original alberne: genannt, ein anderer Be-
sucher tadelte 1797 die traurige Anrpielung
aufjonar 68. Auch der kritische Vermerk zu
dem Münchener Schiffskanzelentwurf rich-
tete sich besonders gegen das Figürliche
und erstrebte eine Vereinfachung des Pro-
gramms.
Feichtmayr hatte in seinem Überschlag die
Bedeutung als Schiff Petri hervorgehoben;
Einzelthemen der Entwürfe sind die Schiffs-
predigt, der Wunderbare Fischzug (Luk. 5,
4-11) und besonders die Parallelen zwi-
schen Jonas und Christus. Als Präfiguration
des Aufetstehenden stützt Jonas mit dem
Walüsch schon die Kanzel der Meißener
SL-Afra-Kirche 69 (1657, Valcntin Otte zu-
geschrieben). Auch an der Münchener
Schiffskanzel sollte Jonas als Vorläufer
Christi erscheinen, und beide wurden als
Vorbilder dessen verstanden, der von der
Kanzel sprechen würde: senkrecht über-
einander"! wären Prediger des Alten Testa-
ments (Jonas 1, 2; 2, 2-4), des Neuen
Testaments und der Gegenwart erschie-
nen.
Dieser Senkrechten ordnet sich auch das
Maskaron auf der von Mittcrwieser ver-
öffentlichten Zeichnung ein. Der Löwen-
kopf war als Zierat der Schiffe häung";
an dem Kanzelentwurf fällt er aber durch
seine Größe und seinen Platz derart auf,
daß Feichtmayr auch ihm eine Bedeutung
beigelegt haben könnte. Aus den Ur-
kunden ergibt sie sich nicht; aus allge-
meinen Vorstellungen ist sie nicht sicher
zu erschließen, denn schon der Verfasser
der Fragm konnte den Löwenkopf als ein
überflüssiges Fratzengesicht hinstellen. Wo
_]onas und Christus übereinander sichtbar
sein sollten, hätte der Löwe einen sinn-
vollen Platz gehabt, wenn er an den Thron
Salomonis hätte erinnern sollen: denn in
der Rede, in der Christus sich mit jonas
verglich, verglich er sich auch mit Salomo
(Matth. 12, 39-42). Der Löwe kann als
Christussymbol (nach Gen. 49, 9-10;
Apk. 5, 5) gemeint gewesen scinn, aber
auch i wie die Fratze in Pruskau und
vielleicht eine entsprechende in Aulen-
dorf f das überwundene Bösen ver-
körpert haben. Als abgekürzter heraldischer
Hinweis auf den Schirmherrn des Kollegiat-
stifts hätte das Maskaron einen Vorläufer
an dem Clemens-August-Ofcn im Schloß
von Brühl gehabt"; daß der Bug von
Schiffen oft ein Wappen trug, zeigen zum
Beispiel Nelsons Schiff „Vict0ry"75 (1765)
und die Schiffskanzel von Seitendorf76 in
Schlesien.
IV.
Zu demselben Konvolut wie Feichtmayrs
zweiter Entwurf gehört eine weitere Schiffs-
kanzelzeichnung (Invt-Nr. 1967: 167 Z)
der Graphischen Sammlung in München
(Abb. 9). Sie ist in schwarzer Feder mit
gelben und grauen Lavierungen ausgeführt.
Das Blatt mißt 42 auf 27,5 cm. Die Rand-
leiste ist oben weggeschnitten. Der Kanzel-
korb steht in einem Schilf. Die unsymme-
trisch geschnittene Rückwand ist links von
einer Draperie hinterfangen. Auch der
Mast verbindet den Korpus mit dem
hölzernen Schalldeckel, obgleich er so den
Zugang durch die Tür der Rückwand und
den Aufenthalt auf der Kanzel erschwert
hätte. Unter dem Bootsrumpf windet sich
ein Wal mit flügelartigen Brustflossen und
speit einen verhältnismäßig kleinen Jonas
aus. Am Bootsrumpf sind ein Wimpel, ein
Netz und zwei Anker befestigt. Ein Relief
an der Kanzelbrüstung zeigt Christus mit
fünf Aposteln; der Maßstab ist so gewählt,
daß man sie wie Insassen des Bootes im
Durchblick durch die Kanzelbrüstung zu
sehen meint; diesen Eindruck verstärkt ein
zurückgeschlagener Vorhang. Ähnlich dem
Schalldeckel ist die Brüstung über dem
Relieffeld mit einem Lambrequin ge-
schmückt. Die äußeren Apostel lösen sich
auch dadurch von der Reliefebene, daß
sie die Netze am Bootsrumpf zu halten
scheinen; dabei hilft ihnen je ein weiterer
Apostel an der Seite des Kanzelkorbes; 0b
man sich auch diese Figuren als Reliefs
vorstellen soll, ist unklar. Über dem Schall-
deckel trägt der Mast ein schlalfes Segel,
einen Masrkorb, eine Topprahe und einen
Wimpel mit den Buchstaben AQ im Strah-
lenkranz. Brüstung, Rückwand und Schall-
deckel verschmelzen mit Rocailleornament.
