„Templum pacis" oder in dem gerechten
Traianus - ihrem Wesen nach Gestalten
desselben Stammes, wie wir sie in der
SL-Wenzels-Kapelle der Prager Kathedrale
finden -, nicht wieder König Wladislaw
selbst personii-iziert? In der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts galt es als besonders
aktuell, das Orakel der Sibylle darzustellen.
Sie kündigte in der Identifikation mit der
Königin von Saba (Abb. 9, 11) die Ankunft
des großen christlichen Herrschers, der die
Ismacliten besiegte, an. Nach dem Tod
Friedrichs III. im Jahre 1493, der jener
Herrscher werden sollte, auf den sich das
Orakel bezog, ist der Gedanke des römi-
schen Kaisertums ohne jeden Widerhall
geblieben. Es ist genügend bekannt, wie
Maximilian I. diesen Gedanken auffaßte,
und im Lichte des treffenden Ausspruchs:
„die römische Krone gehört auf die böh-
mische" spüren wir offensichtlich auch die
sehr hohen - von seinen wirklichen Mög-
lichkeiten allerdings sehr entfernten H Herr-
schaftsaspirationen Wladislaws II. Ähnlich
wie man für die Renaissance-Tendenzen,
die nach dem Jahre 1490 in der Architektur
der Prager Residenz auftraten, Zusammen-
hänge mit der italienischen Enklave in
Ofen nachweist, so sind sie sichtlich auch
im Falle der Kuttenberger Wandmalereien
zu erkennen, die zeitlich den Fenstern des
Wladislaw-Saals 7 mit der offiziellen Bau-
inschrift VLADISLAVS. REX. VNGARIE.
BOHEMIE.1.4.9.3. datiert - gleichzusetzen
sind.
Unbekannter Meister um 149a. Kutxcnh
lnnlerci der sag. SmEek-Kapdle a" 5mm
Köni 'n von Szba zu Salcmon kommnxd
Unbe annler Meister um 149a. Kunenb
mzlcrci der sog. Smßck-Kapellc der 51,111;
Kaiser Augustus mit a" Tiburtinet Sibylle
a-Kirc
, Wal
a-Kirc.
Der heutige Mensch ist gewohnt, die ihn
umgebende Realität in ihrer ganzen Fülle
und Komplexheit wahrzunehmen und sie
in Beziehung zur Vergangenheit zu setzen.
So ist er auch imstande, bisher verhüllte
innere Zusammenhänge zu entdecken. Dieses
geschieht vor allem aus dem Bestreben, sich
mit der Psyche der Menschen vergangener
Zeiten und den Motiven ihrer Handlungen
auseinanderzusetzen und diese zu interpre-
tieren. Das Resultat ergibt dann oftmals
eine veränderte Anschauung der histori-
schen Epoche und deren Repräsentanten
sowie eine völlig neue Einschätzung ihrer
wirklichen Werte und Begebnisse. Unter
der Regierung Wladislaws II. des Jagellonen
erscheint Böhmen nach einer hundert-
jährigen Zäsur wieder auf der europäischen
Kulturbiihne. Das Land regiert ein König,
der in der damaligen Weltpolitik den
Gedanken des modernen Europäertums
vertritt. (Allerdings beabsichtigte schon
Georg von Podebrady die böhmischen
Länder in den europäischen Konnex ein-
zureihen, und ähnliche Ziele verfolgte in
ihrer Politik auch die Jagellonischc Dynastie
in Polen.) Wenn wir die Lage von diesem
Gesichtspunkt betrachten, dann sind Wir
nicht überrascht, daß Werke von wirklich
europäischem Rang auch auf dem Gebiet
der Kunst in den böhmischen Ländern
entstehen konnten. Sie ragen mit erstaun-
lich kristallener Reinheit empor, und es
standen entweder der Herrscher selber oder
Mitglieder des Hofes dahinter. So ist es
unbestreitbar, daß die Tätigkeit Wladislaws
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