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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 97)

 
iE 8-14 
i KnaPD, Personage 3. Aluminium- 
ur (aus der Ausstellung des in 
in lebenden Künstlers in der Galerie 
e, Munchen) 
1d Klapheck. Die Schönen der 
l. 1967. Öl, '30x70cm (aus der 
walschau des Malers in der Galerie 
irz. Mailand) 
Flucht aus der Partitur. 1967. 
ii Leinwand. 120x140 cm (aus der 
zllung des iungen Malers in der 
ichulverbindung „AmelungicW in 
i 
12 
i 
 
OFFENER BRIEF 
FRIEDRICH HUNDERTWASSERS 
AN DAS POLIZEIKOMMISSARIAT 
WIEN-DÖBLING 
sehr geehrte Herren! 
Ich erfuhr eben. den Ihr Kommissariat ein 
Verfahren gegen mich eingeleitet hat und 
dal) mein Anwalt ein 27. II. zu ihnen geht. 
ich hebe nur rneine Piiichi getan. als ich 
nackt gegen die Verbrechen der modernen 
Architektur autlrdi Ich hatte mich schuldig 
geniachi. wenn ich nicht so gehandelt hatte. 
Da ich ledoch gern ins Gcfangnis kommen 
rnechte. teile ich ihnen rriit. dali ich eine 
Verurteilung unter allen urnstariden anstrebe. 
Eine Geldstrafe werde ich iedech ablehnen 
und dut Gefängnis ader Haft beharren. 
Egon Schiele war auch im Gefangnis. 
Denn ich werde während meiner Inhaftierung 
ein oder mehrere Bilder malen, je nach 
Dauer der Haft; ie langer, desto besser. 
Und ich werde fleißig sein. 
Aus DEM ERLOS DER BILDERABER WERDE 
ICH EIN oDER MEHRERE HAUSER NACH 
MENSCHLICHEN PRINZIPIEN EHRENAMT- 
LlCt-i BAUEN UND AN MITTELLOSE 
WOHNUNGSSUCHENDE SCHENKEN 
KÖNNEN. 
ODER ICH WERDE BEREITS BEWOHNTE 
GRAUSLICt-IE BAUTEN AUF WUNSCH DER 
BEWOHNER UND BEHÖRDEN SO UM- 
GESTALTEN, DASS SICH ALLE WIEDER 
GLÜCKLICH DARIN FUHLEN. 
ODER ABER ICH STELLE DAS GELD FÜR 
GRAS UND WALDBEDACHUNG VON 
HAUSERN UND _GARAGEN ZUR VER- 
FUGUNG, ALSO FUR DIE SCHAFFUNG DES 
ERSTEN STUCKES WIENERWALD AUF DEN 
DACHERN VON WIEN. 
Demzufolge machen sich die Richter. die 
mich verurteilen. nicht inehr so schuldig. 
weil sie durch nieine verurteilung der All- 
gemeinheit dienen. Endlich werde ich im 
aeidngnis rnaien müssen. Sonst komme ich 
nur nach wenig dazu. 
Ich hoffe nur, dall sich die Polizei. Richter 
und Kläger ihrer Verantwortung nicht ent- 
ziehen werden. 
Hundertwasser 
11 Architekturzeichnung von Gerhard Jax 
(Galerie der Ersten österreichischen 
Spar-Casse. Wien) 
11 Hans Arp. Siebdruck. 1959. 70x53 cm 
13 Nicholas Krushenlk. New York, 1965 
entstandene unbetitelte Farblithographie 
(Abb. 11. 13 aus der Ausstellung .,Ars 
muitiuiicdta". Köln) 
14 Norbert Nestler. WDhin geht ihr. 
niegende Bruste. 1967. Ol auf Leinwand, 
138x160 crn (für dieses Bild erhielt der 
Kunstler den Jocinneurri-Kunstprets des 
Landes Steiermark tur zeitgenossische 
Malerei 1967} 
GRAZER KUNSTBRIEF 
Die Alte Galerie am Landesmuseum Joanneum 
zeigte bis Mitte Jdnner eine interessante Aus- 
stellung mit dem Titel "OFIQIFIGI und Kopie", 
die sich mit einem faszinierenden Problem 
der btIdEFidEW Kunst vom 15. bis tief ins 19. 
Jahrhundert auseinandersetzt. Gemeint ist 
die bald freiere. bald ganz worlwortllche 
„Zitlerung" eines Kunstwerks in einem 
anderen: so entlehnt ein eberilalienischer 
Maler vom Ende des 15. Jahrhunderts eine 
Geißelungsgruppe aus einem Stich von 
Mantegna oder der Menegrarnniisl A. A. 
