Pefer Baum
KUNSTFÖRDERUNG:
ALIBI ODER VERPFLICHTUNG?
Zu einer Auuprache über die vielumslrillenen
Kunslförderungsmaßnahmen der Gemeinde
Wien lud das Kulluraml der Bundeshaupi-
sladl für Dannerslag, den 4. April 1966.
Maler, Graphiker, Bildhauer sowie Verireler
der Presse ins Museum des 20. Jahrhunderis.
Stadlral Gerlrude Sandner. Obermagisirals-
ral Dr. Follinek und Dr. Robert Waiuenberger
xlelllen sich 7 nicht ohne einleilend vehemenl
zu unierslreichen. daB man ab wlorl au!
Verbesserungsvorschläge warle und An-
regungen gegenüber mehr denn ie zugäng-
lich sein will r ' iner drekfndigen Diskus-
sion dem Audilor m, das die an sich sellm-
versländliche Bereilsehall der Olliziellen zu
einem derartigen Gespräch als ven
Ausnahmefall durchweg begrüßte. Dr. Wil-
helm Mraxek. der als Neulraler gehelen
werden war, das Gespräch xu ieiien. eni-
ledigle sich seiner Aulgabe nichl als "Brem-
ser". sondern als elanvaller Vermililer der
die Sehwierigkeilen beider Seilen roalisilsch
einzuschätzen wußie und selbst xu Grundsatz-
fragen, wie zum Beispiel der Rolle des Miixens
in der heuligen pluralislisehen Gesellschafl,
Slellung nahm.
Die ersle Aussprache zwischen Verlrelern
des Kulluramies und Wiener bildenden
Kündlern seil längerer Zeil brachie lreilieh
keine abschließenden Ergebnise. In Anbe-
lrachl der komplizierten Maierie und der
Notwendigkeit lu Änderungen kann sie
auch nur als Gesle einer grundsü chen
Bereilschah, die Dinge heuer zu machen,
gewerlei werden. Als Diskussionsbeitrag mi!
Verbesserungsvorschlägen ist auch der fol-
gende. nicht nur die Kunstförderung der
Gemeinde Wien, sondern auch die des Bundes-
minisleriums für Unler ' hi belrellende Bei-
trag unseres Redaklionsmltgliedes Peler Baum
gedachl. der in einigen Punklen zur fälligen
Klärung des Sachverhalles milbeilragen
könnle.
töt, die nicht nur der Beamtenapparat ermöglicht,
sollte daher, soweit sich dies bewerkstelligen lüßt.
mit Entschiedenheit unterbunden werden. Man
müßte in diesem Zusammenhang nicht nur genau
überlegen, wer was entscheiden soll (und somit
eine entsprechende Kompetenzverteilung vor-
nehmen), sondern auch denjenigen. der ent-
scheidet, wirklich dafür verantwortlich machen.
Kunstförderung ist schließlich ein sich ständig
ündernder Komplex von Fakten und Maßnahmen.
der Irrtümer zulöllt und die volle Subjektivität
des Urteils braucht. Es wäre völlig falsch, zu glau-
ben, sämtliche mit Kunst und Kunstförderung
zusammenhängenden Fragen objektiv lösen zu
können. Notwendig sind jedoch Sachlichkeit.
überzeugende Argumente und der Mut zur eigenen
Meinung. für die man einzustehen hat.
Wenn aus Wiener Sicht von Kunstförderung die
Rede ist. konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf
zwei damit in erster Linie befaßte Institutionen:
auf das Bundesministerium für Unterricht und das
Kulturamt der Bundeshauptstadt. Die Anregungen
und Verbesserungsvorschläge im folgenden richten
sich daher auch primär an diese beiden öffent-
lichen Stellen.
Galerien erarbeitet werden. Generell gesehen
wäre es vernünftiger, die ohnedies hurl um ihre
Exislenz ringenden, eminent wichtigen kleinen
Galerien mit fixen jährlichen Subvenlionen zu
unfersiülzen, unslail variable Belröge an einzelne
Maler oder Bildhauer als Ausslellungszuschüsse zu
bezahlen. Darüber hinaus könnte man an ambi-
lionierie Galerien einmal im Jahr Prämien für
besonders inleressanle und werlvolle Veranslal-
lungen vergeben.
