Mittelkuppcl. Ferner ist die Häufung der
Evangelienlesungen um das Epiphaniefest
und seine Nachfeier für die frühmittelalter-
liehen Perikopenlisten, von denen auch
Lambach mindestens eine besaß 29, als
Parallelerscheinung zur Gegenstandsaus-
wahl auffallend, ohne daß stringente Über-
einstimmungen zwischen Perikopen- und
Bildordnung nachweisbar wären. Inhaltlich
verbindlich sind die Bibel und ihre Exegese,
das Magierspiel, die Verarbeitung apo-
krypher Elemente und der jüdische Schrift-
steller joscphus Flavius (37-um 95 n. Chr.),
bzw. der sogenannte Hegesippus, eine dem
4. Jahrhundert angehörende lateinische Be-
arbeitung seines Bellum Iudnirum.
Es ergibt sich folgende Übersicht der Dar-
stellungen (Abb. 2).
1 lllagier vor Hernde: und den Xrbrgflgelebrten 30.
ln einer konzenttisch angeordneten Archi-
tektur, welche Jerusalem mit dem Königs-
palast darstellt, thront Herodes, zu seiner
Linken die fragenden Magier, gegenüber
die urutaliv propbetiae (Erforschung der
messianischen Weissagungen) durch die
xrihae (Schriftgelehrten), von denen der
vorderste das aufgeschlagene Buch des
Propheten hält. Von einer Zinne gibt ein
kleiner Dämon dem König die Einflüste-
rung zu seinem heuchlerischen Ansinnen
an die Magier.
2 Zug der Alagier mil dem Xlernll. Sie sind
zu Fuß unterwegs, erblicken und weisen
auf den Stern, der sich über ihnen in der
Kuppelmitte befand (jetzt Fehlstelle, Strah-
lenreste).
3 Huldzlgung der Älngiern. Die Szene ist in
kontinuierlicher Erzählung zu 2 gegeben.
Die Weisen nahen, vom Sternenengel ge-
leitet, der frontal thronenden Maria mit
Kind im Akt der oblalio (Darteichung von
Gold, Weihrauch und Myrrhe). Hinter der
Thronlehne der Theotokos zwei nicht
nimbierte Frauen, wohl die ohrletrire: (Heb-
ammen) des lateinischen Magierspieles,
das diese Frauen aus der apokryphen Ge-
burtslegende in einen neuen gegenständ-
lichen Zusammenhang transponiert: sie
haben im Text des Wechselgesanges Zeug-
nisbedeutung für die Epiphanie des Kindes
vor den Magiern. Zur Linken der Mutter-
gottes stehende, nimbenlose Frau ohne
erkennbares Attribut: vielleicht die eralexia
ex (gentibu: (Heidenkirche), die mit der Epi-
phanie Christi vor den Magiern als Erst-
lingen des Heidentums ins Dasein tritt. In
gegenständlichem Zusammenhang stehen
die vier bis jetzt als ornamentale „Scheiben"
angesehenen fragmentierten Gebilde in den
Zwickeln der Mittelkuppel, die nunmehr
als brennende Büsche (Symbole für Chri-
stus, Maria und auch Ecclesia) identifiziert
werden.
4 Engel errrbeint den Alagiern im TraumJ-l.
Szene schließt an die Ecclesia-Figur von 3
an: die Magier auf Bcttstatt liegend, den
Kopf auf die rechte Hand gestützt. Rechts
erscheint der warnende Engel.
5 Heirrzkeljr der Magieru. Sehr stark frag-
mentiert. Ausnehmbar sind Teile von drei
Reitern. Der erste passiert in der Kehre das
Stadttor von Bethlehem, die beiden anderen
folgen.
6 Darrlellurig jem im Tempel35. Sehr stark
fragmentiert. Vor einer durch Arkaden
aufgelösten Tempelarchitektur von links
nach rechts: stehende Figur (Oberteil zer-
stört), wahrscheinlich Joseph; es folgt
Maria, welche das Kind über einen Altar
hin Simeon reicht. Die Prophetin Anna ist
nicht eindeutig gesichert, möglicherweise
stand sie rechts von Simeon. Auf Grund
des von E. Bacher über dem Altar auf-
gefundenen Schriftfragmentes S(C)D
VER(B)V(M) TVVM IN P(AC)E16 schei-
det die Möglichkeit einer Deutung der
Szene als Berrbneidung aus.
7 Szene im linken unteren Teil fragmen-
tiert (Abb. 3). In der Bildmitte hingestürz-
ter Herrscher; dem die Krone vom Haupte
fällt; sein Globus ist - schwach ausnehm-
bar H nach rechts weggerollt. Ein Ver-
gleich mit dem Herodes in i legt nahe, daß
es sich hier um den judenkönig handelt.
Zwei Höflinge bemühen sich um den Ge-
stürzten. Er blickt zu einem erhöht thro-
nenden Herrscher empor, der am linken
Bildrand dargestellt ist, eine Bügelkrone
trägt, in der Rechten ein Langszepter und
in der Linken einen dreigeteilten Globus
hält (Umschlag: Detail). Zur Rechten der
ThronFigur ist in Resten die Gestalt eines
Schwertträgers ausnehmbar. In der rechten
Bildhälfte beFmdet sich eine Gruppe von
zwanzig Männern, die, mit einer Ausnahme,
alle zum Thronenden schauen. Von ihm
verlaufen drei weiße Strahlen zu dem Chor
der Männer, von denen sich einige durch
Hochheben der Arme abschirmen. Am
oberen Bildrand befindet sich ein abge-
schatteter Kreis oder eine Kugel (Sphaira
oder Luna?)37.
