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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 98)

Suite steht angelehnt an einen Spiegel. Die 
Gräfin scheint also nicht nur im Ausland 
Kunstwerke gekauft und mitgenommen zu 
haben A so die vielen Bilder westlicher 
Provenienz im Petersburger roten Salon 
und die Christusbüste von Canova im 
Schlafzimmer -, sie dürfte auch viele ihrer 
Lieblingsgegenstände auf ihre Reisen mit- 
genommen haben, um sie nicht so lange 
entbehren zu müssen. Sehr ausgeprägt ist 
der Wunsch nach Wohnlichkeit und Ge- 
mütlichkeit; sogar in den Repräsentations- 
räumen gibt es überall weiche Teppiche 
und bequeme Sitzecken mit runden, von 
großen, weichen Tischdecken bedeckten 
Tischen. Auf den meisten liegen einige 
oder viele Bücher; im roten Kabinett fällt 
die als Lampe montierte Vase aus russischem 
Malachit mit vergoldeten Bronzen auf. Und, 
wohl in Erinnerung an die Zeiten von 
Petrowsko-Rasumovskoje: überall, in allen 
Räumen, ein Überquellen von Blumen und 
GrünpHanzen, die in manchen an und für 
sich bereits vollgeräumten Zimmern die 
Bewegungsfreiheit eingeschränkt haben 
müssen. Die Vorherrschaft der PHanzen 
geht am weitesten im Salon des Landhauses 
in Peterhof, der in einen Wintergarten 
übergeht, aus dem eine Glastür direkt in 
den Park führt. Die Grenze zwischen drin- 
nen und draußen, zwischen umhegtem 
Raum - symbolisch als Zelt gestaltet - 
und grüner Unendlichkeit ist hier aufge- 
hoben i man könnte sich vorstellen, claß 
dieses Haus im Norden aus Sehnsucht nach 
dem sonnigen Süden und in Erinnerung 
an die Feste in italienischen Sommernächten 
entstanden ist. 
Vom Schlafzimmer, in dunklem Grün 
gehalten, gibt es zwei Ansichten. Hier sind 
am auffälligsten der bereits erwähnte 
Christuskopf von Canova, eine große 
Ikone, vor der eine Lampada brennt, und 
einige Familienporträts, von denen eines 
wahrscheinlich ihren Schwiegervater, den 
Hetman Rasumovsky, darstellt. Sehr prunk- 
voll ist auch das musselin-vcrkleidete Bade- 
zimmer mit Alabasterfiguren, einem weichen 
Kanapee, einem Toilettetisch mit silberner 
Toilettegarnitur und dem von einem rö- 
mischen Sarkophag kopierten Bad im 
Hintergrund, das ein Vorhang abschloß. 
Der Lieblingsraum der Gräfin war aber 
ohne Zweifel der rote Salon. Dort wurde 
sie auch von Premazzi bei einer Karten- 
partie mit dem ältesten und treuesten 
Familienfreund vieler Jahrzehnte, dem 
Grafen Ribeaupierre, verewigt. Und ganz 
zum Schluß ihres Lebens hat der rote Salon 
noch einmal eine wichtige Rolle gespielt: 
Als die alte Dame 1865 erkrankte und nicht 
mehr aufstehen konnte, wurde dort mit 
ausdrücklicher Erlaubnis des Kaisers eine 
behelfsmäßige Kirche eingerichtet, in der 
ieden Sonntag die Messe gelesen wurde, 
wie Marie Nasimol? berichtet. Sie fügt 
hinzu: „Das brachte uns einen neuerlichen 
Zustrom von Menschen, es wurde ein 
neuer Versammlungspunkt für Freunde 
und Neugierige." 
Gräfin Maria Grigorjewna Rasumofsky 
starb am 9. August 1865 im Alter von 
93 Jahren. Sie wurde an der Seite ihres 
Mannes im Donskoj-Kloster in Moskau 
beigesetzt. Das Grab existiert heute noch; 
die rote Porphyrtafel mit der Aufschrift, 
die erst kurz vor dem ersten Weltkrieg 
erneuert wurde, ist allerdings dem Bilder- 
sturm nach 1918 zum Opfer gefallen. Aber 
wenn auch Tafeln entfernt werden können, 
so bleibt doch ein unzerstörbares Denkmal: 
die Dankbarkeit der Nachkommen. Denn 
die schrullige alte Dame, die anscheinend 
nur ihre Unterhaltungen im Kopf hatte, 
half still und unauffällig Dutzenden von 
Verwandten und Freunden und hat dadurch 
viele ihrer NeEen und Nichten so beein- 
fiußt, daß aus ihnen ordentliche Menschen 
geworden sind. 
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