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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 98)

Bruno Thomas 
DIE NEUE KONZEPTION 
DER WIENER 
WAFFENSAMMLUNG - 
LEIBRÜSTKAMMER UND 
HOFJAGDKAMMER 
Der Österreicher hat gewiß nicht die Ver- 
anlagung, von sich und seinen Leistungen 
in Superlativen zu sprechen. Er ist viel zu 
skeptisch, kritisch und sclbstironisch ge- 
boren, um sich leichthin „das Schönste, 
das Größte, das Beste" auf diesem oder 
jenem Gebiet zuzuschreiben. (Natürlich 
liebt er manche Dinge um sich herum und 
läßt sie von anderen gar nicht gern kriti- 
sieren. Aber das steht auf einem anderen 
Blatt.) 
Aus dieser Veranlagung heraus sprechen 
gerade Österreicher, zum Teil bis in die 
letzte Zeit, von der Wiener Waffensamm- 
lung des Kunsthistorischen Museums in der 
Neuen Burg als i der zweitgrößten in der 
Welt. Damit aber tun sie diesem Monument 
verklungener geschichtlicher Größe und 
überlegenen Kunstvcrständnisses der öster- 
reichischen Habsburger unrecht. Grund 
dafür ist die ebenso ehrfürchtige wie nebel- 
hafte Vorstellung, daß Wien von der 
spanisch-habsburgischen Real Armeria in 
Madrid übertroffen werde. Der hohe Ruf 
dieser „Königlichen Rüstkammer" knüpft 
sich an die Person des einzigen Kaisers auf 
dem spanischen Königsthron, an den Habs- 
burger Karl V. 
Der Name Charles-Quint überragt aller- 
dings, vor allem im Westen Europas, an 
Nachruhm entschieden den aller anderen 
Habsburger. Sicherlich ist sein Kunst- 
empiinden über jeden Zweifel erhaben. 
Seine Madrider Harnische sind ein einzig- 
artiges Vermächtnis, seine Handfeuer- 
waffen desgleichen. Aber ist sein öster- 
reichischer Großvater, der „Letzte Ritter", 
als Mäzen der Prunkwaffe nicht noch 
bedeutender? Ist Maximilians I. riesiges 
spätgotisch-rcnaissancemäßiges Waffcnerbe, 
das zum weitaus überwiegenden Teil in 
Wien bewahrt wird, in seiner Art nicht 
zumindest ebenso bewundernswert wie die 
Prunkwaifen seines Enkels in Madrid? In 
vier zum Teil riesigen Sälen sind in Wien 
die Waffen aus der Zeit Maximilians I. 
und seiner Vorfahren zusammengefaßt. In 
Madrid findet das Entsprechende in einer 
Zimmerecke Platz. Ist nicht das ganze 
16. Jahrhundert in Wien unvergleichlich 
vielfältiger vertreten? Ist nicht die Jagd- 
sammlung um ein mehrfaches umfang- 
reicher und umfassender? 
Ein Vergleich mit den verwandten Samm- 
lungen höchsten Ranges hätte jeweils Saal 
für Saal, Bestand für Bestand, womöglich 
Stück für Stück zu erfolgen. Dies war in 
Wien allerdings, wie zugegeben werden 
muß, dem Publikum gleichwie den Fach- 
leuten kaum möglich. Zu viele Objekte der 
durch wiederholte Zusammenschlüsse im 
Laufe von Jahrhunderten immer mehr an- 
gewachsenen Sammlung waren wegen 
Platzmangels in die Depots verbannt. 
Schwierigkeiten technischer und budge- 
tärer Natur stellten sich lange Jahre hin- 
durch einer systematischen Schaubar- 
machung und damit dem ernsthaften 
internationalen Vergleich unserer Schätze 
entgegen.
	        
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