MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 98)

Pefer Baum 
KUNSTFÖRDERUNG: 
ALIBI ODER VERPFLICHTUNG? 
Zu einer Auuprache über die vielumslrillenen 
Kunslförderungsmaßnahmen der Gemeinde 
Wien lud das Kulluraml der Bundeshaupi- 
sladl für Dannerslag, den 4. April 1966. 
Maler, Graphiker, Bildhauer sowie Verireler 
der Presse ins Museum des 20. Jahrhunderis. 
Stadlral Gerlrude Sandner. Obermagisirals- 
ral Dr. Follinek und Dr. Robert Waiuenberger 
xlelllen sich 7 nicht ohne einleilend vehemenl 
zu unierslreichen. daB man ab wlorl au! 
Verbesserungsvorschläge warle und An- 
regungen gegenüber mehr denn ie zugäng- 
lich sein will r ' iner drekfndigen Diskus- 
sion dem Audilor m, das die an sich sellm- 
versländliche Bereilsehall der Olliziellen zu 
einem derartigen Gespräch als ven 
Ausnahmefall durchweg begrüßte. Dr. Wil- 
helm Mraxek. der als Neulraler gehelen 
werden war, das Gespräch xu ieiien. eni- 
ledigle sich seiner Aulgabe nichl als "Brem- 
ser". sondern als elanvaller Vermililer der 
die Sehwierigkeilen beider Seilen roalisilsch 
einzuschätzen wußie und selbst xu Grundsatz- 
fragen, wie zum Beispiel der Rolle des Miixens 
in der heuligen pluralislisehen Gesellschafl, 
Slellung nahm. 
Die ersle Aussprache zwischen Verlrelern 
des Kulluramies und Wiener bildenden 
Kündlern seil längerer Zeil brachie lreilieh 
keine abschließenden Ergebnise. In Anbe- 
lrachl der komplizierten Maierie und der 
Notwendigkeit lu Änderungen kann sie 
auch nur als Gesle einer grundsü chen 
Bereilschah, die Dinge heuer zu machen, 
gewerlei werden. Als Diskussionsbeitrag mi! 
Verbesserungsvorschlägen ist auch der fol- 
gende. nicht nur die Kunstförderung der 
Gemeinde Wien, sondern auch die des Bundes- 
minisleriums für Unler ' hi belrellende Bei- 
trag unseres Redaklionsmltgliedes Peler Baum 
gedachl. der in einigen Punklen zur fälligen 
Klärung des Sachverhalles milbeilragen 
könnle. 
  
 
 
 
töt, die nicht nur der Beamtenapparat ermöglicht, 
sollte daher, soweit sich dies bewerkstelligen lüßt. 
mit Entschiedenheit unterbunden werden. Man 
müßte in diesem Zusammenhang nicht nur genau 
überlegen, wer was entscheiden soll (und somit 
eine entsprechende Kompetenzverteilung vor- 
nehmen), sondern auch denjenigen. der ent- 
scheidet, wirklich dafür verantwortlich machen. 
Kunstförderung ist schließlich ein sich ständig 
ündernder Komplex von Fakten und Maßnahmen. 
der Irrtümer zulöllt und die volle Subjektivität 
des Urteils braucht. Es wäre völlig falsch, zu glau- 
ben, sämtliche mit Kunst und Kunstförderung 
zusammenhängenden Fragen objektiv lösen zu 
können. Notwendig sind jedoch Sachlichkeit. 
überzeugende Argumente und der Mut zur eigenen 
Meinung. für die man einzustehen hat. 
Wenn aus Wiener Sicht von Kunstförderung die 
Rede ist. konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf 
zwei damit in erster Linie befaßte Institutionen: 
auf das Bundesministerium für Unterricht und das 
Kulturamt der Bundeshauptstadt. Die Anregungen 
und Verbesserungsvorschläge im folgenden richten 
sich daher auch primär an diese beiden öffent- 
lichen Stellen. 
Galerien erarbeitet werden. Generell gesehen 
wäre es vernünftiger, die ohnedies hurl um ihre 
Exislenz ringenden, eminent wichtigen kleinen 
Galerien mit fixen jährlichen Subvenlionen zu 
unfersiülzen, unslail variable Belröge an einzelne 
Maler oder Bildhauer als Ausslellungszuschüsse zu 
bezahlen. Darüber hinaus könnte man an ambi- 
lionierie Galerien einmal im Jahr Prämien für 
besonders inleressanle und werlvolle Veranslal- 
lungen vergeben. 