Deutungsmöglichkeiten:
Herode: zwar Augurlur. In Abwandlung der
geschichtlichen Überlieferunglß läßt die
Bibelexegesel") Herodes wegen der An-
klagen seiner Söhne von Augustus nach
Rom zitiert werden. Schwierigkeiten er-
geben sich durch die Tatsache der auch
hier aktiven Rolle des Königs und des für
ihn positiven Ausganges der Episode.
Turbalio Ileradi: (Erschrecken des Herodes).
Der Bericht des Evangelisten") wird in
der Exegese und in Hymnen seit früh-
christlicher Zeit" behandelt. Herodes uncl
die Männer von Jerusalem erschrecken bei
der Ankündigung des neugeborenen
Königs. In der bildlichen Ausdeutung
dieses Inhalts wird in dramatischer Weise
die Erscheinung jenes Herrschers imagi-
niert, vor welchem Herodes, in seinem
profanen Irrtum befangen, stürzt.
Die größere Wahrscheinlichkeit dürfte bei
der turbalio liegen. Es ist darauf hinge-
wiesen worden 41, daß hier über den Evan-
gelientext bzw. seine Exegese hinaus die
Vorstellung des gerechten Herrschers als
Richter über den Tyrannen mitintendiert
sein könnte. Als ein Hauptproblem der
mittelalterlichen Staatslehre43 Wäre sie der
A?
4 Lambzch. Stiftskirche: chcnuligcr Westchx
Szcncnfcld w: Traum des jowcph
ANMERKUNGEN 29 - 43
39 Wien, Üstcrr, NlL-Bibi" Cod. 3er. nov. 3601, fOl. 25.1
chem. Lambach ftsbibL, Cod. pcrg. LXXV. Evangclinr
mit Capitulzn. ach liliisachoß" u. Mitte du's IX. lhdrs.
im mirllcrcn Frankreich cnlslandcn; das Cnpicularc stell!
uinc flänkisrh trwcitcn: Lisll: drs Typus ).' du! Klzuszf-
schen Slcmmala dar (Mitteilung von Th. Klzuscr, Bonn).
771. Klnuscr, Das komische Czpilulazc Evangeliorum
(Lilurgiegcsclzichlliche Qucllcn und Forschungen 2B),
Munstcr in WCSlf. 1935, S. 9351:], A. urgqwlnrm, Die
Nachfcicr von Epiphanic im Missale 1 omnnum, in:
Zcilschr. f. kalh. Theologie 66 (1942). Heft l, 39746;
IlThivnl. in: Würlb. Diözcsangcschichlsbl" n. a. O. S. 65K.
Ferner die ungcdruckle Liunliatsarbeil am Collrgio
Intern. s. Ansclmo bei Kamins Hallingcr von 1. Gengz
SOC Christus Rcx sicut dcpingitur in lmaginibus
m
.u
.11
u
u
so
n
Lambzccnsibus sacculi XI cxcunlii. Romar 1965. p. 91T.
Gange arbeitet an einer Auswcilung mm Thes zu
cinzr Dissertation über die lilurgiegeschichtlichen Vor-
aussetzungen des Lambzchcr reskenzyklus, in welcher
u.a. nicht nur das vollstindi - Lambacher Capizularc,
sondern auch das Magicrspicl cdlcrl werden snllen.
[Hanhnms 2. l 4 B.
Mallhnnl: 2. 9- 10.
Mattlmela: 2. 11.
Manhaeux 2. I2.
Maxrhaeu: 2. 12.
Lums 2. 22-38.
Lum: 2, 29.
v. E. s hramm (Göttingen) vcnxeist mich m 7 aller-
dingspilcrc _ Sicgel-Dantcllungnm thronendcr Hcnscher
mit Sonnc und Mond, z. B, bei Otto IV. O. Pnsst. Div:
Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 75171806.
l. Dresdirn 1909. p. 13, Taf. 24H. Auf den Sivgcln H5 -
richs lV., ebenda, Taf. 16 und 17 und Triuks. a.a.O..
Taf. 173 fehlen sie.
m juxephus. um. um. i. qp. 2a. _ _
3' Petrus Cmrlzslur, l-hswnii schnlaxtlca. 1.1 cvungclu XI
(Mignz, Parrnl. m. 198. 1543).
4" Mnnhaeu: 3. 3.
" Z. B. bei A Jutinus. Scrmo (IC (illigrxe, Patrol. lat. 33.
1029); Sedulizix, Hymnus Hosris Herodes. abgedruckt u.
kornmcmivrr bei j. Knyxzr, Beiträge zur Geschichte und
Erklärung dcr ältcstcn Kirchcnhylnncn 11, Paderborn 1881,
. 366ä383.
ü er Historiker W. Hullznmnn in der an mein Referat in
der Bihl. Hcrtzianz in Rom am 12. Mai 1961 anschlie-
ßenden Diskussion.
U P. E. Stllmnlm. Die deutschen Kaiser und Könige in
Bildern ihrer Zeit i. Btrlin 1923. S. 113.