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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 97)

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sagend genug die Anordnung der erwähnten 
Jagellonischen Porträts genau über den Bil- 
dern von Karl IV. mit Anna von Pommern, 
die in der 2. Hälfte des 14. jahrhunderts 
in die untere Zone der Ostwand der Kapelle 
gemalt worden sind? Das Antlitz von 
Wladislaw zeigt auffallende Ähnlichkeit 
mit den Porträts von Karl IV. Die 
Typisierung wollte hier also Wladislaw als 
Vorbild eines guten Herrschers, als welcher 
sich der große Luxemburger zeigte, symbo- 
lisiercn. Gleichzeitig fällt jedoch eine auf- 
fallende Identität der Gestalt von Wladislaw 
mit der des böhmischen Patrons Wenzel 
auf, wie er in allen Szenen des Zyklus 
dargestellt ist, namentlich in der großen 
westlichen Szene. Diese Tatsache ist um so 
auffallender, als die Antlitze aller anderen 
Figuren ausdrucksvoll individualisiert wur- 
den. Wladislaw, von Herkunft ein jagellone, 
unterstützt seine Legitimität auf dem 
böhmischen Thron durch die absichtliche 
Verkörperung in Wenzels-Gestalt (ähnlich 
wie Kaiser Karl IV. in dem Sn-Wenzels- 
Zyklus auf der Treppe, die zur Kapelle 
des Heiligen Kreuzes auf der Burg Karl- 
stein führt), dessen hohe Sendung es war, 
„die Finsternisse der Ungläubigkeit zu 
verscheuchen und die heimischen Irrlehren 
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auszujäten". Überdies drückt diese Legende 
in ihrer ausgeprägten Aktualisierung die 
Anteilnahme des Königs an der Politik 
des zeitgenössischen Europas aus, denn in 
den Szenen des Zyklus sind damalige 
Ereignisse beinhaltet und sogar konkrete 
Persönlichkeiten jener Zeit dargestellt. Der 
Empfang des Fürsten Wenzel durch 
Kaiser Heinrich den Finker auf dem Reichs- 
tag in Regensburg (Abh. 6) symbolisiert - 
unserer Meinung nach Ä den für Wladi- 
slaw so bedeutungsvollen Regensburger 
Reichstag im Jahre 1486. In dieser Zen- 
tralszcne der Westwand vermuten wir 
weiterhin Jakob Fugger den Reichen zu 
erkennen, aber auch Kaiser Friedrich III. 
mit seinem Sohn Maximilian u. a. m. Das 
Erkennen des Programms der Wand- 
malereien, die die zeitgenössische politische 
Situation behandeln, gestattet uns, die 
Entstehung ihrer ideologischen Konzep- 
tion um das Jahr 1506 zu datieren. Eben 
damals nach den heiklen Streitigkeiten 
wegen der Landshuter Erbschaft kommt 
es zum endgültigen Abschluß günstiger 
Hciratsverträge zwischen Maximilian und 
Wladislaw. In letzter Instanz spiegelt also 
das Programm der Wandmalereien in der 
SL-Wenzels-Kapelle der Prager Kathedrale 
auch schon die Tendenzen des sich durch- 
setzenden westeuropäischen Absolutismus, 
dessen Eindringen in die böhmischen Län- 
der in das Jahr 1526 fallt - das Jahr der 
Wahl des Habsburgers Ferdinand 1., des 
Gatten Annas, der Tochter Wladislaws. 
Falls die leitende Persönlichkeit bei der 
Verwirklichung des Prager Sn-Wenzels- 
Zyklus, dem als die nächste ikonologische 
und stilistische Parallele die maximilia- 
nische Graphik diente, ein Anonymus, 
Leitmeritzer Meister genannt (der ganz 
oEensichtlich zu den Hofrneistern gehörte), 
war, wo hatte er seinen Ursprung? 
Diese außerordentliche Künstlerpersön- 
lichkeit kann man nicht anders als in ge- 
wisser Analogie zu Benedikt Ried emp- 
Hnden, und demzufolge könnte man auch 
konsequenterweise annehmen, daß der Maler 
vielleicht aus derselben Region kam, aus der 
dieser Architekt berufen wurde. Neben der 
Burgbauhütte war unter der Leitung dieses 
Malers also eine Malerwerkstatt tätig, in 
der kurz nach 1500 der monumentale 
Flügelaltar (heute in der Leitmeritzer 
Galerie) entstand. Ebenso wie in der 
Architektur hat also auch in der Malerei ein 
entwicklungsmäßig schon fortgeschrittener 
Künstler die Oberhand gewonnen, während
	        
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