Eine Volute am linken Rand der Rückwand
betont die Asymmetrie des Ganzen.
Das Blatt unterscheidet sich stark von den
Schiffskanzelentwürfen für München77,
denn die Figuren und das Boot sind sehr
zaghaft gezeichnet. Die Siebenzahl der
Jünger und die Anordnung wie hinter
einem Tisch deuten darauf hin, daß Fisch-
zug und gemeinsames Mahl nach Joh. 21,
l -14 dargestellt werden sollten; im übrigen
bestehen aber ikonographische Übereinstim-
mungen mit Feichtmayrs Entwürfen. Des-
halb und wegen der gemeinsamen Prove-
nienz erscheint es möglich, daß die hier
behandelte Schiffskanzelzeichnung Feicht-
mayr vorlag, als er sein Projekt für Mün-
chen ausarbeitete. Daß sie auf Feichtmayrs
Entwürfen fußt, ist weniger wahrscheinlich,
da sie etwas früher entstanden zu sein
scheint. Eine sichere Folgerung ist nicht
zu ziehen. Auch der Rest einer Signatur
oder Beischrift unten rechts gibt keinen
Aufschluß. Er entspricht zwar der ersten
Hälfte des R. in der Signatur Rauch, die
sich auf einem Stukkaturentwurf aus dem-
selben Knnvolut findet und von Feicht-
mayrs Schwager Jakob Rauch75 stammen
könnte; die Zeichenweise der Blätter ist
aber ganz ungleich. Zu dem Konvolut
gehören auch andere Zeichnungen, die
unsicher wie nach Vorlagen ausgeführt
sind; in einem Fall sind Vorlage und Nach-
zeichnung erhalten. Ein Teil des Konvoluts
könnte also aus einer Zeichenschule stam-
men, wie sie in München schon vor 1770
von Franz Xaver II. Feiehtmayr geführt",
dann vom Kurfürsten unterhalten wurde 89.
Daß auch die Schiflskanzel zur Übung ge-
zeichnet wurde, lassen Bleistiftstriche ver-
muten, welche Takelage und Schiffsschnabel
variieren. Schon deshalb kann man kaum
annehmen, daß die Zeichnung der Entwurf
zu einer bestimmten Schiffskanzel ist.
Aber auch in der Anlage wirkt sie eher
wie eine Studie, der kein weiterer Vet-
wendungszweck beigelegt wurde. Denn
praktischen Anforderungen genügt die dar-
gestellte Kanzel gerade deshalb nicht, weil
Schiff und Kirchenmöbel in bemerkens-
werter Weise miteinander verflochten sind.
Während die Kanzeln in Irsee, Aulendorf,
Altenerdingl" (Krs. Erding; vor 1767 von
Christian Jorhan d. Ä.; Abb. 11) und
Niedcrdinglü (Krs. Erding; etwa 1770;
Abb. 10) sowie die Entwürfe Feichtmayrs
das SchilT und die Brüstung räumlich klar
unterscheiden, stellt die hier behandelte
Zeichnung sie mit allen Konsequenzen in-
einander; vielleicht aus Ungeschicklichkeit,
sicherlich aber auch, um die verschiedenen
Elemente möglichst eng miteinander zu
verbinden. Dieses Bestreben zeigt sich etwa
seit der jahrhundertmitte noch an einem
anderen Typ der Schiffskanzelßi Er ist in
Österreich verbreitet, kommt aber auch in
Süddeutschland vor: bei den Kanzeln in
Weißenregen?" (Krs. Kötzting; 1758 von
Paul Hager; Abb. 12) und Sittenbach 35 (Krs.
Friedberg; um 1760; Abb. 13) ist das Korpus
selbst einem Schiffsrumpf angeglichen.
Auch ohne diese weiteren süddeutschen
Schilfskanzcln heranzuziehen, findet man
einen Reichtum an Bedeutungen und Be-
zügen, der unbegrenzt scheint; er war
wirklich unbegrenzt, weil die Predigt
weitere Gleichnisse aus dem SchifTsmotiv
entwickeln konnte.
