Hefele erweist sieh somit als vielseitiger
Künstler: als entwerfender Architekt, als
Zeichner und Bildhauer. In dieser letzteren
Eigenschaft hat er mit den in Blei gegosse-
nen Reliefs am Sockel des Sonntagberger
Altars und mit den Reliefs der dortigen
Kanzel weitere Zeugnisse seines Könnens
als Plastiker geliefert. 7 Bei der Anferti-
gung sowohl des Altarmodells als auch
des Holzrahmens dürfte ihm aber Franz
Ratzespetger, von dem später noch die
Rede sein wird, behilflich gewesen sein,
wie aus den Akten in Seitenstetten hervor-
geht.
Der Sonntagbcrger Altar wurde im Verlauf
des jahres 1965 einer durchgreifenden
Restaurierung unterzogen, wobei auch der
Silbetrahmcn in seine nahezu zweihundert
Einzelteile zerlegt, gereinigt und Wieder
zusammengesetzt wurde. Es konnte fest-
gestellt werden, daß sich keine gegossenen
Teile vorfinden, sondern sowohl der eigent-
liche Rahmen wie die mit Silberlot aufge-
löteten oder mit Blechschrauben befestigten
Verzierungen durchwegs getrieben und zise-
liert sind. Auch die für den Beschauer voll-
plastisch wirkenden Früchte, Ranken und
Rocaillen bestehen tatsächlich aus dünnem,
eingerolltem Silberblech und sind hohlß.
Das Zerschneiden des Modells, von dem
in den Akten die Rede ist, geschah also
nicht, wie man annehmen könnte, zu dem
Zweck, um Formen für den Guß der
dekorativen Details anzufertigen, sondern
um diese leichter und möglichst vorlagen-
getreu in Silber nachbilden, d. h. treiben
und ziselieren zu können. - Zur Steigerung
der Wirkung ist die Oberfläche verschieden
behandelt; der eigentliche Rahmen mit den
Voluten ist poliert, die Ornamente hin-
gegen sind größtenteils ziseliert; doch
finden sich auch da in vielen Fällen polierte
Partien, wodurch die reichen plastischen
Formen noch stärker hervortreten. 7
Vergleicht man Modell und Ausführung,
so wird man eine ziemlich genaue Über-
einstimmung feststellen können. Abge-
sehen von den gleichfalls in Silber ge-
arbeiteten großen Blumen, die am Modell
nicht berücksichtigt werden konnten, sind
nur die Früchte auf der linken Seite durch
Blätter ergänzt, und auf der oberen Mittel-
volute fehlt die aufwättsgebogene Rocaille
mit Ranken und Blüten.
Natürlich mußte das Modell bereits ange-
fertigt und vom Auftraggeber approbiert
sein, ehe mit der Herstellung des Silber-
rahmens begonnen werden konnte. Daß
man aber nahezu zwei Jahre vor dem Ver-
tragsabschluß mit dem Goldschmied
(17. Juni 1753) bereits so weit War (laut
Hefeles Brief vom 20.August 1751), ist
ungewöhnlich, aber doch nicht verwunder-
lich für den, der die höchst verwickelte
Entstehungsgeschichte des Sonntagberger
Altars kennt.
Es ist hier nicht der Platz, um ausführlich
auf diese komplizierten Sachverhalte ein-
zugehen, die überdies bereits auszugs-
weise in dieser Zeitschrift zur Sprache ge-
bracht wurden, soweit sie den Bildhauer
]. Ch. Schletterer betrafen.
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Kurz zusammengefaßt nahmen die Ereig-
nisse folgenden Verlauf: Am 14. April 1751
kam es in Seitenstetten zum Vertrags-
abschluß zwischen dem Abt (Dominicus
Gußmann) und dem Wiener Architekten
Melchior Hefele „wegen des Gnaden Hoch-
altar am Sonntagberg"9. Nach Aufzählung
aller jener Teile, für dcrcn Anfertigung der
Architekt selbst sich „verobligiert" hatte,
folgt die für unseren Zusammenhang
wichtige Bestimmung, daß „alles andere
aber, was immer von Silber gemacht würd,
als Tabernacul, die ganze Glori von den
Gnaden Bild .. . Herr Räzelsperger auf
sich zu nehmen verbunden" sei. Die
Stellung dieses Wiener Goldschmiedes, der
mit vollem Namen Johann Franz de Paula
Ratzesperger (Rätzelsperger, Rötzesperger
u. a. m., die Schreibweise differiert) hieß,
ist bisher noch nicht völlig geklärt. Soviel
ist sicher, daß er es wohl verstand, das Ver-
trauen des Abtes zu gewinnen und diesen
Umstand zum eigenen Vorteil auszunutzen.
Dabei machte er sich schwerster Kompe-
tenzüberschreitungen schuldig. Der ehr-
geizige Mann hatte es scheinbar darauf
angelegt, den Architekten zu verdrängen.
Tatsächlich hatte er mit seinen Intrigen
Erfolg, denn er brachte schließlich den
Abt so weit, daß dieser Hefele mißtraute
und an dessen Fähigkeiten zu zweifeln
begann. Solcherart Verdächtigungen konnte
der Künstler nicht auf sich beruhen lassen,
und so kam es zum Prozeß. Aber die Ge-
richte entschieden zugunsten Hefeles, und
als es vor den Experten der kaiserlichen
Akademie in Wien, die in diesem Fall zu
Rate gezogen worden waren, am 29. Mai
1752 zum Abschluß eines Vergleichs kam,
wurde Hefele völlig rehabilitiert, Ratzes-
perger aber von der weiteren Mitarbeit
ausgeschlossen.
