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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 97)

dieser bedeutungsvollen Anerkennung spiel- 
te der monumentale Wladislaw-Thronsaal 
(Abb. 4), dessen scheinbar unlösbare 
technische Probleme die Souveränität des 
schalfenden Gedankens meisterte, eine ge- 
wisse Protagonistenrtille. So verflechten 
sich bei ihm nicht nur das Alte harmonisch 
mit dem Neuen 7 das Gotische mit 
dem Renaissancehaften -, sondern es 
wurde buchstäblich ein neues achitekto- 
nisches Phänomen gebildet. In der Lite- 
ratur wurde es schon angedeutet (Fehr), 
daß die Schleifensterngewölbe Rieds in 
der Sn-Barbara-Kirche zu Kuttenberg 
(Abb. 8) ein widerspiegeln der Gedanken- 
strömungen des zeitgenössischen Huma- 
nismus sein könnten. Noch mehr kann 
man solche Ideen in der Gestaltung des 
Gewölbes im Wladislaxia-Saal (Abb. 7) 
erkennen, wo die dynamischen Kurven 
der Bogenrippen die Vorstellung der 
Himmelskörperbewegungen im Weltall 
wahrhaftig hervorrufen, die die künstle- 
rische Vorankündigung dessen wären, was 
ein halbes Jahrhundert später Kopernikus 
Wissenschaftlich formulierte. Damit hängt 
auch das Vorkommen der relativ reinen 
Renaissanceformensprache zusammen (am 
Prager Palast, Abb. 3, besonders in seinem 
Thronsaal), die die Beziehungen mit der 
Residenz 4 mit ihrem ganzen humanisti- 
schen Milieu 4 zu Ofen, die im Jahre 1490 
Wladislaws Erbe geworden ist, vermittelt. 
Das Vorhandensein dieser Ideen überrascht 
eigentlich nicht. Ofen hörte nicht auf, auch 
unter Wladislaw der Sitz der weisen Hof- 
humanisten der Gesellschaft „Sodalitas 
Danubiana" zu sein, in deren Zentrum 
man Belehrung finden konnte und von wo 
manche Inspiration ausgegangen ist. VUladi- 
slaws Prager Hofarchitekt schöpfte hier sein 
Erkennen der Gestaltungsgrundsätze des 
fortgeschrittenen italienischen Quattrocento 
(wir erwähnen hier namentlich den Wir- 
kungskreis von Luciano da Laurana, be- 
sonders sein Schloß in Urbino für Fedetigru 
da Montefeltre). Bis jetzt wurde der Um- 
stand nicht in Betracht gezogen, daß sich 
die Hauptetappc der Bautätigkeit in Prag 
eben in der Zeit verwirklichte, als Wladi- 
slaw für ständig nach Ungarn zog, von wo 
aus er mit überraschender Zielbewtißt- 
heit die Prager Burg zu einem Staatssymbol 
ausbauen ließ. 
Als Schlüssel zu der bisher verschlossenen 
Welt der zumeist verborgenen Herrscher- 
wünsche dienen die Wandmalereien der 
SL-Wenzels-Kapelle in der Prager Burg- 
kathedrale (Abb. 5). Erstaunlich ist, daß 
sie bis heute mit der Persönlichkeit des 
Königs als Auftraggeber noch nicht in Vcr- 
bindung gebracht wurden. Die Malereien 
in dem sakralen Raum von höchster natio- 
nalcr Bedeutung (die Kapelle befindet sich 
über der Grabstelle des Landespatrons, des 
heiligen Vifenzel) waren, außer dem oben er- 
wähnten hervorragenden Spyss-Oratorium, 
offensichtlich ein weiteres Glied in der 
Verwirklichung der imposanten Königs- 
pläne, die die SL-Veits-Kathcdralc betrafen 
und die der Aufbau des Langhauses krönen 
sollte. Der ausgedehnte Zyklus mit etwa 
dreißig Szenen aus dem Thema der Wen- 
zels-Legcndc, einschließlich der die ganze 
Westwand einnehmendcn Szene von der 
Ankunft des Fürsten Wenzel auf dem 
Regensburger Reichstag, deren Pendant die 
überlebensgroßen Gestalten Wladislaws mit 
 
h Anomm. gr-ii. Meister des Leitmeritzer Alm. mit 
SCiHCT w um, Wandmalerei m der SL-Wenzels- 
Kilptlle tIUY I rager Bllrgkalhedrillt, Arikurirr des Fürsten 
Wenzel im lkcgemburger Reichstag, Ausschnitt mit 
Heinrich llCH! Finken V01" 1509 
Königin Anna de Foix-Candalle vorstellen, 
bedeutet ein Dokument, in dem man lesen 
kann. Es spricht außerdem von dem Be- 
streben des scheinbar ganz aprogrammati- 
schen Herrschers, sich mit dem großen 
Vorbild Kaiser Karl IV. ausgleichen zu 
wollen, mit dem er sogar blutsverwandt 
war. („Unser Ahn und Urgroßvater Karl" 
kann man in den zeitgenössischen Urkun- 
den lesen.) i Für ein Mitglied der katholi- 
schen Dynastie der Jagellonen, das von 
einem fremden Hofe nach Prag kam, lag es 
nahe, bei diesem großen böhmischen Herr- 
scher von europäischem Rang eine Stütze zu 
suchen. Beweist diesen Umstand nicht viel- 
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