Innerhalb der in der allgemeinen Politik ohnedies 
schon äußerst weit hinten rangierenden Kultur- 
politik rangiert das Kapitel Kunstpolitik so ziemlich 
an letzter Stelle. Mit Gßchick und Selbstgefälligkeit 
vermieden während der letzten Jahre Rot und 
Schwarz, dieses heiße Eisen sachlich und bis ins 
Detail zu diskutieren. was notwendig gewesen 
würe. um längst fällige Verbesserungen und 
Systernünderungen vorzunehmen, die dann von 
der interessierten Öffentlichkeit einer ständigen 
Kritik unterzogen werden könnten. Kunstförderung 
- und insbesondere die der bildenden Kunst e 
ist hierzulande ein Kapitel. über das man aus 
einer Vielzahl von Gründen nicht gerne spricht. 
Aus Opportunismus und Laxheit, die beim Politiker, 
Beamten und nicht selten auch bei dem zur 
Rentnermentalität und zum Bittstellertum erzogenen 
Künstler anzutreffen sind. wurde verabsüumt. den 
verfahrenen Karren zu überholen und wieder 
flott zu machen. 
Daneben gibt es freilich auch noch die bürokrae 
tische Hürde zu berücksichtigen, ohne die in 
einem ordentlichen Staatsgefüge angeblich nichts 
funktionieren kann. also auch nicht die Kunste 
förderung. 
Kunstförderung ist aber auch eine heikle Materie, 
über die in letzter Instanz fast immer Leute zu 
entscheiden haben, die mit Regelmäßigkeit zu- 
wenig davon verstehen. Auch das ist nicht gerade 
von Vorteil. Daß die mit kunstpolitischen und 
kunsttördernden Maßnahmen betaßten Beamten 
ihre Tätigkeit nicht freiwillig ins Rampenlicht der 
Öffentlichkeit rücken. um danach kritisiert zu 
werden, nimmt ihnen niemand übel. Man müßte 
sie nur dazu bringen. in Form ausführlicher 
Rechenschaftsberichte dies zu tun. Daß die Presse 
viel zuwenig darauf dringt und diesen Dingen 
zu geringe Aufmerksamkeit schenkt, ist ein be_ 
dauerliches, doch behebbares Versäumnis. 
Kunstförderung hat als kulturpolitische Ver- 
pflichtung mit größtmöglicher Verantwortung des 
einzelnen zu erfolgen. Die Flucht in die Anonymi- 
48 
1. Ankäufe 
Daß in Österreich mehr als genug Bilder, Gra- 
phiken und Plastiken zeitgenössischer Künstler 
angekauft werden. wird niemand bestreiten. 
Ebenso wird kaum jemand leugnen. daß die 
Qualität der meisten angekauften Werke äußerst 
dürftig. vielfach sogar undiskutabel ist. Da Kunst- 
förderung und soziale Unterstützung, deren 
Berechtigung gar nicht geleugnet werden soll, 
ständig miteinander vermengt werden und auch 
sonst noch viele außerkünstlerische Umstände für 
Ankäufe ausschlaggebend sind, häufen sich in den 
Depots eben jene Bilder. die man weder zeigen 
will nach kann. Aus politischen und wahltaktischen 
Gründen - um sich möglichst viele bildende 
Künstler warm zu halten und Kritik aus diesen 
Reihen vorzubeugen - wird permanent Quantität 
der Qualität vorgezogen. Man gibt lieber viele 
kleine Beträge aus (und sichert sich damit braven 
Durchschnitt), statt weniger zu erwerben und 
dafür ordentlich zu bezahlen. Da der Beamte 
weder .,Kunstrichter" sein darf noch will, glaubt 
er durch Meinungslosigkeit seinem Amt Genüge 
zu tun. In der Fachsprache heißt dann Doku- 
mentation für die Nachwelt. was für die Gegen- 
wart eine Ansammlung von Kraut und Rüben ist, 
(Ein derartiges Unsystem hat jedoch immerhin 
eines für sich: man kann nicht nur Nieten er- 
wischen.) 
Es erhebt sich aber auch die Frage, wo primär 
gekauft werden soll. Hier scheint vor allem eine 
Veränderung des Schauplatzes der Handlung 
vonnöten. Statt devote Bittsteller hinter verschlos- 
senen Türen zu empfangen, mülltte der öffentliche 
Kunstanköufer dazu verpflichtet werden, vor- 
wiegend in Ausstellungen zu kaufen. Dadurch 
würden nicht nur fragwürdige Ankäufe von 
Gelegenheitsmalern vermieden, nicht nur der 
zumeist unnötige und Gefahren ausgesetzte per- 
sönliche Kontakt zwischen Künstler und Beamten 
ausgeschaltet. sondern auch die Öffentlichkeit an 
Ort und Stelle mit dem konkreten Ankauf kan- 
frontiert werden. Den Galerien wcire dadurch 
ebenfalls geholfen, einen Teil der hohen laufenden 
Kosten wieder hereinzubekommen. 
