und vor dem Pilasterkapitell einen blauen
Wimpel mit den Buchstaben Alpha und
Omega im goldenen Strahlenkranz. Wantcn
verspannen den Mast auf der Churseite
mit der Kanzelbrüstung, auf der Langhaus-
seite nur mit dem Schalldeckcl. ' " Engel-
putten sind mit der Takelzige beschäftigt.
Äm Bug des angedeuteten SchitTsruixipfes
reckt ein hl. Xlichael das Flammenschwert;
scin Schild tragt die Inschrift Qui: n! Dom.
Die zugehörige Figur des gestürzten Teufels
ist 1834 entfernt worden? Zwci ebenfalls
vergoldete Kartusehen mit Evangelisten-
relicfs (aus der ehemaligen Pfarrkirche
St. Stephan in lrsee) wurden nachträglich
an der lärustting ZHIgClÖTIIClIIll. Die Rück-
wand tragt das (leschlcchterwzippen der
Orsini mit den lnsignien des Papsttums.
Aus der durchbrochenem Mitte des Flachen
Schalldeckels sendet die Taube dcs
Hl. Geistes goldene Strahlen. lllin großer
Anker scheint das KanzelschiH an den
Pfeiler zu heften. Neben dcr Volute dcs
Stiegengelantlers haftet eine Seeschnecke.
Abt Wiillibald Grindl, der die Schitfskanzel
hatte errichten lassen, starb im Jahre 1731.
Der Text dcr Leichenpredigtq bezog sich
auf die cmblematischcn Darstellungen am
Castrum doloris, diese veranschaulichten
die Predigt; (lrundmotiv war das Schilf.
Die Form vnn XVillibalrls Kanzel und der
Name seines Klosters hatten den Gedanken
ausgelöst, seinen Lebensweg einer hinf-
lülbrf über du; .1 Irrr oder Yme dirrr Welt zu
vergleichen W. Acht Emblemata arn Toten-
gerüst und acht Ilauptabschnitte der Predigt
zeigten am Beispiel eines Schiffes auf See
die Tugenden des Verstorbenen". Zu-
sammenfassendes Schlußbild des Castrum
doloris und der Predigt war ein Schiff,
auf dessen acht Rudern diese Tugenden zu
lesen Warcnll. Dann wurde das am Ziel
angekommene Älwleu-Ärbifflein dcr auf dcn
Bergen Armeniens ruhenden Arche Noah
verglichen, aus der die Taube als Gleichnis
der befreiten Seele auftloglßl.
Der Prediger, cin Jesuit, hatte sich zu
Srblß bijgebm und spielte auf die mn- luA
reuliau der Kanzel an: . . . drr IU. Grzltl lzlrm
bqy der Barrlwilznßzg . . . in die Äiztqrl 14. An die
Form der Kanzel knüpfte er auch an,
indem er von der Seefahrt (ihristi mit den
Äpnstcln (Matth. 8, 24) ausgingli Dieser
Gedanke hatte die Wahl des Schillsmotirs
und des Zeichens im Wimpel 10 sicherlich
mitbestitntntll. Nicht ausdrücklich rekapir
tuliert wurden die weiteren Bedeutungen
der Kanzel. Das Schill" als Kanzel mulite
auch daran erinnern, daß (Ihristtis aus dem
Schilf gepredigt (Luk. 5, 3) und dann Petrus
und andere jünger zu Menschenlischern IX
berufen hatte (Nlatth. 4, 18721; Vark. l,
16i20; Luk. 5, 10 i11). Petrus ist Neben-
patron der Kirche in lrsee. Das Villaplven
der Orsini spielt auf die Grafen von Ursin,
die Gründer des Klostersl", an, zugleich
auf Papst Benedikt XllL, den seit 1724
amtierenden Nachfolger Petri 10. lis deutet
die Kanzel als „Schitllcin Petri", als Sinnr
bild der Kirche3l, und zwar der streit-
barenll: der hl. Michael überwindet
Luzifcrl-l 34.
Als ein Gleichnis dieses Sieges galt jahr-
hundertelang die Schlacht von Lepanto, in
der die Flotte der Heiligen Liga die tür-
kischc am 7. Oktober 1571 geschlagen
hatte. Dem Gedenken dieses Sccsieges ist
nach Wlille die Irscer Schitfskzinzcl ge-
widmet 15. Die Anknüpfung an ein historia
schcs Ereignis ist in der lkunographiz: der
Karizcln sehr selten 1b, für Irsee aber nahezu
gesichert. 1712 war Papst Pius V., der
Schöpfer der Heiligen Liga, heiliggeslvnw-
chen worden, und das jnlxr 7776 zÄrI aurb
11ml} merkwürdig zzlegezz dem Krieg gjzitirrllen dem
Kairer und den Tfirlecxz, uwlrbc grqßc Nieder-
lagen . .. erfillen, wie die Chronik des
Klosters lrsee 27 berichtet. Bei der F.r-
neuerung der Kanzel auf eine Türken-
schlacht anzuspielen, lag also nahe. Ob
der Wimpel des KanzelschjHes an die blaue
Generalsstandarte der Heiligen Liga et-
innern 501113, ist allerdings fraglich, denn
die Armada kämpfte unter dem Kreuzes-
zeichen19. Das stärkste Argument für
j. Willes Ansicht ist, daß in Irscc die
Rosenkranzbruderschaft blühte 39. Der Sieg
von Lepanto wurde als Belohnung
des Rosenkranzgebetes angesehen 31. Papst
Pius V. befahl, am Jahrestag der Schlacht
der hl. Maria de Victoria zu gedenken.
