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Volltext: Die Glasindustrie (Gruppe IX, Section 3), offizieller Ausstellungs-Bericht

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Jakob Falke. 
echtem Kryftall, fowie in den Venetianer Gläfern. Aber weder die einen noch 
die anderen hatten den Engländern fonderlich zum Vorbilde gedient. Ihre Wein- 
gläfer unterfchieden fich von jenen gerade in dem feinflen Punkte, nämlich in 
der Bildung des Stengels oder Ständers, welche im Gegenfatz gegen die reiche 
Gliederung bei jenen höchft einfach in gerader und gleicher Säule ohne Auf- 
fchwellung oder Verjüngung, ohne Abfätze, Wülfte und Glieder, entweder rund 
oder facettirt gehalten war. Bei den meiflen englifchen Weingläfern machte 
daher der dünne Stengel den Eindruck allzugrofser Schwäche und Brechlichkeit 
und fland wenig in Harmonie mit dem bauchigen, halbkugeligen Gefäfs, das 
er trug. 
Hatten die Formen diefer Art des englifchen Glasgeräths entfchiedene 
Tendenz zu den griechifchen Vafen, fo war im Gegentheil das Ornament, mit 
dem es verfehen war, ganz vorwiegend naturaliftifcher Art. Obwohl nun die 
Willkür und Zufälligkeit der naturaliftifchen Verzierungsweife mit den feinen, 
wohl abgewogenen, berechneten Linien der antiken Formen in nicht geringem 
Widerfpruch flehen, fo war doch der offenbare Gegenfatz dadurch gemildert, dafs 
auf den englifchen Glasgefäfsen diefes Ornament nicht in fo fchwerer und auf 
dringlicher Weife auftrat, wie man es wohl anderswo fieht. Es war im Ganzen 
von fehr zierlicher Art und glich in den meiflen Fällen leichten Kränzen, die 
daran und darüber gehängt waren. Auch war die Ausführung äufserft zart und 
fein und mit grofser Mühe und Kunfl hergeftellt. So war der Eindruck nicht 
gerade ein Hörender, und man konnte immer noch, auch vom Standpunkt des 
Gefchmacks aus, diefe Arbeiten als Zierden der englifchen Kunflinduftrie betrach 
ten. Freilich hätte fich mit einer anderen flilvolleren Art der Ornamentation 
noch Gelungeneres fchaffen laffen, und vielleicht um viel geringeren Preis als 
derjenige, der für diefe Gegenftände verlangt und in England auch bezahlt wird. 
Mit diefen zwei Arten und der bereits erwähnten Mifchlingsgattung find 
die künftlerifchen Leitungen der englifchen Glasfabrikation, wie fie uns auf der 
Wiener Weltausflellung entgegentraten, erfchöpft. Verfchiedene Beifpiele, auch 
mit dem Kryftallglafe Farbe zu verbinden, indem ein Glied, fei es Henkel, Fufs 
oder Kelch, in rothem oder grünem Glafe ausgeführt war, erfchienen eben 
nur wie Verfuche, ohne das Wefen der Sache zu ändern oder fich zum Range 
einer felbflftändigen Art aufzufchwingen. Ebenfo kann man das geprefste Glas, 
das uns von E. Moore & Co. in South Shields in zahlreichen Müllern vorgeführt 
wurde, wohl technifch, aber nicht künfllerifch als eine befondere Art betrachten. 
Es ifl nur eine andere Methode, das diamantirte Brillantglas auf eine wohlfeilere 
Art herzuflellen. Das weiche, englifche Glas erleichtert die Preffung, und fo 
läfst fich in billiger Weife anfcheinend das gleiche Refultat erzielen, aber auch 
nur anfcheinend, denn der Effedt des geprefsten Glafes kommt doch in keiner 
Weife dem gefchliffenen gleich. Immerhin ift es ein nicht zu verachtender Erfatz 
für den billigen Bedarf.
	        
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