AUS DEM KUNSTLEBEN
ALBERTlNA
Graphik zwischen Renaissance und
Barock. Das Zeifaller von Breugel und
Bellange
Mil dem vierfen Teil ihres großen. 1963 be-
gonnenen Graphik-Zyklus selzle die wlener
Alberlinu ein in gleicher Weise fur die Kunsl-
wissenschaffbedeulendes wie für das Publikum
irileressanles und allraklives Unlerriehmen
forf. dem auf Grund seiner Geschlossenheil
und kurisllerischen Qualiföl innerhalb des
europäischen Aussiellungswesens ein beson-
derer Rang zukamnii.
..Zwlschen Renaissance und Barock. Das
Zeilaller von Breugel und Bellange" laulele
das Thema der in allen Räumen des lnsliluls
uniergebrachlen Schau. dlQ bis 18. Fe-
bruar dauerle, Die schwierige Auswahl und
wissenschaflliche Bearbeilung der 382 Ex-
ponale besorgle Dr. Konrad Oberhuber. der
sich mif Elan und Akribie der Sichlung der
umfassenden Beslande widmele. Ein 300 Seilen
sforker Kalalag mil mehr als ZOO Abbildungen
darf im Zusammenhang damll als werlvoller
äublizisiischer Niederschlag angesehen wer-
eh.
Die vom Veranslaller 1963. zu Beginn dieses
Zyklus. geslellle Frage ..ob eine derartige
Konzenlralian der Kräfle auf ein so um-
fangreiches Prajekl durch das zu erwarlende
Ergebnis überhauol zu rechlferligen sei".
kann heule iedenfalls rnil einem klaren Ja
beanlworlel werden. Hall man sich die dafür
nolwendige Durchsichl eines Beslandes von
rund einer Million Blällern vor Augen. so
ermißf man einigermaßen den Aufwand. den
der auf12 Jahre anbaraurnie Graphik-Zyklus
in seiner Gesamlheil erfordcrl.
Die umfassende Alberlina-Ausslellung halle
ihren Schwerpunkl in der niederländischen
Druckgraphik zwischen Hochrenaissance und
Barock. zwischen 1540 und 1510. berück-
sichligle zum Teil aber auch Überaus auf-
schlußreiche Beispiele der graphischen Kunsl
Frankreichs und DeulsChlands.
Die lechnische Enlwlcklung des Kupicrsiichs
und der Radierung ernpnng vor allem in den
Niederlanden krüflige Impulse. Der Handel
rnil Kupferslichen fand von dorl ausgehend
eine Verbreitung wie nie zuvor. Weil über
Europa hinaus. bis nach Asien und Afrika,
wurden Kuofersliche und Radierungen zu
einem begehrlen Verkaufs- und Sammel-
obiekf. Das immer slürkere Aufkommen
eines ausgedehnien Verlagswesens (der verlag
von Hieronymus Cock in Anlwerpen war
damals das führende Unlernehrnen) führle
zwar zum Rückgang der zuvor sfdrker ver-
breilelen originalen Druckgraphik (Ent-
werfer und Ausführender sind hier eine
Person). brachle auf der anderen Seile jedoch
eine Vlelselligkeil der Produklion rnil sich.
die auch im Hinblick aufThema. Tempo und
Auflagenhöhen früher kaum denkbar war.
Daß diäe Enlwicklung verschicdcnlllch krasse
künsllerische Abslrichc zeiligle. liegf selbsfr
verslöndlich auf der Hand. Im Zusammen-
hang darnil muß jedoch bedachl werden. daß
Kupferslich und Radierung zu dieser Zeif
prlmar eine reproduklive unklion erfiilllen,
die er's! mll dem Aufkommen neuer lech-
nlscher Mögllchkeilen im 19. Jahrhunderl
wiederum zurückging und zu einer - gerade
heule slark feslslellbaren 7 Blüle der ori-
ginalen Graphik iuhrie.
WieweilgehenddieAufgabenleilung zwischen
Zeichner und Slecher war. illuslrierl zum
Beispiel die Taisache. daß ein Künsller wie
Pieler Bruegel der Alfere zeil seines Lebens
überhaupl nur eine einzige eigenhändige
Radierung geschaffen hal (,.Die Hasenjagd".
1566). wdhrend das Gras seiner druck-
graphischen Bldller von berufsmäßigen
sieahern nach seinen Vorzeichnungen ge-
reriigi wurde.
