Zudem verhinderte im Inland manches
Ressentiment historischer, zum Teil partei-
politischer Natur eine sachliche, unvor-
eingenommen urteilende Annäherung an
den Gegenstand und seine unparteiische
Wertung nach seiner Rangordnung. Die
Sowjetunion pflegt sehr wohl das An-
denken der russischen Zaren und deren
martialischer Hinterlassenschaft. Peter I.
ist wieder Peter der Große. Iwan der
Schreckliche ist Iwan der Große geworden.
Österreich zuerkannt keinem seiner Herr-
scher den Beinamen „der Große". Im
Gegenteil, wahre Größe seiner Regenten
ist oft eher der Mißgunst ausgesetzt. Sie
wird verschwiegen, verheimlicht, ver-
kleinert. Nur ein kleines Beispiel. Keinem
Kaiser wurde etwa je eine österreichische
Sonderbriefmarke oder eine Münzprägung
gewidmet. Darin steckt ein ganzer Komplex
unbewältigter Vergangenheit. Es sind die
auswärtigen Kenner, vor allem der anglo-
amerikanischen Lande, die es uns wohl-
überlegt und neidlos immer wieder ver-
sichern: Die Wiener Waffensammlung ist
in ihrer Gesamterscheinung einfach die
kostbarste, die umfassendste der abend-
ländischen Welt. Gewiß, Madrid etwa
weist mehr Harnischgarnituren des Augs-
burger Meisterplattners Desiderius Helm-
schmid auf. Dresden bewahrt eine größere
Degen- und Textilsammlung. Stockholm
und Kopenhagen verfügen über unver-
gleichliche Königsgewänder des 17. und
18. Jahrhunderts. Moskau hütet die prunk-
vollsten historischen Sättel und Reitzeuge.
Die Harnische der königlichen Werkstätten
von Greenwich können nirgends so gut
studiert werden wie in London. Gegenüber
jedem dieser Spezialbestände jedoch kann
in Wien auf verwandtcrn Gebiet durch-
aus ein vergleichbares Plus verzeichnet
werden.
Schon im 13. und 14. Jahrhundert hat es
vereinzelt deutsche Könige aus dem Hause
Habsburg gegeben, deren Herrschaft von
Wien ausging. Ab 1438 aber wird das
Römische Reich Deutscher Nation (mit der
einzigen Ausnahme der Jahre 1740 bis
1745) bis zu seiner Auflösung im Jahre 1806
von Wien aus regiert. Das Kaiserreich
Österreich und später Österreich-Ungarn
hat unter Habsburg-Lothringen seinen
Mittelpunkt 1804 bis 1918 in Wien. Hier
hat nicht nur ein einzelner Kaiser residiert
Wie in Madrid. Von Wien aus haben an die
zwanzig Kaiser und Könige geherrscht.
Sie waren von Anfang an umgeben von
vielen, und zwar von den verschieden-
artigsten Völkern mit fremdartigen Spra-
chen und mit eigenständiger Kultur. Die
Kaiser herrschten als Kaiser eben nicht in
nationalen Schranken und nicht mit chau-
vinistischen Absichten, sondern im Sinne
übergeordneter, vereinigender Begriffe, das
alte römische Weltreich der Cäsaren vor
ihrem geistigen Auge.
So lehrt es in einzigartiger Weise, die
Wiener Schatzkammer. Andere Institu-
tionen ihrer Art mögen mehr blitzende