Franz Windisch-Graetz
DAS MODELL FÜR DEN
SILBERRAHMEN
DES GNADENBILDES VON
SONNTAGBERG
Schon einmal wurde in dieser Zeitschrift
über die Errichtung des Hochaltars in der
Wallfahrtskirche von Sonntagberg (in
Niederösterreich) berichtet, als es sich darum
handelte, die Beteiligung des Wiener Bild-
hauers jakob Christoph Schletterer aufzu-
zeigen 1. Diesmal war es ein ganz aktueller
Anlaß, der neuerlich das Interesse auf das
großartige Altarwerk Melchior Hefeles
(1716-1799) lenkte.
Das Kunstgewerbemuseum in Schloß Char-
lottenburg zu Berlin hat vor längerer Zeit
einen reichgeschnitztcn Rokokorahmenl
erworben, über dessen Herkunft zunächst
nichts Näheres bekannt war und der trotz
sehr beachtlicher Qualität doch manche
Probleme auf-warf. Als erstes stellte sich
die Frage, wieso dieses prächtige Werk
nicht die geringsten Spuren einer Fassung
aufweist. Und daran schloß sich sogleich
die Vermutung, daß eine derart exakt und
virtuos ausgeführte Schnitzerei, die alle
Motive bis in die kleinsten Details wieder-
gibt, anscheinend gar nicht für dfe An-
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bringung einer Vergoldung oder derglei-
chen bestimmt gewesen sein konnte. XVclche
Bewandtnis hatte es aber dann mit diesem
Rahmen? War er niemals seiner Bestim-
mung zugeführt worden, und welche hätte
diese sein sollen? Am ehesten schien er als
Spiegelrahrnen geeignet, denn für ein
Gemälde entfaltet er durch seine raum-
greifende, bewegte Komposition ein viel
zu starkes Eigenleben; allerdings ist für
einen Spiegel die lichte Weite sehr gering
bemessen. Bleibt aber immer noch die
Frage offen, in welcher Umgebung ein
ungefaßter Lindenholzrahmen zu damaliger
Zeit hätte Platz finden sollen. In hüiischc
Räume - und nur für diese schien er doch
bestimmt zu sein - mit ihren weiß-
goldenen Boiserien oder Stukkaturen hätte
er nicht gepaßr. Es nimmt dnhcr nicht
wunder, daß solche Widersprüche den
Verdacht aufkommen ließen, es handle sich
um eine Nachempnndung aus dem 19. jahr-
hundert, wofür die Überladenheit und die
üppig wuchernden Formen als Begründung
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l Entwurf fur den Hocllaltar der Wallfahrtskirchc von
Sonnlagberg. tlt-t Ttntlltlnn nach von Atthitaltt Melchior
Hcfclc. dttn Sdwpfcr des Altars, angefertigt. Lavicrtc
Fed leichnung; die vergoldet vorgesehenen Figuren.
lxt , Umamenre nntl die Strahlen um das Gnadenbild
tinti mit Gukl gehixhr, der in Silber auszuführende
Rahmen, ebemu WIE die Engelsköpfe und Wolken mit
Silber gehüllt. ult- silhatraths ist im Lauf der Zeit nxydicrt
und daher st-hiiatz geworden. Papier auf Leinwand
kaschiert. 95 t 53,5 cm. SlIpCHOTHI Snnntagberg
ANMERKUNGEN Im6
l F. Windisch-Gruclz. Die Entstehungsgeschichte des Hoch-
almrcs von Sonnmgberg und die Mnmmrengel von
J. c. Srhlcrtercr, in: Alte und moderne Kunst, s. Jg.
(W63), Heft ss. . 16.
l Lindenliolz auf Fithvenholzkcrix; Hohe: 272 Cm. oben:
Breite: 214 Cm. untere Breite: 174 Cm.
3 lrh möchte nicht versäumen, an dieser Stelle S. Gnaden
Ahr Albert Kilrzwernharr von Seilcnstetten und Hofrat
l'. Anrun Unterhofer suwie P. Bmedikt Wagner, die
meine Arbeit in entgcgenkommender Weise unterstützt
lnln-ti, tnt icn aufriChtigStcn natilt auszusprechen.
4 Archiv Scltcllsrelten. 46 B, Fnsz. 3: Ricdl erhielt für die
Anfertigung des Rahmens 2250 Gulden Arbeitslohn. Er
halle „obgemcldte Rahm, als ein approbirtes Modell,
vollsrälldilz. künsllich. und glcichsehcnd. und nach cou-
zeliro gelnelrcn Herrn Hifelc iumusstellig, in Zeit zwcycr
jahreli von nun an . . . herzustellen".
jivscph Wilhelm Riedl. geb. m4 (Geburtsort unbekannt).
gesr 20. v. 1790 in Wien. Bürger seil 12. 1.1754 (Stuben-
vi rd). (iarrin: Joseph: bulleckcr, geb. 1725 in wit-ti,
gt-sl. 3.4.1798 in Wien (Pfründnerin). m Archiv der
Stadt Wien. Bürgerhuch älfol. 176, 36] fol. 33; Portheima
Karalng. A
Weitere Urkunden iln Archiv der Srzdr Wien:
Zunflbueh der burgerlichcn (Rßldwhmid! allhier in Wienn
1635m17. t i.5", pag.143. Nr.351: "Anno 1751 den
22 Iuly hat Herr Ioscph Riedl seine 3 Maistcrsiuck der
Ordnung nach gtivisül und ist vor einen Mitbruder