ANMERKUNGEN 74 i B5
74 Gerhard! P. Woeckd. Die d ei Rnkoknöfcn des Scllluäscs
Auguslusburg zu Brühl l, i : Alle und moderne Kunst
Jg. s m, Nr. 10. s. 21, Abb. n; Entwurf van Franqois
Cuvl d.Ä.. Bildhauer Johann Baprisz Straub; spi-
testen: 1741.
ß Hausen (Hrsg.) was, Abb. 59b.
75 Grundmnnn 1953. Taf. 39 ("Mitte 18. jahrhunclcrl".
s. 113).
77 Ein Allcrnulivvorscblag für die Fnucnkirchc wird das
Blatt auch deshalb nicht sein. weil die Tür in dm Rück-
wand die Anbringung an einem Frcipfeiler zumindest
unschwer! hätte.
73 RauCh. Iikob, in: Thicmc-Bcckcr 28, 1934. S. 39.
79 Nachricht von einer neuerrichlcten Zaichnungsschukr. in:
Kuustzeitung der Kayserl. Akadunic zu Augsbur 1,
1770, s. 15a. Fcichtmzyr Wll an der Augsburger ka-
dernie ausgebildet werden und gchöric 1770 zu den
Gründen: der kurlürsllichcn Zßichcnschulc in München.
26
w Münchm, in: Kunslzeitung der Kayscxl. Akademie zu
Augsburg 2, im, s. 39-92.
M Guslav Bezold, Berthold Richl und cenrg Hager. Die
Kunstdeiakmsle des Rcgicrungsbezirkes Oberbaycrn (Die
Kunstdcnkinale des Königreichs Bayern, i. ad, 2. Teil),
München 1902, s. 121i; Mitterwiescr 1929. s. iss und
Abb; Mnyer 1932. 5.157; Henle 1933, 5.93. Notc143;
Srrobl was. s. 43; Alais Fnirernieier, Pfankirchc Mnrine
Verkündigung Anenerding, Ncuburg 1964, s. s. 10711,
Abb. 5.2, 4,1. 11,16.
u BeZald-Richl-Hagsr 1932, S. I269ä127D: Minerwicser
1929. S. 183 und Abb. Htnlc 1933. S. 93. N01: 143;
Strahl 1953, S. 5D; Poschaxsky 1963, S. 129; Joseph
ßinrner, jqrhzu, Christian, Ergänzungen. Thicme-
ßecker 19, 1925, S. 1,68. hat die Kauzclplast KIOIZ der
Ahnlichßcit mit der Altentrdingcr nicht Christian jor-
hzn d. A. zugeschrieben; so aber Andreas Kleincr. G0-
schichte und Erklärung der Rukoko-Kirchc in Nindcrding.
Flugblatt. s. Auli. 1966. Die Knnzei muß nus sriiisriseiien
crunden später entstanden sein als die in Altenzrding:
SchilT und Kanzelwandung sind stärker voneinandcl
gmundcrt, manche Einzeifonnen sind härter gezeichnet,
die Kurvatur dcs Schzlldeckels ist vereinfacht. Patro-
zinium der Kirche: Sr. Martin.
U Die beiden Typen der Srhiifskanzcl sind bei Stmbl 1955,
5.43 mir um: 70. nicht genau genug voneinander
unterschieden. gzr nicht bei Km Knscl, Kunsrcpochcn
und Knwsldenkmilcr. in: Der Landkreis Friedberg,
Fricdbcrg 1967. S. 300.
5' lostph Mnria Ritt. Die Kunstdenkmilex von Nieder-
bayerri 9. Bczirksamt Kötzting (Die Kunstdenkmälcr
von Bayern. 4. Bd., 9. Teil). München 1922, S. 114-115
mit Abb.: Miltcrwicscr 1929, 5.184; Mayei- 1932,
51397160; Heule 1933, 5.93. Note 143; Skrobl 1955,
I! Anton Maycr und Georg Wßlermayrr. Statistische
Beschreibung des Erzbislumx München-Freising, 3.134,
Regensburg 1884, S. 173: Gusuv von Bczuld und B:
hnld Richl. Oberbayern (m: Kunstdenkmale dES König-
reiches B: cm. I. Bd" LTcil). München 1895. S. 255;
Henle 193 , S. 93, Nnlc 143; Kosel 1967. 5.300. Patrw
zinium der Kirche: Sx. Laurenlius.