(Wels. Z. Jahrzehnt des 16. JatirhJnderts) 
Stiche und Holzschnitte von Albrecht DiJrer. 
wie ein herrlicher lindenholzgeschnltzter 
Christuskopfdes Nurnbergers Georg schweig. 
ger (1613r1690) beweist, tSl Vctt Sloss fur die 
Bildhauerei das. was DJrer fu'r Malerei und 
Graphik des deutschen Sprachraum; war - 
eine Quelle unausschöpfbarer lnsairatienen. 
Wahrend das „Zltleren" bis zu Anfang des 
19. Jahrhunderts im wesentlichen ohne 
fölscherlsche Absichten geschah. so wird im 
Zeitalter des Historismus gerade diese Gefahr 
immer großer. So galt ein 1902 vom MJSEJVTI 
erworbener hl. Georg als Werk der Zeit um 
1500, wahrend wir es in Wirklichkeit mit 
einem im 19. Jahrhundert entstandenen 
Pasticclo zu tun haben, das Stilelemente des 
gesamten 15. Jahrhunderts verinengt. 
Am 7. Dezember wurde der vielbeqehrte und 
stets umstrittene Joanneum-Kunstpreis ver- 
geben. Der Jury geharlen u.a. unser Redak- 
tionsmilglied Peter Baum und Prof. Dr. N0- 
votny. Direktor der Österreichischen Gote ie 
an. Der Hauptpreis wurde dem bis dato kaum 
in Erscheinang getretenen G'G!Et' Kunst- 
erzieher Norbert Nestler (geb. 1912 in Wien) 
zugesprochen, den Kastner-und-Ohter-Kunst- 
preis erhielt bereits zum zweltewrnal Johann 
Fruhmann. wcthrcnd Gemalde von Hannes 
Schwarz und Marlo Declcva zum Ankauf 
vorgeschlagen wurden. Die Zuerkennung 
des Joanneum-Kunstpretscs a1 Nestler fur 
das Monumentalgemrilde ..wdhin geht ihr, 
fliegende Brüste" tdnd keineswegs allgemeine 
Zustimmung; in der Tat konnte man Nesller 
einen trockenen, akademischen Eklekllztsmts 
verwerfen. der sich an mehreren bereits 
historisch gewordenen Kunststruriingei des 
20. Jahrhunderts inspiriert und lediglich durch 
die frivole Titelgebung dem Geist des Tages 
Tribut zollt. Erfreulich ist aber aufladen Fall, 
daß keine der alteingesessenen Standard- 
grdraen zuin Zuge kam (Abb. 14). 
Mitte Dezember wurde in der Grazer Gang- 
galei-ie eine Ausstellung von 31. Aeierellen 
des 1880 geborenen. aus Oldenburg ge- 
bürtigen, seit einem Menschenalter aber in 
Peltau ansässigen Malers Jan Oelljen ge- 
zeigt. Damit wurde ein noch lebender Kunst- 
ler der Vergessenheit entrissen. die er sich 
wahrhaft nicht verdient hat. Ocltien blieb in 
Pettau (heute Slowenien. froher unter- 
steiermark) „hüngen", als er Elsa Kasirnir. 
die Schwester des zu rascher Beruhmtheit 
gelangten Radierers Luigi Kasirnir. irn Jahre 
1910 heiratete. Etsa Kasimir gehorle in Wien 
dem Kreis um Kokoschka an. ihr ebenfalls 
valiig vergessenes werk sieht unter stdrkstem 
Einfluß der Wiener Maler des Jugendstils 
sowie Kokoschkas. Oeltlen war watirend des 
Kriegs mit Heckel und Schmidt-RottluFf sowie 
mit Anton Lehmbruck eng befreundet. Seine 
I-ICIIJDISCitCÜfCFISDGYIOÜC liegt in den zwanziger 
Jahren. in denen er einem leidenschaftlichen. 
farbig-dynamisch gesteigerten Exorcsslonis- 
rnus nachgeht. Erst seit vielleicht Zwcl lehr- 
zehnten wird der EIVYIIJÜ des Spotwcrkes von 
Kokoschka evident. die Palette lichtet sich zu 
pastellarlig leichten. leckeren Farben. Die 
Komposition wird diffus. das Lurnlnlstlsche 
siegt über das Formale 
Rein lhernenmatlig hat Oeltien kaum ie etwas 
anderes gemalt als die Wahlheimat Pettau 
und ihre Menschen. Er ist kein Mann des 
Details. sondern ein Adept lcncs Pdthds bei- 
nahe barocker Art, der welle Horizonte, hohe 
Himmel und tiefe BIIÜVGJFHE liebt. So sehr 
die Pettauer Landschaft vermochte. ihn zu 
l-tochstieistuogen anzuspornen. so stark 
hinderte sie den Künstler, in weiteren Kreisen 
bekanntzuwerden: Pettciu istcben - leider r 
nur „Hinterland" und das heute mehr denn ie. 