Neben Slichen und Radierungen von Bruegel
nahmen in der Ausslellung auch die soge-
nannlen "liomanislen" großeren Raum ein;
Künsller. die insbesondere von llalien her
Anregungen für ihr Schaffen empfingen. Die
"Romanislen". deren Namen zumeisl nicht
sehr bekannl sind. schufen vorwiegend
religiöse und mylhalogische Kompoisilionen
und allegorische Szenen.
Die Auseinanderselzung milder menschlichen
Figur (unler Eirifluf} Michelangelas) domi-
nierle bei manchen von ihnen im Zelfraum
zwischen 1550 und 1570. Für den Spälslll
hingegen wurde der aus Anlwerpen ge-
bürfige Hofkürisller Rudolfs ll. Barfholomaus
Spranger. der einen neuen. überaus ge-
schmeidigen. elegonlen Slichslil eniwickelle.
zum Vorbild. Verlrieben wurden diese Blüller
vor allem van Haarlem aus. wo der Verlag
van Hendrick Gollzius seine Druckwerk-
slällen besaß.
Wenn auch die deulsche und französische
Graphik dieser Epoche. der ein weiterer
größerer Abschnifl der Exposillon gall. an
Bedeulung hinler der niederländischen
rangieri. so enldeckl man dach gerade hier
wiederhali eigenwillige Kunsllerpersonlich-
keilen. die i so wie die der Donauschule
naheslehenden Landschailer Lauleiisack und
Hirschvagel -weileslgehend aufdie Personal-
unian von Enlwerfer und Slecher verzichleleri
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und daher künsllerisch weilaus ergiebigere
Resullale erziellen.
Jean Duvel (ca. 1485 1561). der zwischen
1540 und 1550 einen an Dürer und Manfegna
erinnernden Zyklus zur Apokalypse schui,
Boivin und Delaune zählen bei den Franzosen
zu den inleressanleslen und lypischeslen Ver-
lrelern. Der im Unlerlilel der Ausslellung
erwühnle Jacques Bellange schließlich gehört
zu den ganz wenigen Kilnsilern des 1a. und
spafen 17. Jahrhunderls. die die Möglichkeiten
der Radierung maximal auszuschopfen be-
mühl waren. sein siil ernpring Einflusse aus
lialien. er enlsprlchl auch in manchem dem
niederländischen HGallziusslil", iiberlraf
diesen jedoch an Ramnesse und verfeinerler.
höfischer Eleganz (Abb. 1, 2).
MUSEUM DES 20. JAHRHUNDERTS
Paul Klee
Die bildende Kurisl des Z0. Jahrhunderis lsi
mildem Namen Paul Klee unlrennbor ver-
bunden. Klee war nichl nur einer ihrer
Grölilen. nichl nur einer der bedeulendslen
Maler seiner Zeil. sondern zugleich auch der
vermullich wlchligsle Wegbereiler der Mo-
derne. Ohne Beispiel isl sein Einfluß auf
Generalionen von Malern. die nichl ersl nach
seinem Tod im Jahre 1940 von seinem in
gleicher Weise vielseiligen wie vielschichfigen
Werk Anregungen empfingen und in ihrem
eigenen Schaffen beslarkl wurden.
Klee isf m wenn auch in völlig anderer und
wenn man will noch essenliellerer Arl 4 ein
Genie wie Picasso. ein Maler. der in die
liefslen Geheimnisse der Kunsl und darnil
auch der Well und des menschlichen Seins
eingedrungen isl. van seinem Werk gehi
eine Faszinaiion und Uberzeugungskrafl aus,
die einen permanenl vor die Frage sielll, wie
derarliges überhaupt einem einzigen möglich
sein kann.
Der Künsller, dessen zenlrale Sfellung in der
neueren Kunslgeschichlc nur noch von
Banausen und lgnoranlen in Abrede geslelll
wird. hal mil einem CEuvre von mehr als
9000 Bildern. Aquarellen und Graphiken der
Menschheil ein Geschenk hinlerlassen. dessen
geislig-üslhelischem Gehall in den Jahrzehnlen
seif19OO kaum elwas von gleichgroßer Spann-
weiie enlgegengeslelll werden kann. Nichls-
dafaweniger führen die Karnplexilüf des
Gesamlwerkes auf der einen Seile sowie die
schonungslose. schockierende Einfachheii ein-
zelner Arbeifen auf der anderen noch heufe
zu Mißversländnissen grundsälzlicher Arl.
Die Erkenninis. daß Wahres und Guliiges
gerade deshalb schwer zu verslehen sind.
weil sie leise und gleichsam unbemerki auf-
lrelen. halsich im Leben des 1879 in München-
buchsee bei Bern geborenen deulsch-schwei-
zerischen Künsllers wiederholl besföligl. So
gall in den Jahren des Nalionalsazialismus
als henfariei". was in Wahrheil von einer
Keuschheif und Laulerkeil ist. die zur Ehr-
furchl gernahnl.
