machten Besuche bis um fünf; es kamen
immer einige Personen zu uns zum Diner
und danach gingen alle zusammen zu den
Musikdarbietungen. Dort lud meine Groß-
mutter immer noch jemanden zu einer
Tasse Tee ein. Auf diese Weise waren wir
am Ende des Tages stets 15-20 Personen.
Das Landleben hatte den Vorteil, daß es
leichter war, Menschen um sich zu ver-
sammeln; man brauchte sich bloß an einen
gut besuchten Ort zu begeben, um seinen
Salon ganz nach Belieben bevölkern zu
können. Auch hier hatte meine Großmutter
oft die lihre, Mitglieder des kaiserlichen
Hauses bei sich zu sehen."
Fast noch deutlicher sprechen die Bilder.
Auf den Aquarellen Endet man manche
Bestätigung der schriftlichen Zeugnisse und
vieles, was sich ergänzt. S0 können wir
aus dem Porträt (Abb. 1) der Gräßn Leon
ihre Lebensfreude, ihr Vergnügen an auf-
fallenden Kleidern und ihr aus dem üb-
lichen Rahmen fallendes Wesen erkennen,
denn 1835, als sie sich von Kriehuber in
einem weißen Kleid mit hellblauer Schärpe
und großem blauen Federhut malen ließ,
war sie 63 Jahre alt. Ihre Wohnungen
müssen für Feste und geselliges Beisammen-
sein wie geschaffen gewesen sein; es gibt
elegante Salons und kleine, intime „Cabi-
nette", in denen sich das alltägliche Leben
abspielte. Das Pariser Palais Larochefou-
eauld dürfte etwas älter gewesen sein; die
Räume tragen deutliche stilistische Merk-
male des Louis XVI., während das Peters-
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burger Haus in dem für Rußland typischen
Empirestil erbaut war, wie aus den Säulen
im Schlafzimmer, aber auch aus den Decken
zu erkennen ist. Die Möbel sind nicht
einheitlich, besonders im Pariser blauen
Salon Findet man alle Stile durcheinander:
im Vordergrund Empiremöbel mit blauem
Überzug, dahinter ein Louis-Philippe-
Kanapee, links ein Klavier aus der Restau-
ratinn, Vorhänge in klassizistischer Dra-
pierung, auf dem Kamin Empirebronzen,
ostasiatische Vasen unter Glasstürzen 7
ein buntes Gemisch. Von den Möbeln in
den Petersburger Salons fallen einige
schöne Stücke auf: Boulle-Möbel im roten
Kabinett, ein Konndent im gelben Salon,
im blauen Salon im Vordergrund ein
Spieltisch mit italienischen Sesseln, die die
Gräfin aller Wahrscheinlichkeit nach von
ihren Reisen mitgebracht hat. Das sind aber
nicht die einzigen Erinnerungsstücke aus
dem Ausland: die gleichen zu Lampen
umgearbeiteten blauen Sevres-Vasen im
Louis-Philippe-Stil, die im Pariser Kabinett
auf einem Tisch im Hintergrund stehen,
entdecken wir auf dem Knnsoltisch des
roten Kabinetts in Petersburg, die Fmpirc-
bronzen aus Paris zieren in Petersburg den
gelben Salon, in dem als einziges Bild ein
großes Porträt des Kaisers Nikolaus l.
hängt. Dafür gibt es im Kabinett des
Palais Larochefuucauld so viele Bilder, die
ursprünglich nicht dort waren, daß nicht
alle ordentlich aufgehängt werden konnten;
ein großes Bild des Zaren Alexander mit
S
L. Premazzi. Schlafzimmer in sr. Petersburg. Aquarell.
signiert und datiert 1x47. 25x35 cm