gleichsam allmählich selbst verbrannte. gehört zu
einer der suggestivsten Legenden der modernen
Kunst. Kein Wunder. daß Filonow seiner Kunst
auch in den schwersten Jahren der Dogmatik
des Kultes treu blieb. So manches seiner Bilder
atmet übrigens die deprimierende geistige Atmo-
sphäre dieser Zeit aus.
Das Werk des Malers P. N. Filonow. der am
8. Jönner 1883 in Moskau geboren wurde. wächst
aus der Erfahrung perfekter. naturalistischer
Zeichnungen auf. Die Genauigkeit und Sachlich-
keit der Beobachtung. die dem Werk als dauernde
Eigenschaft anhaften, treten schon früh in den
Dienst inhaltlich verallgemeinernder Komposi-
tionen. ganz gleich, ob es sich nun um märchenhaft
aufgefaßte Visionen oder um schreckenerregende
Parabeln voll dunklen Schicksals handelt. In dieser
ersten Zeit meldet sich die russische Sezession zu
Worte. die sich zwischen zerbrechlicher romanti-
scher Traumhaftlgkeit und tragischer Gespenstig-
keit des Totenkultes und kosmischer Angst bewegt.
Diese mystische Läuterung vollzieht sich, nachdem
Filonow Jahre der handwerklichen und maleri-
schen Schulung, Privatstudium und zwei Jahre
Akademie in Petersburg (1908-1910) hinter sich
hatte. Die Welt schicksalhafter Vertiefung, zu der
das vorzeitig verwaiste Kind neigte. hallt jedoch
bald von stärkeren Anregungen wider. Filonow
wird eines der gründenden Mitglieder der Peters-
burger Avantgarde des Jugendverbandes. Einer
Gruppe. die zu den aktivsten und vielseitigst orien-
tierten Zentren junger Künstler im vorrevolutio-
nüren Rußland gehörte.
Damals waren in Moskau und Leningrad bereits
feste Kontakte mit dem Ausland aufgenommen
worden. welche die immer mehr wachsende ein-
heimische Entwicklung förderten. In den Jahren
1912113 ging Filonow von naturalistischen. bis
in alle Einzelheiten ausgearbeiteten visionören
Szenen zu einer kompakteren. sparsameren und
im Ausdruck kräftigeren Stilisierung über. Er fand
für seine Entwicklung sehr anregende Ausdrucks-
möglichkeiten in Kontaminationen und im Wechsel
eines primitivisierenden Noivismus. einer vor-
kubistischen Zusammensetzung und hochspirituel-
len Formexpressivitüt. Sein frühes Hauptwerk,
Das Gastmahl der Könige (1912113). dem der
Dichter Chlebnikow so große Bewunderung
zollte. führte Filonow bis an die Grenze gespensti-
scher Grabesvision. Um den Tisch herum sitzt eine
Gruppe gelenkiger Gestalten, die zum Teil in
mystische Ekstase entrückt. zum Teil bereits vom
Wein berauscht sind. Diese grauenerregende
Vision wechselt jedoch mit einer Szene voll reinen
poetischen Zaubers. wie das Bild Ostern (1912113)
zeigt. eine rührend einfache Schilderung
einer Familienfeier. bei der Engel assistieren.
Neuerlich treten jedoch wieder symbolische
Kompositionen auf. die auf das Thema mensch-
lichen Herumirrens in der Welt weisen. wie etwa
das lakonisch West und Ost benannte Bild bezeugt.
das aus der gleichen Zeit wie sein Gemälde
Ostern stammt. Filonow tritt bereits in dieser
Phase. die den Modifikationen des Kubofuturismus
unmittelbar vorangeht. als einer der ausgeprägte-
sten russischen Maler dieser Zeit auf. Durch die
Kraft seines verschärften innerlichen Sehens über-
trifft er die stilistisch analogen, inhaltlich jedoch
weit einfacheren Bilder Larionows und der
Gontscharowa. ebenso wie die formal enger
orientierten Arbeiten Malewitschs.
ln den Jahren 1912113 wird jedoch zugleich
eine neue Synthese geboren. deren geistige Ver-
tiefung in der zeitgenössischen Weltkunst nicht
ihresgleichen aufzuweisen hat. jedoch in manchem
mit der Theorie und Praxis des Futurismus ver-
bunden ist. einer revolutionären Richtung. die der
erweiterten Erkenntnis ganzer Erfahrungskom-
plexe den Weg in die Bildstruktur geöffnet hat.
Es ist vor allem der psychoregistrative Faktor des
Futurisrnus. der Filonow nahesteht und der dann
in dessen Werk in stets tiefere prozessuale Zusam-
menhänge gebracht wird. die die dynamische
Struktur der totalen Realität enthüllen. Auch bei
Filonow wird das Bild allmählich in eine Menge
loser Mosaiksteine zerlegt. die die Fähigkeit der
Formen zu stetigen Umwandlungen und gegen-
seitigem Durchdringen repräsentieren. Die sub-