Innerhalb der in der allgemeinen Politik ohnedies
schon äußerst weit hinten rangierenden Kultur-
politik rangiert das Kapitel Kunstpolitik so ziemlich
an letzter Stelle. Mit Gßchick und Selbstgefälligkeit
vermieden während der letzten Jahre Rot und
Schwarz, dieses heiße Eisen sachlich und bis ins
Detail zu diskutieren. was notwendig gewesen
würe. um längst fällige Verbesserungen und
Systernünderungen vorzunehmen, die dann von
der interessierten Öffentlichkeit einer ständigen
Kritik unterzogen werden könnten. Kunstförderung
- und insbesondere die der bildenden Kunst e
ist hierzulande ein Kapitel. über das man aus
einer Vielzahl von Gründen nicht gerne spricht.
Aus Opportunismus und Laxheit, die beim Politiker,
Beamten und nicht selten auch bei dem zur
Rentnermentalität und zum Bittstellertum erzogenen
Künstler anzutreffen sind. wurde verabsüumt. den
verfahrenen Karren zu überholen und wieder
flott zu machen.
Daneben gibt es freilich auch noch die bürokrae
tische Hürde zu berücksichtigen, ohne die in
einem ordentlichen Staatsgefüge angeblich nichts
funktionieren kann. also auch nicht die Kunste
förderung.
Kunstförderung ist aber auch eine heikle Materie,
über die in letzter Instanz fast immer Leute zu
entscheiden haben, die mit Regelmäßigkeit zu-
wenig davon verstehen. Auch das ist nicht gerade
von Vorteil. Daß die mit kunstpolitischen und
kunsttördernden Maßnahmen betaßten Beamten
ihre Tätigkeit nicht freiwillig ins Rampenlicht der
Öffentlichkeit rücken. um danach kritisiert zu
werden, nimmt ihnen niemand übel. Man müßte
sie nur dazu bringen. in Form ausführlicher
Rechenschaftsberichte dies zu tun. Daß die Presse
viel zuwenig darauf dringt und diesen Dingen
zu geringe Aufmerksamkeit schenkt, ist ein be_
dauerliches, doch behebbares Versäumnis.
Kunstförderung hat als kulturpolitische Ver-
pflichtung mit größtmöglicher Verantwortung des
einzelnen zu erfolgen. Die Flucht in die Anonymi-
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1. Ankäufe
Daß in Österreich mehr als genug Bilder, Gra-
phiken und Plastiken zeitgenössischer Künstler
angekauft werden. wird niemand bestreiten.
Ebenso wird kaum jemand leugnen. daß die
Qualität der meisten angekauften Werke äußerst
dürftig. vielfach sogar undiskutabel ist. Da Kunst-
förderung und soziale Unterstützung, deren
Berechtigung gar nicht geleugnet werden soll,
ständig miteinander vermengt werden und auch
sonst noch viele außerkünstlerische Umstände für
Ankäufe ausschlaggebend sind, häufen sich in den
Depots eben jene Bilder. die man weder zeigen
will nach kann. Aus politischen und wahltaktischen
Gründen - um sich möglichst viele bildende
Künstler warm zu halten und Kritik aus diesen
Reihen vorzubeugen - wird permanent Quantität
der Qualität vorgezogen. Man gibt lieber viele
kleine Beträge aus (und sichert sich damit braven
Durchschnitt), statt weniger zu erwerben und
dafür ordentlich zu bezahlen. Da der Beamte
weder .,Kunstrichter" sein darf noch will, glaubt
er durch Meinungslosigkeit seinem Amt Genüge
zu tun. In der Fachsprache heißt dann Doku-
mentation für die Nachwelt. was für die Gegen-
wart eine Ansammlung von Kraut und Rüben ist,
(Ein derartiges Unsystem hat jedoch immerhin
eines für sich: man kann nicht nur Nieten er-
wischen.)
Es erhebt sich aber auch die Frage, wo primär
gekauft werden soll. Hier scheint vor allem eine
Veränderung des Schauplatzes der Handlung
vonnöten. Statt devote Bittsteller hinter verschlos-
senen Türen zu empfangen, mülltte der öffentliche
Kunstanköufer dazu verpflichtet werden, vor-
wiegend in Ausstellungen zu kaufen. Dadurch
würden nicht nur fragwürdige Ankäufe von
Gelegenheitsmalern vermieden, nicht nur der
zumeist unnötige und Gefahren ausgesetzte per-
sönliche Kontakt zwischen Künstler und Beamten
ausgeschaltet. sondern auch die Öffentlichkeit an
Ort und Stelle mit dem konkreten Ankauf kan-
frontiert werden. Den Galerien wcire dadurch
ebenfalls geholfen, einen Teil der hohen laufenden
Kosten wieder hereinzubekommen.
