MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 96)

Lee Springschitz 
ZU ANTON MAHRINGERS 
AQUARELLEN AUS DEM 
VORDEREN ORIENT 
Im Anblick der weiten, vom Licht drarnatisierten 
Tallandschaft von St. Georgen im Gailtal sagte 
einmal Anton Mohringer: .,lch male keinen Zu- 
stand, ich male einen Vorgang." Dieses Wort 
trifft den Wesenszug seiner Bilder. Aus den farbigen 
Durchgängen des Lichts im Ablauf des Tages. 
im Ablauf der Jahreszeiten wird ein optisches 
Vokabular bezogen, das der Künstler zu einem 
Satzgebilde mit festem, grommatlkalem Gerüst 
verfugt. Auf diese Weise produziert die Landschaft 
fürMohringerihreeigenenabstraktenAugenblicke. 
Eine eben noch kompakte Felsplastik wird in der 
Dämmerung ein violetter Schleier, ein Wolken- 
körper darüber massiert sich zu plastischer Festig- 
keit. Es scheint aufdiese Weise seinen Bildern keine 
absolut gesicherte Position für Licht, Atmosphäre 
und Gegenstand, tektonisch bedingte Linie und 
Bewegungskurve zu geben. Sein Abstraktions- 
vorgang mutet auf den ersten Blick kühl und 
konstruiert on. doch im Grunde wird er unmittelbar 
dem "Vorgang" in der Natur abgelauscht. Die 
..Wiedergabe" des Landschaftseindrucks bleibt das 
Primäre. 
In den beiden letzten Jahren schuf Mohringer auf 
zwei Reisen im Vorderen Orient eine ansehnliche 
Mappe von Aquarellen, in denen der für ihn 
typische Schaffensprozeß besonders deutlich wird. 
Mohringer ist prädestiniert für das „Reisebild", für 
das die avantgardistische Kunst unserer Zeit kaum 
Möglichkeiten offenhält. Mohringer hat bedeu- 
tende Vorläufer. August Macke und Paul Klee 
gaben rnit ihren Aquarellen aus Tunis und Kairauan 
1914 dem Reisebild klassischen Maßstab. Das 
kubistische Element tritt bei Mahringer zurück, 
die Pinselschrift ist um viele Grade freier, die 
Komposition strebt jedoch nach gleicher Strenge. 
Lokalkolorit wird in diesen Bildern zu äußerster 
Selbstverleugnung zurückgenommen. das „Motiv" 
maskiert sich in einer lockeren. wiewohl diszipli- 
nierten Anordnung transparenter - also dem 
reinen Aquarell zukammender e Farbfiöchen. 
aus denen skelettartig weiche und härtere Pinsel- 
striche und Aflecke herausragen. Ein Schema gibt 
es für Mahringer nicht, die formale Balance wird 
mit stets wechselnden Mitteln erreicht. Wird ein 
Blatt von den Stimmungswerten eines phosphoris- 
zierenden Himmels getragen. so dominiert im 
nächsten ein charakteristischer Archilekturumriß; 
das Orientale bietet hier viel Reizvolles: Tempel? 
süulen. Minarette, Kuppeln, Stadtmauern. Ein 
nächstes Blatt lebt wieder vom Rhythmus der 
Schatten 4 "Zedern des Libanon" - oder von 
einem expressiven farbigen Konzentrationspunkt 
an der Überschneidung der Linien. Mahringer 
zieht die geraden, den Kristallen verwandten 
Formen den verknatelen. floristisch-verschlun- 
genen vor; es gibt Knickungen und weite Bögen. 
Wiewohl es niemals zu unkontrollierten Gefühls- 
ausbrüchen in seiner Malerei kommt, sind doch 
alle seine Bilder von jenem freudigen Erleben vor 
der Natur durchpulst, zu dem nur ihre wahren g 
unintellektuellen? 7 Liebhaber gelangen. Ver- 
fremdung und Dömonie ist nicht seine Sache, sein 
1 Anlon Muhringer. Die Zedern des Lybunon, 1967. 
Aquarell. 43.5x51 crn 
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