1716 wurde das Rosenkranzfest allgemeines
Kirchcnfest. Daß die Bruderschaft in Irsec
Einfluß auf die Kirchenausstattung hatte,
zeigen die Rosenkranzbilder in den Neben-
räumen der Kirche und mehrere andere
Einzelheiten der Ausstattung 32. Wenn die
Bruderschaft auch die Schiffsform der
Kanzel bestimmte, so wird die Erinnerung
an Lepanto dabei rnitgesprochen haben.
Noch Wahrscheinlicher wird dies durch
einen bisher nicht beachteten Parallelfall.
Die Kirche in Pollenfeld (Krs. Eichstätt)
hatte von 1805 bis kurz nach 1877 eine
Kanzel in der Gulalt eine: Kriegurhzßlß: mit
Älaxlhaunl, Slrirkleilern, rrlnuellendem Kegel und
hölzernen Kan0nen33. Mitterwieser gab an,
sie stamme aus der Kirche Notre-Dame
in Eichstätt. Er hielt sie für ein Werk in
der Nachfolge der Irseer Kanzel34. Tat-
sächlich war die Pollenfelder Kanzel je-
doch aus dem älteren Betsaal Maria de
Victoria in Ingolstadt erworben worden.
Aus der topographischen Literatur und den
Archivalien in Ingolstadt und Eichstätt ist
über sie noch folgendes zu erfahren: Im
Jahre 1612 wurde unter der Leitung eines
Jesuiten die Bürgerliche Kongregation
Maria de Victoria gegründet 35. Sie erbaute
ein Oratorium an der Kreuzstraße, das
1619 eingeweiht wurde 35. 1696 erweiterte
man diesen Bau und begann eine neue
Z 11'596, chem. Stiftskixche, Kanzel 1724125
ANMERKUNGEN 5-36
s S0 Hanna Mayer. Deutsche Barockkanzeln (Studien zur
deutschen Kunstgeschichte, H. 287), Straßburg 1932,
S. 122, 168-169; Strobl 1955, S. 48. Zu der Kanzel in
lrsee auch Richard Wiehel. Kloster lrsce (Deußche
Kunstfuhter), Augsburg 1927, s. 1a, Abb. 7, s; Alnis
Mittcrwieser, Kitchenkanzeln in SchilTsfon-ti. in: jahr-
buch des Vereins für christliche Kunst 7, 1929, S. 184.
mit Abb; Henle 1933, S. 57; Joseph Wille, Wie kommt
die Schifiskanzel naeh lrsee?, in: Kaufbeuret Tagblatt 7,
Nr. 134 vom 30.6.1951; Tilmznn Brcuet. Stadt und
Landkreis Kaufbeurcn (Bayerische Kunstdenkmal: s,
Kurzinventar). München 1960, 5.124; Alexander von
Reilzenstein und Herbert Bruunet, Bayern (Reclams
Kururruhrer, Baudenkmäler, 1.3.1.), 4.Auß., Stuttgart
1961, S. 280; Lilly Stunzi u. 2.. Die Schlacht von Lepanto
1571 (Kulturelle Monatsschrift "Du" 22, Nr. 255),
Zürich 1962. 840-41: Lieb 1964, 18-10.
6 Breuer 1950, S. 118-127; Norbert Lieb und Franz
Dieth, Die Vorarlberget Barockbaumeister, 2. AuiL,
München und Züridzi 1967, S. 73, s. a. S. 41.
7 Wiebel 1927, 5.18; Mzycr 1932. 5.123. Die Planken
des Schiüsbuges sind unten ergänzt.
I Mitgcteilt von Herrn Pfarrer joweph wiue, lrsee.
9 Hörhst-beglücltte SchüT-Fahrt über das Meer oder Yrsee
diser Welt, Kaufbeuren 1731.
l" Dazu Arthur Henkel und Albrecht Schöne, Emblernata,
Stuttgart m1, Sp. 1462, und besonders Georg KauiTmann.
Feste, in: Der Mensch und die Künste. Festschriß für
Heinrich Lützeler, Düsseldorf 1962, S. 452, Abb. 74.
H Die Zusammenstellung von SchilT-Emblemen bei Henkel-
Schöne 1967, Sp.1455-1484, ließe sich anhand diese:
Textes erweitern.
11 Schiff-Fahrt 1731. S. 18.
H Schilf-Fahrt 1731, s. 19.
1' SchiG-Fahrt 1731. S. 2.
A! Schilf-Fahrt 1731. s. 1.
Iß Zu rien Buchstaben Alpha und Omega 115 zeieheu. das
immer auf Christus deutet: ]oseph Sauer, A-ua 2.
lkonographisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche.
1. Bd.. 2. Aufl" Freiburg 1957, Sp. 1.
17 Zur Sehilfahrt auf dem See Genezarcth als Thema von
Kanzelteliefs: Mayer 1932, S. 149.
1' Vgl. Lieb 1964, S. 819; zweifelnd Wille 1951.