Beziehungen der Weltgeschichte entstanden,
angezogen wird.
An der Schwelle der Neuz t war der
Blick des posthussitischen Bohmens vor-
wiegend zurück in die Zeit gerichtet, hinter
welcher der Vorhang der Geschichte bereits
gefallen war. An die Spitze des Landes im
Zentrum Europas, das schon endgültig
seine bisherige Schlüsselstellung verloren
hatte, kam in dieser kritischen Zeit der
Sohn des polnischen Königs Kazimierz IV.,
der fünfzehnjährige Jüngling Wlladislaw.
Die ungeordneten Verhältnisse des posthus-
sitischen Böhmens (die auch König (ieorg
nicht befriedigend zu ordnen imstande
13-4A
war), die langwierigen und ermüdenden
Streitigkeiten mit dem rücksichtslosen Ri-
valen Matthias Corvinus, das alles würde
genügen, die Stellung auch des stärksten
Herrschers zu erschüttern. Im llalle Wladi-
slaws handelte es sich noch dazu um eine
Persönlichkeit, deren psychische Einstellung
zu keinem zielbewußten autnritariven Re-
gieren bestimmt war. Noch dazu lag das
Spezifikum der Verhältnisse im Böhmen
der 2. Hälfte des 15. jahrhunderts in der
ständig wachsenden Macht der Adels-
oligarchie. Der katholische König konnte
natürlich für die Bedürfnisse des bis jetzt
mit der Reformationsidenlogie durchdrun-
genen Landes kein Verständnis haben. Ein
ausdrueksvoller Beweis dessen ist z. B.
auch der Aufstand des Prager Bürgertums
(1483i1484), der direkt gegen seine Per-
son geführt wurde, was allgemein als der
l-lauptbeweggrund von Wladislaws Bautätig-
keit angenommen wird (unmittelbar nach
dem beendeten Aufstand hat der König seine
Residenz von der Altstadt auf die Prager
Burg verlegt). Neben diesemäußeren Um-
stand waren hier jedoch i es sei besonders
betont i zweifellos Absichten einer höhe-
ren ideologischen Motivierung bestimmend,
denn sie hingen i wie aus dem Wleiteren
hervorgeht i sowohl mit den Tendenzen der
damaligen europäischen Politik als auch mit
dem bexxußten Anknüpfen an das Vorbild,
das Kaiser Karl IV. repräsentierte, zusammen.
Das Ziel aller Kunsttätigkeit, hinter der
König Wladislaw als Auftraggeber stand,
war in erster Linie eine prächtige Reno-
vation der königlichen Residenz in Prag
(was in einer derart umfassenden Weise
seit den Zeiten Kaiser Karls IV. nicht ge-
schehen ist). Somit stand die Architektur
ganz selbstverständlich an erster Stelle.
Der Sitz der böhmischen Könige wurde
großzügig neugestaltet: die neue Burg-
bcfestigung nach modernsten fortifikatori-
sehen Grundsätzen und der Umbau des alten
Palastes aus der Zeit Karls IV. durchge-
führt i wobei sich das Interesse vor allem
auf den Repräsentationsteil mit dem gran-
diosen Thronsaal richtete i und sogar die
Bauheendigung der Burgkathedrale St. Veit
beabsichtigt. So kommt es zur Gründung
der Bauhütte (zur Erfüllung der außer-
ordentlich anspruchsvollen Bestellungen
dientcn, außer den einheimischen Stein-
metzen, vor allem aus benachbarten Gebie-
ten berufene Meister), in deren tatkräftiger
Umgebung ein wahrer Konkurrenzkampf
herrschte, in dem zuletzt der geniale Bene-
dikt Ried siegte, während die mehr kon-
servativen Meister auf die königlichen
Landbauten verdrängt wurden. An erster
Stelle war es llans Spyss von Frankfurt,
ein rein spätgotischer Meister, Schöpfer des
herrlichen, mit prächtigem und dekorativ
wirkendem Ast- und Wurzelwerk be-
deckten Oratoriums (Abb. 2) sowie der
3 Benedikt Rind, Prag. Koniglirlier Palzm auf der Burg,
(Jcsamvtansitlil kiLT Nonltruni. w:
4 Benedikt tut Prag, Tllfullärili des Königs Wladi-
slnw ll.. beendet Hin
Anfangsphase der Arbeiten am Palast mit
dem königlichen Audienzzitnmer, der mit
seiner Steinmetzengefulgsehaft auf die
Königsburg Pürglitz verdrängt wurde.
In dem ursprünglichen Befestigungsarehi-
tekten Benedikt Ried, der aus der nieder-
bayerischen Region kam (wie neuestens
Fehr mit aller Wahrscheinlichkeit nach-
weist, soll Ried nach Prag von Wladislaxivs
Schwager Georg dem Reichen, Herzog zu
Landshut, geschickt worden sein), wurde
ein Künstler erkannt, der uneingeschränkt
die hochgesteckten Forderungen des Auf-
traggebers zu realisieren imstande war.
Der geniale Meister, Architekt-Entwerfer
im neuzeitlichen Sinn, wurde vom König,
wie bekannt, zum Zeichen seines Wohl-
wollens in den Adelsstand erhoben. Bei
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