3. Jurywesen und neue Kompetenzverteilung
Die Vielzahl notwendiger Entscheidungen, die
Ministerium und Kulturamt im Zusammenhang
mit Anküufen, Biennale-Entsendungen, Staats-
preisen. Auslandsausstellungen. Stipendien. Sub-
ventionen usw. aufgebürdet sind, macht das Hin-
zuziehen nichtbeamteter Fachleute wiederholt
notwendig. Nur im Einzelfall kann allerdings
festgestellt werden, ob die Entscheidung einer
Jury oder die einer einzelnen Person sinnvoller
ist. Ganz allgemein sollte jedoch gelten: so viele
Einzelentscheidungen als möglich. Wenn Jurys,
dann nur solche von drei Personen. Monster-
gremien von fünf und mehr Persönlichkeiten sind
sinnlos, da sie letztlich keinerlei profilierte Mei-
nungsbildung zulassen,
Da in Kunstfragen ohnedies nicht objektiv ent-
schieden werden kann, sollte man einsehen, daß
sich Verantwortung nicht vermeiden läBt. Die aus
dem Wunsch nach vermeintlicher Objektivität
angetretene Flucht in Massenentscheidungen (eine
große Jury ähnelt - selbst wenn es sich dabei um
Fachleute handelt - einer in Kunstdingen unan-
gebrachten Volksabstimmung) ist folglich strikte
abzulehnen. Profilierte - und damit auch radi-
kale - Meinungen einzelner sind immer besser
als ein durch Juryentscheide manipuliertes. op-
portunistisches Mittelmaß.
Die bereits einmal erhobene und in weiterem
Zusammenhang ebenfalls notwendige Forderung
nach sinnvoller Aufteilung und Neuregelung der
Kompetenzen (nur sie könnte halbwegs garan-
tieren. daß der einzelne. oftgutwillige Beamte seine
Arbeit wirklich zeitgerecht und ordentlich zu
leisten imstande ist) sei an dieser Stelle nochmals
wiederholt. auch wenn sie unpopulür sein mag.
weil damit die Schaffung neuer Beamtenposten
verbunden ist.
4. Auslandsausstellungen
Genügend Arbeit für einen einzigen Beamten würe
beispielsweise die Organisation und Betreuung
von Auslandsuusstellungen österreichischer Künst-
ler. Gerade hier. wo durch Initiative, Fachwissen
und kluge Koordinierung für das kulturelle Prestige
unseres Landes enorm viel geleistet werden könnte.
begeben wir uns selbst vieler Möglichkeiten und
zeigen uns in nicht ausreichendem Maße in-
formiert.
2. Subventionen und Stipendien
Es ist selbstverständlich. duß Kunstförderung nicht
nur auf Ankäufe beschränkt bleiben darf. Reise-
und Aufenthultsstipendien für junge Begabungen
sollten cxufrechlerhcilten, jedoch an strengere
Bedingungen geknüpft werden. Vor cillem aber
scheint es wichtig. auf längere Sicht zu fördern,
du nur dadurch dem Betreffenden Gelegenheit
gegeben ist, die in ihn gesetzten Hoffnungen im
Sinne kontinuierlicher Arbeit zu erfüllen.
Ebenso müßten klarere Richtlinien im Zusammen-
hang mit Ausstellungszuschüssen an Künstler und
5. Steuerfreiheit von Spenden für Kunst
Da in einer freien demokratischen Gesellschaft
Kunstförderung weder ausschließlich in Händen
des Staates liegen darf noch auch von diesem im
notwendigen Ausmaß bewerkstelligt werden kann.
muß und soll dem einzelnen Staatsbürger Ge-
legenheit geboten werden. selbst wirkungsvoll als
Mäzen aufzutreten. Die dafür notwendige For-
derung lautet daher: Steuerfreiheit für kunst-
fördernde Maßnahmen in einem angemessenen
Prozentsatz zum Einkommen und unter gewissen
Auflagen. Daß die Vorteile einer derartigen Praxis
deren Nachteile aufheben. beweist praktisch die
gesamte westliche Welt.
Ebenso ausführlich wie über die - hier nur
stichwortartig angedeuteten - Probleme der
Steuerfreiheit von Spenden für Kunst müßte auch
über die Kapitel "Bildende Kunst - öffentliche
Bauten". "Kunstunterricht". die eventuelle Grün-
dung einer „Gesellschaft für bildende Kunst" und
anderes mehr gesprochen werden.