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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 99)

Mittelkuppcl. Ferner ist die Häufung der 
Evangelienlesungen um das Epiphaniefest 
und seine Nachfeier für die frühmittelalter- 
liehen Perikopenlisten, von denen auch 
Lambach mindestens eine besaß 29, als 
Parallelerscheinung zur Gegenstandsaus- 
wahl auffallend, ohne daß stringente Über- 
einstimmungen zwischen Perikopen- und 
Bildordnung nachweisbar wären. Inhaltlich 
verbindlich sind die Bibel und ihre Exegese, 
das Magierspiel, die Verarbeitung apo- 
krypher Elemente und der jüdische Schrift- 
steller joscphus Flavius (37-um 95 n. Chr.), 
bzw. der sogenannte Hegesippus, eine dem 
4. Jahrhundert angehörende lateinische Be- 
arbeitung seines Bellum Iudnirum. 
Es ergibt sich folgende Übersicht der Dar- 
stellungen (Abb. 2). 
1 lllagier vor Hernde: und den Xrbrgflgelebrten 30. 
ln einer konzenttisch angeordneten Archi- 
tektur, welche Jerusalem mit dem Königs- 
palast darstellt, thront Herodes, zu seiner 
Linken die fragenden Magier, gegenüber 
die urutaliv propbetiae (Erforschung der 
messianischen Weissagungen) durch die 
xrihae (Schriftgelehrten), von denen der 
vorderste das aufgeschlagene Buch des 
Propheten hält. Von einer Zinne gibt ein 
kleiner Dämon dem König die Einflüste- 
rung zu seinem heuchlerischen Ansinnen 
an die Magier. 
2 Zug der Alagier mil dem Xlernll. Sie sind 
zu Fuß unterwegs, erblicken und weisen 
auf den Stern, der sich über ihnen in der 
Kuppelmitte befand (jetzt Fehlstelle, Strah- 
lenreste). 
3 Huldzlgung der Älngiern. Die Szene ist in 
kontinuierlicher Erzählung zu 2 gegeben. 
Die Weisen nahen, vom Sternenengel ge- 
leitet, der frontal thronenden Maria mit 
Kind im Akt der oblalio (Darteichung von 
Gold, Weihrauch und Myrrhe). Hinter der 
Thronlehne der Theotokos zwei nicht 
nimbierte Frauen, wohl die ohrletrire: (Heb- 
ammen) des lateinischen Magierspieles, 
das diese Frauen aus der apokryphen Ge- 
burtslegende in einen neuen gegenständ- 
lichen Zusammenhang transponiert: sie 
haben im Text des Wechselgesanges Zeug- 
nisbedeutung für die Epiphanie des Kindes 
vor den Magiern. Zur Linken der Mutter- 
gottes stehende, nimbenlose Frau ohne 
erkennbares Attribut: vielleicht die eralexia 
ex (gentibu: (Heidenkirche), die mit der Epi- 
phanie Christi vor den Magiern als Erst- 
lingen des Heidentums ins Dasein tritt. In 
gegenständlichem Zusammenhang stehen 
die vier bis jetzt als ornamentale „Scheiben" 
angesehenen fragmentierten Gebilde in den 
Zwickeln der Mittelkuppel, die nunmehr 
als brennende Büsche (Symbole für Chri- 
stus, Maria und auch Ecclesia) identifiziert 
werden. 
4 Engel errrbeint den Alagiern im TraumJ-l. 
Szene schließt an die Ecclesia-Figur von 3 
an: die Magier auf Bcttstatt liegend, den 
Kopf auf die rechte Hand gestützt. Rechts 
erscheint der warnende Engel. 
5 Heirrzkeljr der Magieru. Sehr stark frag- 
mentiert. Ausnehmbar sind Teile von drei 
Reitern. Der erste passiert in der Kehre das 
Stadttor von Bethlehem, die beiden anderen 
folgen. 
6 Darrlellurig jem im Tempel35. Sehr stark 
fragmentiert. Vor einer durch Arkaden 
aufgelösten Tempelarchitektur von links 
nach rechts: stehende Figur (Oberteil zer- 
stört), wahrscheinlich Joseph; es folgt 
Maria, welche das Kind über einen Altar 
hin Simeon reicht. Die Prophetin Anna ist 
nicht eindeutig gesichert, möglicherweise 
stand sie rechts von Simeon. Auf Grund 
des von E. Bacher über dem Altar auf- 
gefundenen Schriftfragmentes S(C)D 
VER(B)V(M) TVVM IN P(AC)E16 schei- 
det die Möglichkeit einer Deutung der 
Szene als Berrbneidung aus. 
7 Szene im linken unteren Teil fragmen- 
tiert (Abb. 3). In der Bildmitte hingestürz- 
ter Herrscher; dem die Krone vom Haupte 
fällt; sein Globus ist - schwach ausnehm- 
bar H nach rechts weggerollt. Ein Ver- 
gleich mit dem Herodes in i legt nahe, daß 
es sich hier um den judenkönig handelt. 
Zwei Höflinge bemühen sich um den Ge- 
stürzten. Er blickt zu einem erhöht thro- 
nenden Herrscher empor, der am linken 
Bildrand dargestellt ist, eine Bügelkrone 
trägt, in der Rechten ein Langszepter und 
in der Linken einen dreigeteilten Globus 
hält (Umschlag: Detail). Zur Rechten der 
ThronFigur ist in Resten die Gestalt eines 
Schwertträgers ausnehmbar. In der rechten 
Bildhälfte beFmdet sich eine Gruppe von 
zwanzig Männern, die, mit einer Ausnahme, 
alle zum Thronenden schauen. Von ihm 
verlaufen drei weiße Strahlen zu dem Chor 
der Männer, von denen sich einige durch 
Hochheben der Arme abschirmen. Am 
oberen Bildrand befindet sich ein abge- 
schatteter Kreis oder eine Kugel (Sphaira 
oder Luna?)37. 
Deutungsmöglichkeiten: 
Herode: zwar Augurlur. In Abwandlung der 
geschichtlichen Überlieferunglß läßt die 
Bibelexegesel") Herodes wegen der An- 
klagen seiner Söhne von Augustus nach 
Rom zitiert werden. Schwierigkeiten er- 
geben sich durch die Tatsache der auch 
hier aktiven Rolle des Königs und des für 
ihn positiven Ausganges der Episode. 
Turbalio Ileradi: (Erschrecken des Herodes). 
Der Bericht des Evangelisten") wird in 
der Exegese und in Hymnen seit früh- 
christlicher Zeit" behandelt. Herodes uncl 
die Männer von Jerusalem erschrecken bei 
der Ankündigung des neugeborenen 
Königs. In der bildlichen Ausdeutung 
dieses Inhalts wird in dramatischer Weise 
die Erscheinung jenes Herrschers imagi- 
niert, vor welchem Herodes, in seinem 
profanen Irrtum befangen, stürzt. 
Die größere Wahrscheinlichkeit dürfte bei 
der turbalio liegen. Es ist darauf hinge- 
wiesen worden 41, daß hier über den Evan- 
gelientext bzw. seine Exegese hinaus die 
Vorstellung des gerechten Herrschers als 
Richter über den Tyrannen mitintendiert 
sein könnte. Als ein Hauptproblem der 
mittelalterlichen Staatslehre43 Wäre sie der 
A? 
4 Lambzch. Stiftskirche: chcnuligcr Westchx 
Szcncnfcld w: Traum des jowcph 
ANMERKUNGEN 29 - 43 
39 Wien, Üstcrr, NlL-Bibi" Cod. 3er. nov. 3601, fOl. 25.1 
chem. Lambach ftsbibL, Cod. pcrg. LXXV. Evangclinr 
mit Capitulzn. ach liliisachoß" u. Mitte du's IX. lhdrs. 
im mirllcrcn Frankreich cnlslandcn; das Cnpicularc stell! 
uinc flänkisrh trwcitcn: Lisll: drs Typus ).' du! Klzuszf- 
schen Slcmmala dar (Mitteilung von Th. Klzuscr, Bonn). 
771. Klnuscr, Das komische Czpilulazc Evangeliorum 
(Lilurgiegcsclzichlliche Qucllcn und Forschungen 2B), 
Munstcr in WCSlf. 1935, S. 9351:], A. urgqwlnrm, Die 
Nachfcicr von Epiphanic im Missale 1 omnnum, in: 
Zcilschr. f. kalh. Theologie 66 (1942). Heft l, 39746; 
IlThivnl. in: Würlb. Diözcsangcschichlsbl" n. a. O. S. 65K. 
Ferner die ungcdruckle Liunliatsarbeil am Collrgio 
Intern. s. Ansclmo bei Kamins Hallingcr von 1. Gengz 
SOC Christus Rcx sicut dcpingitur in lmaginibus 
 
