlos-
ses war für den Aufenthalt bei Tage be-
stimmt, der Oberstock für festliche Ge-
legenheiten und für die Ruhe. Die beiden
Geschosse waren durch die Hauskapelle
beziehungsweise deren Chor miteinander
verbunden, der sich, nach dem Muster der
katholischen Bauweise, im Stockwerk be-
fand. Aus dem Vorhof des Erdgeschosses
führte eine Treppe aus Eichenholz in den
Oberstock. Was die Innenausstattung der
Zimmer betrifft, so waren sie zum Teil in
westlichem Stil dekoriert, andere wieder in
östlichem. Die Haupträumlichkeiten be-
saßen Decken „in Stukkatur", also in
gipserner Stuckplastik ausgearbeitet, die
Nebenräumlichkeiten besaßen „gewölbte"
Decken, und zwar Kreuz- oder Tonnen-
gewölbc mit spitzgotischen oder lanzen-
förrnigen Graten. Einzelne Zimmer wiesen
am unteren Teil der Wand Verkleidungen
auf; die Türen waren aus Eichen- oder
Fichtenholz und mit zumeist doppelten
und durch Farbüberzug geschützten
schmiedceisernen Beschlägen versehen50.
Die Decken der vornehmeren Zimmer
wiesen Stuckverzierungen in der gleichen
Weise auf, wie dies in Österreich und auch
in der Wojwodina zu jener Zeit üblich
war. In Sremski Karlovci und in Irig ist