weshalb die Anschläge: besondere Tech-
niken des unerlaubten Anschlagcns ent-
wickelten. So wird etwa von dem Mann
mit einem großen Korb auf dem Rücken
berichtet, der die Straße entlarigkommt,
prüft, ob er auch unbeobachtet ist, sich dann
mit dem Korb gegen die Wand lehnt, wor-
auf ein kleiner junge sich schnell aus dem
Korb erhebt, um das Plakat anzuheften7.
Da diese Anschläge besonders in London
ganze Häuser von unten bis oben be-
decktens, sann man auf Abhilfe. Es ent-
standen die Afflchierungsanstalten, welche
Anschlagflächen vermieteten; aber auch
Erfinder stellten sich ein: „Maschine, um
allen Notizen, Proclamationen, gesezlichen
Verkiindigungen und allem, was öffentlich
bekannt gemacht werden soll, die möglichst
größte Publicität bei Tag und Nacht zu
ertheilen, wodurch künftig die Entstellung
der Häuser und Wände in der Hauptstadt
und in der Nähe derselben durch Anhäftung
von Ankündigungen, Placaten etc., wie
durch Anschreiben mit Kreide oder
Schwärze, wodurch ganze Gebäude ents
stellt werden, vermieden werden kann; und
worauf Georg Sam. Harris, Gentleman,
Caroline Place, Trevonsquatc, Knightsr
bridge, Middlesex, am 21. Oct. 1824 sich
ein Patent ertheilen ließm). Diese von innen
beleuchtete Säule auf einem Wagen setzte
sich nicht durch, obwohl sie die von Litfaß
1855 in Berlin aufgestellten Anschlagsäulen
vorwegnahm. Die ständige Plakatausstelr
lung der Straße verbreitete sich auch in die
Räume der Weltausstellungen. Nicht nur
als Druckproben und Muster waren Plakate
in den druckteehnischen Abteilungen dieser
Ausstellungen zu sehen. Auf der Wiener
Weltausstellung 1873 bedeckten zum Bei-
spiel die Blechplakate der Firma Grant 8:
Co. aus London „ganze Wandflächen in der
Agriculturhalle" 10.
1 julius Klinge! (F): Blanko Nr. 1461: 95 x64 Cm; Fl. in
drei Farben; Lith. . Weincr. Wien
Ernst Eck; 1912: 40. Ausstclluli der Seressioil; 62,7x
47,1 cmt L; A. Bergct. Wien Vl l
u
ANMERKUNGEN 1712
l Zu den Sccessiotnplakateti vgl. "SA! Breincr-Neckcl. Das
Plakat der Wiener Secessiun. Phil. Diss. XVicn 1953. 7
Siehe auch: Ottokrir Mttscha, Österreichische Plakatkunst,
Wien o. J. (1914); Österreichische Plakate 1890" 1957.
Wien-München 1957 (Einleitung von Viktor Gricsxmaier);
Horst-Herbert Kossatz, Frühe Plakate. Mcrian VIL1968
(Heft Wien). 7 Trommler wurden aurh sonst zur Sym-
bolisierung der Reklame verwendet. So weist Paneth auf
das Spottbild auf die Reklame L. Strauch (um 1600)
hin. Vgl. Erwin Panuth. Symbol crung der Reklame. in:
Österreichische Reklame. Lgg. 1926. Heft 3, S. 10711.
1 Register ofArts. August 18 1. S. 153.
1 Bericht der Bcurth ilungs-cnnrmission bei der allgemeinen
deutschen ludustn Ausstellung zu Milnrhen 1854. 5. Heft,
S. 44. Wahrscheinlich handelt es sich um die Presse von
Smart, abgebildet und beschrieben bei Heinrich Wcishaupt,
Das Cresammrgebiet des Steindriirks. 2 Bde. Weimar 51875
(: Neuer Schauplatz B143).
' Bulletin de la Socicte dßnmuragcmcnt. Dezember 1831,
s. 561 (Bericht); Polytcchnisrhes Journal. Bd. es, 1231,
S. 459, Bd. 68. 1838. S. B7. - Bereits 1815 druckte Franz
Weishaupt farbige Bilder zu dem Werk von Mattius und
Spi her Brasilien.
5 Bericht über die dritte allgemeine österreichische Gewerbe-
Ausstellung in Wien 1845. Wien 1846, S. S67.