 
 
 
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Lambzccnsibus sacculi XI cxcunlii. Romar 1965. p. 91T. 
Gange arbeitet an einer Auswcilung mm Thes zu 
cinzr Dissertation über die lilurgiegeschichtlichen Vor- 
aussetzungen des Lambzchcr reskenzyklus, in welcher 
u.a. nicht nur das vollstindi - Lambacher Capizularc, 
sondern auch das Magicrspicl cdlcrl werden snllen. 
[Hanhnms 2. l 4 B. 
Mallhnnl: 2. 9- 10. 
Mattlmela: 2. 11. 
Manhaeux 2. I2. 
Maxrhaeu: 2. 12. 
Lums 2. 22-38. 
Lum: 2, 29. 
v. E. s hramm (Göttingen) vcnxeist mich m 7 aller- 
dingspilcrc _ Sicgel-Dantcllungnm thronendcr Hcnscher 
mit Sonnc und Mond, z. B, bei Otto IV. O. Pnsst. Div: 
Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 75171806. 
 
 
l. Dresdirn 1909. p. 13, Taf. 24H. Auf den Sivgcln H5 - 
richs lV., ebenda, Taf. 16 und 17 und Triuks. a.a.O.. 
Taf. 173 fehlen sie. 
m juxephus. um. um. i. qp. 2a. _ _ 
3' Petrus Cmrlzslur, l-hswnii schnlaxtlca. 1.1 cvungclu XI 
(Mignz, Parrnl. m. 198. 1543). 
4" Mnnhaeu: 3. 3. 
" Z. B. bei A Jutinus. Scrmo (IC (illigrxe, Patrol. lat. 33. 
1029); Sedulizix, Hymnus Hosris Herodes. abgedruckt u. 
kornmcmivrr bei j. Knyxzr, Beiträge zur Geschichte und 
Erklärung dcr ältcstcn Kirchcnhylnncn 11, Paderborn 1881, 
. 366ä383. 
ü er Historiker W. Hullznmnn in der an mein Referat in 
der Bihl. Hcrtzianz in Rom am 12. Mai 1961 anschlie- 
ßenden Diskussion. 
U P. E. Stllmnlm. Die deutschen Kaiser und Könige in 
Bildern ihrer Zeit i. Btrlin 1923. S. 113.
	        
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