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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 100)

linische" Struktur, die in der stockwerk- 
weisen Gliederung wurzelt. Der weitere 
Stilverlauf wird durch die Bildung über- 
geordneter Einheiten bestimmt, was durch 
die Einführung der Ricsenordnung erreicht 
wird. Diesen Schritt tut Gottfried Semper 
in seinem Entwurf für die Hofburg und 
Hofmuseen 186919, der als Höhepunkt und 
Ideallösung des strengen Historismus ange- 
sprochen werden muß. Dem reinen Hori- 
zontalismus wird durch die mehrere Ge- 
schosse zusammenfassende Ordnung ein 
Vertikalmoment entgegengesetzt und so 
ein Ausgleich erreicht; darüber hinaus ist 
die Zusammenfassung von Hofburg und 
Museen zu einer riesenhaften Anlage cnte 
scheidend, da hier cin Komplex größten 
Ausmaßes architektonisch organisiert er- 
scheint, wie es in der Spätantike geübt 
wurde. Bezeichnenderweise blieb das Pro- 
jekt ein Torso, da. der Kaiserpalast erst nach 
den für die Allgemeinheit bestimmten Bau- 
ten in Angriff genommen und damit seine 
Vollendung durch den Wandel der künstle- 
rischen ebenso wie der historischen Situation 
vereitelt wurde. Die von Sempers Projekt 
repräsentierte Stilstufe bestimmt dann die 
Gestaltung von drei „Monumentalbauten", 
die seit 1872 auf dem zunächst unverbaut 
gehaltenen Paradeplatz an der Ringstraße 
errichtet wurden und letztlich das Kern- 
stück der ganzen Anlage bildeten. Es 
handelt sich um das Parlament, das Theophil 
Hansen in gräzisierenden Formen erbaute, 
das Rathaus, für Welches der auch als 
Dombaumeister von St. Stephan tätige 
Friedrich von Schmidtll gotische Formen 
wählte, und schließlich um die Universität, 
Welche Heinrich von Ferstel im Sinne der 
Neorenaissance entwarf. jeder der Bauten 
ist von riesenhaftem Ausmaß und führt die 
Möglichkeiten des strengen Historismus an 
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seine stilistischen Grenzen, ähnlich wie es 
der Protobarock mit den Möglichkeiten 
der Hochrenaissance tat. Obwohl hier drei 
verschiedene Stile der Vergangenheit be- 
schweren wurden - deren Wahl sich in 
diesem Falle besonders gut aus inhaltlichen 
Gründen erklären läßt w, gehören doch alle 
drei Bauten unverwechselbar einer Stillage 
an, nämlich dem strengen Historismus. Die 
gestaltungsmäßigen Analogien, die sich 
etwa bei den Grundrissen von Universität 
und Rathaus erkennen lassen, zeigen, daß 
hier ein ganz bestimmtes Kunstwollen am 
Werke war, dessen Kriterien sich auch 
durch eine eingehende Analyse der drei 
Fassaden mit ihren stark überdehnten Aus- 
maßen und Sprengung überkommencr 
Proportionsbegriffe erweisen ließe. In diesen 
Hauptwerken des strengen Historismus ist 
auch die Theorie, wie sie Eitelberger ver- 
trat, überspannr. Keiner der drei genannten 
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