3. Jurywesen und neue Kompetenzverteilung 
Die Vielzahl notwendiger Entscheidungen, die 
Ministerium und Kulturamt im Zusammenhang 
mit Anküufen, Biennale-Entsendungen, Staats- 
preisen. Auslandsausstellungen. Stipendien. Sub- 
ventionen usw. aufgebürdet sind, macht das Hin- 
zuziehen nichtbeamteter Fachleute wiederholt 
notwendig. Nur im Einzelfall kann allerdings 
festgestellt werden, ob die Entscheidung einer 
Jury oder die einer einzelnen Person sinnvoller 
ist. Ganz allgemein sollte jedoch gelten: so viele 
Einzelentscheidungen als möglich. Wenn Jurys, 
dann nur solche von drei Personen. Monster- 
gremien von fünf und mehr Persönlichkeiten sind 
sinnlos, da sie letztlich keinerlei profilierte Mei- 
nungsbildung zulassen, 
Da in Kunstfragen ohnedies nicht objektiv ent- 
schieden werden kann, sollte man einsehen, daß 
sich Verantwortung nicht vermeiden läBt. Die aus 
dem Wunsch nach vermeintlicher Objektivität 
angetretene Flucht in Massenentscheidungen (eine 
große Jury ähnelt - selbst wenn es sich dabei um 
Fachleute handelt - einer in Kunstdingen unan- 
gebrachten Volksabstimmung) ist folglich strikte 
abzulehnen. Profilierte - und damit auch radi- 
kale - Meinungen einzelner sind immer besser 
als ein durch Juryentscheide manipuliertes. op- 
portunistisches Mittelmaß. 
Die bereits einmal erhobene und in weiterem 
Zusammenhang ebenfalls notwendige Forderung 
nach sinnvoller Aufteilung und Neuregelung der 
Kompetenzen (nur sie könnte halbwegs garan- 
tieren. daß der einzelne. oftgutwillige Beamte seine 
Arbeit wirklich zeitgerecht und ordentlich zu 
leisten imstande ist) sei an dieser Stelle nochmals 
wiederholt. auch wenn sie unpopulür sein mag. 
weil damit die Schaffung neuer Beamtenposten 
verbunden ist. 
4. Auslandsausstellungen 
Genügend Arbeit für einen einzigen Beamten würe 
beispielsweise die Organisation und Betreuung 
von Auslandsuusstellungen österreichischer Künst- 
ler. Gerade hier. wo durch Initiative, Fachwissen 
und kluge Koordinierung für das kulturelle Prestige 
unseres Landes enorm viel geleistet werden könnte. 
begeben wir uns selbst vieler Möglichkeiten und 
zeigen uns in nicht ausreichendem Maße in- 
formiert. 
2. Subventionen und Stipendien 
Es ist selbstverständlich. duß Kunstförderung nicht 
nur auf Ankäufe beschränkt bleiben darf. Reise- 
und Aufenthultsstipendien für junge Begabungen 
sollten cxufrechlerhcilten, jedoch an strengere 
Bedingungen geknüpft werden. Vor cillem aber 
scheint es wichtig. auf längere Sicht zu fördern, 
du nur dadurch dem Betreffenden Gelegenheit 
gegeben ist, die in ihn gesetzten Hoffnungen im 
Sinne kontinuierlicher Arbeit zu erfüllen. 
Ebenso müßten klarere Richtlinien im Zusammen- 
hang mit Ausstellungszuschüssen an Künstler und 
5. Steuerfreiheit von Spenden für Kunst 
Da in einer freien demokratischen Gesellschaft 
Kunstförderung weder ausschließlich in Händen 
des Staates liegen darf noch auch von diesem im 
notwendigen Ausmaß bewerkstelligt werden kann. 
muß und soll dem einzelnen Staatsbürger Ge- 
legenheit geboten werden. selbst wirkungsvoll als 
Mäzen aufzutreten. Die dafür notwendige For- 
derung lautet daher: Steuerfreiheit für kunst- 
fördernde Maßnahmen in einem angemessenen 
Prozentsatz zum Einkommen und unter gewissen 
Auflagen. Daß die Vorteile einer derartigen Praxis 
deren Nachteile aufheben. beweist praktisch die 
gesamte westliche Welt. 
Ebenso ausführlich wie über die - hier nur 
stichwortartig angedeuteten - Probleme der 
Steuerfreiheit von Spenden für Kunst müßte auch 
über die Kapitel "Bildende Kunst - öffentliche 
Bauten". "Kunstunterricht". die eventuelle Grün- 
dung einer „Gesellschaft für bildende Kunst" und 
anderes mehr gesprochen werden.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.