5 In seiner Fabrik wurde durch Hoppcs 1850 auch die
Zylinder-Schnell tesse für H. Engels lnstitut gebaut.
Vgl. Osten. Bur ar-zrg. 1880, Nr. 2.
7 Vgl. The Poster, V01. V. 1900, S. 139V 141.
5 Vgl. die Abb. in: The Poster, Vnl. V, 1900, S. 25. und in:
Propaganda. Bd. 3. 1900. S. 47: Hellmuth Radcmacher.
Das deutsche Plakat, Dresden 1965, S. 21.
9 Polytechnisches journal. Bd. 17. 11125. Stück XCIV, mit
Abb. auf TaLX; F. M. Feldhaut. Die Technik, Leipzig und
Berlin 1914. Sp. 806i".
W Amtlicher Bericht über die Wiener Weltausstellung im
jahre 1873. Erstattet von der Centraleommission des
Deutschen Reiches, Sechstes Heft,Xll. (lruppr: Graphische
Künste. Braunschweig 1874. S. 687.
H Vgl. Leading Lithographcrs. L-wt-inr-rs. Ltd.. London,
Paris and Vicnna, in: Thc Pustcr. Vol. lv, 1900. S. 74--76.
u Vgl. Das Schlissmann-Plakat rrir "Wiener Schatten-
bilder". abgebildet an jean Louis Sponscl, Das moderne
Plakat. Dresden 1897. S. 280.
nun l uuxwtrn vnu:
Lvm diese Zeit begann man s'"h in Frank-
reich der hlitwirkung von Künstlern zu
bedienen, was bald dazu führte, daß man
von einer „Kunst auf der Straße", einer
„Kunst der Armen" und nur wenig
vornehmer von einer „Galerie der
Straße" sprach. Die Portierung der Eng-
länder Ruskin und Morris: „Die Kunst dem
Volke" setzte sich eine Zeitlang bei 'l"apcten
und recht eigentlich nur in der „Plakatwelt"
durch. Schon 1884 fanden die ersten Plakat-
ausstellungen in Paris und Brüssel statt.
Zehn jahre später erhielt joseph Weiner,
der älteste Sohn der Wiener Plakat-
druckerei, als Inhaber der Pariser Nieder?
lassung auf der Äusstellung „Du Livre"
den ersten Preis für seine dort ausgestellten
Plakate ll.
Die Druckerei XWeiner, die in Wien 600 An-
schlagtafeln und eiserne Plakatsäulen nach
dem Entwurf des Firmengründers besaß,
entwickelte das „Blanko-Plakat". Aus
hlusterbüchern konnte sich der Kunde ein
ihm zusagendcs Bild aussuchen, das mit dem
gewünschten Text versehen wurde. Der
Trommler (Abb. I) und das Silhouetten-
plakat von SClIliCSSIIIHDD (Abb. 20) sind
Beispiele dafür.
Llnter den von Xltneiner gedruckten und
verlegten dirunimler wurde der jeweilige
Reklametext geklebt. Wahrscheinlich ist
dieses Plakat vun lulius Klinger ent-
worfen wurden, der kurze Zeit bei Wei-
ner arbeitete, bevor er dann in Berlin als
Plakatkünstlcr berühmt wurde. Von ihm
stammt auch das bei XXl-iner gedruckte
GrammuphonrPlakat (Abb. ll).
dieses Plakat ist ein Blanko, bei dem der
Firmenname aufgedruckt
wurde. Man hat es tirsprünglich zu einem
anderen Zwecke gebraucht, denn der Text
auf dem Sockel des Plattenspielers ist auf-
geklebt. Darunter befindet sich eine War-
nung der Deutschen (lranunophon-Gesell-
schaft, keine Nadeln zu kaufen, deren Ver-
packung nicht ihre Scliutzmarke trage.
Dagegen wird der Ankauf von Original-
Granmmophonen als den besten Spreclv
apparaten der Welt empfohlen.
Das Silhouettenplalzaxt von Schliesstnann, auf
dem ein Radfahrer sogar der Eisenbahn
A u ch
nachtriigliclw
davonfahrt, ließ sich durch entsprechenden
Aufdruck suwuhl für die damals beliebten
Bücher mit Schattenbildcrn als auch zur
Fahrradreklame verwenden 11.
Eine andere Plakatart sind die llolgeplakate,
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