Es war nur zu verständlich, daß derart
gespannte Verhältnisse zwischen Auftrag-
geber und Architekt für den Fortgang der
Arbeit nicht zuträglich waren. Das wirkte
sich eben dahingehend aus, daß der Vertrag
über die Anfertigung des Silberrahmens
erst im Juni 1753 beschlossen werden
konnte. Den Auftrag erhielt nun an Stelle
Ratzespergers der Goldschmied j. W. Riedl.
Doch hatte Ratzesperger, wie aus dem
letzten Abschnitt des Vertrages mit Riedl
hervorgeht, bereits Engelsköpfe und
Wolken, also Cherubsköpfchen, in Silber
ausgeführt, die nach Hefeles Entwurf auf
den vergoldeten Strahlen um das Gnaden-
bild angeordnet werden sollten. Sie sind
heute nicht mehr vorhanden. Der Tradition
nach wurden sie in den napoleonischen
Kriegen entfernt.
Die Stilanalyse des Rahmens, der das
wichtigste dekorative Element an Hefeles
erstem selbständigem Werk darstellt, wirft
folgerichtig die Frage nach den künstle-
rischen Anfängen des Architekten auf. Aber
darüber gibt die vorliegende Literaturlß
nur lückenhaft Auskunft. Bloß soviel ist
bekannt, daß der am 11.]anuar 1716 in
Kaltenbrunn in Tirol geborene Sohn des
Maurermeisters Michael Hefele zunächst
zu einem Tischler in die Lehre gegeben
wurde und sich dann in den dreißiger
Jahren in Würzburg niederließ. Über die
dazwischen liegende Zeit fehlt bisher noch
jede Nachricht. - Hefele kam selbst einmal
auf seine Ausbildung zum Handwerker zu
sprechen und versäumte dabei nicht, mit
Stolz auf seine später hinzuerworbenen
künstlerischen Fähigkeiten zu verweisen.
Anläßlich des Sonntagberger Prozesses
schreibt er in einem Memorandum vom
14. Mai 1752: „. . . Wann ich auch anfäng-
lich nur ein Tischler sollte gewesen sein . . .
dieserwegen meine nachhin so statlich . . .
erworbene Kunst gleichwohl ihren wohl-
verdienten Preyß verdienet . . ." 11.
In Würzburg war I-Icfele nicht nur für den
berühmten Kunstschmied und Hofschlosser
Johann Georg Oegg als Zeichner tätig,
sondern leitete selbst eine Handwerks-
zeichenschule (Rcißschule).
Oegg war ein Landsmann Hefeles und
stammte aus Silz im Oberinntal (geb. 1703,
gest. um 1780 in Würzburg). Er hatte in
Wien unter I-lildebrandt für den Prinzen
Eugen gearbeitet; die Parktore in Schloßhof
sind sein Werk. Auf Veranlassung des
Reichsvizekanzlers und Fürstbischofs von
Würzburg und Bamberg, des Grafen
Friedrich Carl von Schönborn, wurde er
1733[34 für den Neubau der Würzburger
Residenz gewonnen, wo er bis zu seinem
Lebenscnde die prächtigen Gitter und
andere kunstvolle Schlosserarbeiten aus-
führte.
In die Werkstatt dieses vielbeschäftigten
Mannes trat also Hefele ein. Das Jahr
steht nicht fest. Guby nimmt „um 1734"
an, Brenner „etwa 1737 oder 1738". Auch
die Dauer seines Aufenthaltes in Würzburg
ist ungewiß. Erst für das Jahr 1742 besitzen
wir eine archivalisch verbürgte Nachricht.
Am 9. November dieses Jahres erhielt
Hefele in der Wiener „Kaiserlichen Hof-
Academie" mit zweiunddreißig Stimmen
den ersten Architekturpreis, die Gold-
medajlle, zugesprochen. Das Thema, wor-
über die Architekten in diesem Jahr um
die „aus Allerhöchsten Kais: Königl:
Gnaden ausgesetzte Praemia" zu „cer-
tieren" hatten, war „ein um und um frei-
stehender Brunnen" 12. Hier tritt also
Hefele das erstemal als Architekt in Er-
scheinung, und drei Jahre später steht sein
Name auf einer „Liste des academiciens
presentee (1) au marcchal de Cour". Die
Vorstellung der sechs Architekten, unter
denen Hefclc an vierter Stelle genannt
wird, erfolgte am 26. August 174513. -
Setzte aber die Bezeichnung „acadernicien"
nicht auch eine Ausbildung an der Akade-
mie voraus? Könntc vielleicht daraus
geschlossen werden, daß Hefele doch vor
seinem Würzburger Aufenthalt ein Schüler
der Wiener Akademie gewesen war, wo
er im Zeichnen ausgebildet wurde? Daß
sein Name in den Matriken der Akademie
fehlt, kann nicht als Gegenbeweis gelten,
da die frühen Schülerverzeichnisse er-
wiesenermaßen unvollständig sind. In Wien
hätte Hefele leicht Gelegenheit finden
können, mit Oegg in Verbindung zu