Seil 1955. als die Wiener Secession eine van
der Neuen Galerie in Linz zusammenge-
slellfe Aussiellung von Werken Paul Klees
ubernahrn. fand in Öslerrelch keine Kolleklive
des Künsllers slali.
Wenn Wiens Museum des 10. Jahrhunderls
ieizl zu einer Klee-Ausslellung einladen
konnle. die Versöumles vergessen ließ und
an Hand von oßerlesenenArbeilen (Ölbildern.
Aquarellen und einigen sehr aufschlullreichen
Zeichnungen) einen faszinierenden und noch-
halligen Eindruck vermillelle. so gebührl
dafür nichi nur dem lniliafiven Veranslaller
und seinem Verhandlungsgeschick Dank.
sondern vor allem zwei praminenien Leih-
gebern. ohne deren außergewöhnliches Enf-
gegenkarnmen eine derarlige Exposilion für
Oslerreich Ulopie bleiben mülile: Felix Klee.
dem um das Erbe seines Vaiers lTilf Umsichl
bemühlen Sohn des Künsllers. und Dr. Werner
Schmalenbach, dem Direklor der Kunsl-
sammlung des Landes Nordrhein-Wesifalen.
der zu den anerkannlcsien Kunslexoerlen
unseres Nachbarlandes zühll.
Eine Paul-Klee-Ausslellung isl für Wien nach
wie vor die willkommene Gelegenheil zur
Deckung eines nur langsam kleiner werden-
den Nachhalbedarfcs an moderner Kunsl.
Den Bildern des Meislers im Original be-
gegnen zu können. rechlferligle sie schon
allein. Die Aklualilül des Werkes. die gerade
heule erneul in überraschendem Maße ge-
geben isl. eröffne! freilich zusiilzliche. liefer-
greifende Perspekfiven und weisl ihr inner-
halb der ösierreichischen Ausslellungsszene
einen Rang zu. der nur in Superlaliven zu
charaklerisieren isi. Daran drlderi auch
nichts die Talsache, daß sich die in Wien
gezeigte Ausslellung mii den - fur uns un-
erschwinglichen - Klee-Relrospekliven von
Bern und Basel quanlilaliv auch nichl an-
nähernd messen konnte.
Was Klee zwischen 1901 und dem Jahr seines
Todes malle und zeichncfe. wurde jedoch als
sehenswerler Querschnill durchwegs an Hand
weseniiicl-iei- und lyoischer Arbeilen vor-
geslelll. Nichl wcnlgcs davon rindei sich in
der Liferafur. in Bildbänden und illuslrierlen
Monographien. die Werk und Leben des
Künsllers zum Gegensland haben.
Man müßle eine nicht endenwollende Auf-
zühlung beginnen. wollle man neben der
Bl LDTEXTE 1- 7
1 ..Luxuria (die Wollusi)". Kupfersiich von
i-i. Cack nach einer Vorzelchnung von
Pieler Breugel d. A.
z Auguslln Hirschvogel (1503 Nürnberg-
1553 Wien), Selbslporlrdl mil Wellkugel
und Tolcngcrippe. 1549. Radierung
(Abbildung 1, z aus der Ausslellung
uzwiscnen Renaissance und Barock" in
der Graphischen Sammlung Alberlina.
Wien)
3 Paul Klee
Die Wiener und ihre Museen
Das Bundesminisleriurvi fur Unlerrichl gibi
bekannl. daß in den ihm unlerslehenden
Sfaaflichen Kunslsammlungen und Museen
in den Monaieri Dezember 1967 47.563 und
Jönner 1968 48.124 Besucher gezahlf wurden.
4 Faul Klee. Raie wcsie, 193a. Kleisler-
farbe. Jule, 65x43 cm (Abb. 3, 4 aus
der Ausslellung Paul Klee irn Museum
des 20. Jahrhundcris. Wien)
s Linde waber, Galgenberg bei Raaaaiien-
Sfein. 1967. Farbholzschnill (aus der
Ausslellung der Künsllerin in der Kleinen
Galerie. Wien) __
6 Clarence E. Giese. Tod. 1961. Ol. 60x
45 cm.
7 Huborl Fischlhammer, Die Wand. Ma-
lerialdruck. 45x32 cm (Abb. 6. 7 aus
der Ausslellung der beiden Kunsller in
der Galerie Slubenbaslei, Wien)