Oeltien, ein ,.reiner" Künstler in iedem Sinne 
des Wortes. hat alle Ereignisse zeitgeschicht- 
llcher Natur ohne größere Schäden liber- 
standen und lebt auch heute noch wie seit 
Jahrzehnten in seinem sudsteirtschcn Bauern- 
Blockhauschen am ostllchen Stadtrand von 
Pettau. Nach Redaktlonsschluß erfahren wir. 
ddii O jen Mitte Februar in Pettau verstor- 
ben ist. 
Das Forum Stadtpark zeigte zwei wichtige 
Ausstellungen; eine davon brachte Relief- 
bilder und Farbzelchnungen von Christian 
Ludwig Attersee heraus, die andere stellte 
Gouachen und Zeichnungen von Franz Ringel 
zur Diskussion. Attersee gehört zu ienen im 
Fahrwasser amerikanischer Strömungen mit- 
schwimmenden Künstlern. die es sich zur 
Aufgabe gestellt haben. den Zivilisations- 
betrieb, im besonderen die Ptakatwerbung 
von heute, zu demaskiercn und zu ocrsltlieren. 
Kitsch, Bluff. Mcinipulierenwollen sind die 
Hauetingredienzien der Reklame van heute: 
ihre Folgen sind die Zerstörung der Sprache 
("schmeckt international", Hschaumge- 
bremst". ..leuchtfrisch") und des Menschen, 
der zur grinsenden Pirl-up-Girl-Puppe und 
allen übrigen Karretaten herabgewürdlgt 
wird. tn diesem Sinne sind Attersees Bilder in 
betont zuckerlsuß-hirnineiblau-resarelen Far- 
ben gehalten und strotzen vor banalen wider- 
sinnigkeiten, aber auch vor tieterer svrnbeliki 
am iietsten beeindruckt hat uns eine Arbeit. 
in der drei manikürte Finger einer Damen. 
handrnitgrellrdtern Nagellackin zahnstocher. 
 
durchspießte Bernerwttrstchen verwandelt 
werden. Jedenfalls ist Attersee (freiwillig oder 
unfreiwillig) Moralist und als solcher in ge- 
wissern Maße mit stenvert zu vergleichen. 
Ringels Kreationen sind Provokation an sich. 
Der lunge Künstler produziert ganze serien 
grausig unappetitlicher. zumeist iivehdlilscher 
Mdnnchen. die in aggressiv unverscharnler 
Weise ihre Notdurft u. dgl. verrichten und am 
ehesten noch mit den armen wahnsinnigen 
verglichen werden konncn. die mon in der 
gJten, alten Zeit in Kotter zu sperren pflegte, 
um sie der volligen verlierun; anheimzu- 
geben. Der Melvertrag Ringels ist ebenso 
wüst wie die Bildinhalte: bei ihm tSl das 
Kunstwerk sicherlich das Produkt einer 
totalen Enthemwiung: Sexwelle aus der 
untersten Schublade 
Die Neue Galerie am Landesmuseum Joan- 
neum hatte die „Galerie nachst St. Stephan" 
zu Gast gebeten. Was gezeigt wurde. war 
grundsätzlich nichts Neues und auch nichts 
Autregendes - alles WlC gehabt. Aus der 
Masse der heute sehen abgestanden und 
durchschnittlich wlrkewde1 Produktion ragen 
die Leistungen zweier Kunsller hervor: 
Arnulf Rainer und Andreas Urtell_ beide echte 
Dämowenbeschworer mit packender Aussage- 
kraft Aber selbst Rainer wirkt von antiquier- 
ter Bravhelt, wenn wir an Rlngels Monstren 
denken, die sich immer wieder auf ihn be- 
ruten. und die Begegnung rnit dern wenigen, 
das von Urteil zu sehen ist. macht einem 
wieder einnnal schmerzlich klar. was wir an 
ihm verloren haben. Bemerkenswert die 
Tatsache, daf! Msgr. Mauer auf dem Katalog- 
deckel nicht weolger als neunundvierzigrnai 
abgebildet ist r ein Zug echter Bescheiden- 
eit. 
