S Uvncd
{um
sagend genug die Anordnung der erwähnten
Jagellonischen Porträts genau über den Bil-
dern von Karl IV. mit Anna von Pommern,
die in der 2. Hälfte des 14. jahrhunderts
in die untere Zone der Ostwand der Kapelle
gemalt worden sind? Das Antlitz von
Wladislaw zeigt auffallende Ähnlichkeit
mit den Porträts von Karl IV. Die
Typisierung wollte hier also Wladislaw als
Vorbild eines guten Herrschers, als welcher
sich der große Luxemburger zeigte, symbo-
lisiercn. Gleichzeitig fällt jedoch eine auf-
fallende Identität der Gestalt von Wladislaw
mit der des böhmischen Patrons Wenzel
auf, wie er in allen Szenen des Zyklus
dargestellt ist, namentlich in der großen
westlichen Szene. Diese Tatsache ist um so
auffallender, als die Antlitze aller anderen
Figuren ausdrucksvoll individualisiert wur-
den. Wladislaw, von Herkunft ein jagellone,
unterstützt seine Legitimität auf dem
böhmischen Thron durch die absichtliche
Verkörperung in Wenzels-Gestalt (ähnlich
wie Kaiser Karl IV. in dem Sn-Wenzels-
Zyklus auf der Treppe, die zur Kapelle
des Heiligen Kreuzes auf der Burg Karl-
stein führt), dessen hohe Sendung es war,
„die Finsternisse der Ungläubigkeit zu
verscheuchen und die heimischen Irrlehren
8
auszujäten". Überdies drückt diese Legende
in ihrer ausgeprägten Aktualisierung die
Anteilnahme des Königs an der Politik
des zeitgenössischen Europas aus, denn in
den Szenen des Zyklus sind damalige
Ereignisse beinhaltet und sogar konkrete
Persönlichkeiten jener Zeit dargestellt. Der
Empfang des Fürsten Wenzel durch
Kaiser Heinrich den Finker auf dem Reichs-
tag in Regensburg (Abh. 6) symbolisiert -
unserer Meinung nach Ä den für Wladi-
slaw so bedeutungsvollen Regensburger
Reichstag im Jahre 1486. In dieser Zen-
tralszcne der Westwand vermuten wir
weiterhin Jakob Fugger den Reichen zu
erkennen, aber auch Kaiser Friedrich III.
mit seinem Sohn Maximilian u. a. m. Das
Erkennen des Programms der Wand-
malereien, die die zeitgenössische politische
Situation behandeln, gestattet uns, die
Entstehung ihrer ideologischen Konzep-
tion um das Jahr 1506 zu datieren. Eben
damals nach den heiklen Streitigkeiten
wegen der Landshuter Erbschaft kommt
es zum endgültigen Abschluß günstiger
Hciratsverträge zwischen Maximilian und
Wladislaw. In letzter Instanz spiegelt also
das Programm der Wandmalereien in der
SL-Wenzels-Kapelle der Prager Kathedrale
auch schon die Tendenzen des sich durch-
setzenden westeuropäischen Absolutismus,
dessen Eindringen in die böhmischen Län-
der in das Jahr 1526 fallt - das Jahr der
Wahl des Habsburgers Ferdinand 1., des
Gatten Annas, der Tochter Wladislaws.
Falls die leitende Persönlichkeit bei der
Verwirklichung des Prager Sn-Wenzels-
Zyklus, dem als die nächste ikonologische
und stilistische Parallele die maximilia-
nische Graphik diente, ein Anonymus,
Leitmeritzer Meister genannt (der ganz
oEensichtlich zu den Hofrneistern gehörte),
war, wo hatte er seinen Ursprung?
Diese außerordentliche Künstlerpersön-
lichkeit kann man nicht anders als in ge-
wisser Analogie zu Benedikt Ried emp-
Hnden, und demzufolge könnte man auch
konsequenterweise annehmen, daß der Maler
vielleicht aus derselben Region kam, aus der
dieser Architekt berufen wurde. Neben der
Burgbauhütte war unter der Leitung dieses
Malers also eine Malerwerkstatt tätig, in
der kurz nach 1500 der monumentale
Flügelaltar (heute in der Leitmeritzer
Galerie) entstand. Ebenso wie in der
Architektur hat also auch in der Malerei ein
entwicklungsmäßig schon fortgeschrittener
Künstler die Oberhand gewonnen, während