Die Galerie 16 gedenkt des 1964 verstorbenen 
Malers Kurt Weber, der ein echtes Universal- 
taten! war und wie so viele Grazer Kunsller 
seiner Generation seine Anregungen un- 
mittelbar und umueqlos aus Paris bezog. 
Weber kommt vom Kubismus her und setzte 
sich in den letzten Jahren seines Lebens mit 
der informellen Kunst auseinander. Er ist 
reiner Formallst und Asthct, dem das „Bild 
an sich" ein Hauptanliegen ist. Die 25 Gou- 
achen der Ausstellung beweisen den hohen 
sittlichen Ernst, aus dem heraus sein Schaffen 
verstanden werden will. Dem totalen Sich- 
gehenidssen der liingeren steht ein geradezu 
klassisches Maß an selbsizucht gegenüber. 
Am 11. loriner trat im Grazer Rathaus die 
Jury zusammen. die über die im Rahmen des 
Kunstförderungspreises 1967 eingereichten 
weiibewerbserbeiten zu einer Grazer Mappe 
zu entscheiden hatte. 1958 war ein derartiges 
Maeaenwerk von Hans rrenius geschaffen 
werden. das langst vergriffen ist. Es war 
selbstverstandllch, daß Fronius in die Jury 
berufen wurde: neben ihrn rungierten die 
Kunstkrtliker Prof. Johann Muschik (Wien) 
und Dr. Heribert Schwarzbauer (Graz) sewie 
Damen und Herren des Grazer Gemeinde- 
rates. Der erste Preis wurde Michael Couden- 
have-kalergi zuerkannt. der wieder einmal 
seine Begabung als Deuter und Transkriptor 
unter Beweis stellte. Da sich die Jury über die 
Vergabe eines zweiten und dritten Preises 
nicht zu einigen vermochte, wurden insge- 
samt vier Elnzelblötter von ebensovlelen 
Künstlern aus den eingereichten Maeaen 
zurn Ankdut vorgeschlagen. 
Nun noch ein Wort zur Anstellung Ernst 
Christian Moser, die von der Neuen Galerie 
im Grazer Künstlerhaus veranstaltet wurde; 
Moser lebte von 1815 bis 1867 und ist damit 
ein genauer Generattonsgenosse van iahann 
Baptist Reiter. der ihn allerdings lang über- 
lebte. Moser studierte an der Wiener Akade- 
i-nie. kunstierisch blieb cr zeit seines Lebens 
wieder. an dessen wiege Waldmuller, 
Amerllng. Danhauser und Fendl standem Die 
Grazer Ausstellung zeigt zahlreiche Porträts, 
einige Genrebllder und ein einziges Historien- 
blld. Sie bezeugt den hohen Rang, der dem 
heute fast vallig vergessenen Kunstler zu- 
kommt. Vieles kOTt zum erstcnmal ans Licht 
der Oifentlichkeit. dewn die Familien, für die 
Moser arbeitete. sind heJte noch existent und 
h' en ihr Kunstgut mit Liebe und Eifersucht. 
Moser selbst starb nach einem miserablen 
Leben als Korrektor an der Landeszeichen- 
schule eines jammerllchen Todes - letztlich 
ein Opfer schulinterner Intrigen (die es nach 
den Ausfuhrungen von LHStV. UniiA-Prcif. 
Dr, Koren heute nicht mehr geben soll). 
Ernst Koller 
Wiener kunstschule : künstlerische volks- 
hcchschule. Wien 
Auf Einladung des Präsidenten der Section 
BEAUX Arts der Assaciatidn Artistlque de 
la Prefecture de Police in Paris über das 
österreichische Kulturinstitut in Paris, Doktor 
G. l-Iohenwart. hat die Wiener Kunstschule 
Z5 Bilder zu der Ausstellung in den XXe Salon 
im MUSFE MUNICIPAL UART MODERNE 
gesandt. 
Folgende osterreicher wurden prömilert: 
Albert Halter (mädallle de bronzede Monsieur 
Ie Prefect de Police); Karl Winter (medaille 
d'argent du consetl munlclDaUi Heinz Peter 
Müller (medaille d'argent de l'A. A. P. F5). 
Aus einem Bericht der Künstlerischen Volks- 
hochschule und Wiener Kunstschule für das 
Sommer- und wintersernesier 1967 geht 
hervor. daB die 460 Kurse der künstlerischen 
Volkshochschule und die s Schulen der 
wiener Kunstschule von 183.452 Hdr-i-n 
bzw. 23.207 besucht waren. Im selben zeit- 
raurn gab esßlü Veranstaltungen und Vorträge 
und drei Ausstellungen. 
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