Die klare und reine Strichführung auf der Basis
der erwähnten Formulierung der Secessionisten.
in welcher die Formen der Wirklichkeit virtuell
enthalten sind. hat der Künstler im Grundkonzept
bis in seine letzten Schaffensjahre bewahrt. was
z. B. ..Die Schmetterlinge" aus dem Jahre 1966.
ebenfalls ein Temperablatt. beweist. Es entspricht
jener hochentwickelten Stilisierung der Linie dieser
Anfangsjahre, wie der geradezu esoterischen
Differenzierung der Farben und Tonstufen. die
den Schwebezustand zwischen Diesseitigkeit und
Jenseitigkeit. Realität und lrrationalem versinn-
bildlichen. wie er das Schweben gleich dem Inbe-
griff eines Traumes erscheinen lößt.
Alle Spannung liegt in der Beziehung der Flächen
und deren Konturierung und wird durch den Sym-
bolgehalt in der Darstellung noch erhöht. Das
bekundet ebenfalls das Ölblatt "Am Teich" aus
dem Jahre 1938. Gleich lntarsien sind die Blätter
und Blüten in grüne und gelbe Felder eingebaut.
Die "Formenlehre". die der Meister nach 1918
CHlWiCKEiJ (nach dem Besuch der Akademie mußte
er von 1914 bis 1918 an die Fronten des Krieges)
ist eine klare Dokumentation seiner künstlerischen
Vorstellung: Aus dem Kreis gebiert das Quellende.
aus dem Quadrat das Statische. aus dem Dreieck
die explosive Form und Stoßkraft, und in der
Vermischung dieser Grundformen entsteht wieder
Neues. das sich in Zyklen äußert. Kunst ist für
ihn Form. ist Form als geistiger Ausdruck im
Rahmen technischer Vollendung. weil alle Er-
scheinungen unseres Seins in einem geistigen
Grund verankert sind, die zu gestalten die Auf-
gabe des Künstlers darstellt. Diesem Anliegen
unterwirft er in allen seinen Schöpfungen seine
Persönlichkeit.
Um seine Graphik erschöpfend zu behandeln. die
unter anderem etwa 50 radierte Platten verschie-
dener Themen aufweist, wie "Tor und Tod".
"Peer Gynt". ..Mensch und Nacht". oder gezeich-
nete Zyklen wie "Der Spiegel" (Rötel), .,Der
ewige Wanderer". „Die Plagen" (beides Kreide).
"Die Traumfahrt" (Sepia), die spontane Einfälle
beinhalten. Reales. Besinnliches. Übersinnliches,
bedarf es einer Publikation größeren Umfanges.
Vorn Vorbild seines Lehrers Ferdinand Schmutzer
und dem bäuerlichen Realismus Defreggers aus-
gehend. trachtete Silberbauer. ohne sich direkt
einem Stil anzuschließen oder unterzuordnen. in
jeder Art von Technik nach Meisterschaft. "Die
Stoffbüuerin" aus dem Jahre 1912. im Besitz der
Neuen Galerie am Joanneum, ist dafür ein Bei-
spiel.
Nach dem Krieg nach Graz zurückgekehrt. über-
nimmt er neben der Leitung der Freskoabteilung
523,19,
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an der Kunstgewerbeschule als Dozent auch die
Zeichenkurse an der Technischen Hochschule.
Die mit Farbe erfüllten. flöchig gegliederten Bild-
formen werden mit räumlichen Werten bereichert.
Dem Arbeiten in Öl zieht er jenes in Tempera
oder Pastell vor. Wohlüberlegte Farbkomposi-
tionen stimmen die Farbklünge ab und ordnen
Aufbau und Thema. So ist z. B. ..Mein Sohn" aus
dem Jahre 1926. in Tempera mit feinstem Haar-
pinsel ausgeführt. ein großer Wurf in bezug auf
Gliederung und inneren Gehalt. Eine große Wahr-
heit und ein Geheimnis, das - wie man heute
versucht sein würde zu sagen _ im ..Surrealen"
ausziiklingen scheint. bildet den Kern der Aus-
sage. Die Gleichwerttgkeil der Größenverhült-
nissc von Bleistift. Maßstab. Spule, Baumarchitek-
tur und Porträt. eingebaut in einen stillen Drei-
klang von Blau-Grün-Braungelb, gebietet auf-
merksame Versenkung. um den Kern der Aussage
zu erfassen: Dem Kinde, eingehüllt in das große
Unbekannte ..Welt" oder ..Sein". ist das Un-
scheinbarste Großgrundbesitz, Eine Wahrheit. die
in diesem Zusammenhang kaum noch aufge-
griffen wurde.
Diesen in klaren Gesetzen bauenden Künstler
drängt es zur Manurnentalrnalerei. Sgraftiti.
Mosaiken, l-lauszeichen, Glasfenster, gemalte
Gobelins sind in großer Zahl in Stadt und Land
von ihm geschaffen worden. Der Katalog der
Neuen Galerie am Landesmuseum Joanneum
gibt anlößlich des 75. Geburtstages des Meisters
erscliöpfenden Aufschluß darüber.
1 Fritz Silberbaucr. Bergland im Winter. 1909. Tusch-
zGeich-iung, 10x23 cm. Neue Galerie am loanneumi
raz
2 Fritz Silberbaaer. Hirsch im Wald. 1909. Tempera,
25x21 cm. Neue Galerie am laanneum. Graz
3 Fritz Silberbauer. Stoffbauerin. 191 Z. Feder in Tusche,
16x11 cm. Neue Galerie am Jaanrieum, Graz
4 Fritz Silberbauer. Mein Sohn, 1926. Tempera.
40x34 cm. Im Besilz des Künstlers
Wenn man sich vergegenwörtigt. in welchem Maß
die Monumentalmalerei sowohl in Österreich wie
auch in Deutschland in der Zeitseit1920trackenem.
literarischem Bildbericht verfallen war und histo-
risierende. pathetische. romantisch-sentimentale
Inhalte aufwies, ermißt man erst jene Leistung. die
das Kriegerdenkmal im Karner in Köflach aus
dem Jahre 1925 darstellt.
In der vollkommenen Übereinstimmung von
Technik und Kompositionsscherna. wobei die
Zeichnung einen stark raumgebenden Akzent
erhält. ist es dem Künstler. der den ganzen Krieg
miterlebt und erlitten hat. gelungen. die Leiden
eines solchen Geschehens in verschiedenen Phasen
aufzuzeigen. Diese Kriegsbilder sind in die beiden
seitlich gegenüberliegenden. spitzbagig gefaßten
Gewölbefelder des Karners in allrneisterlicher
Freskotechnik gemalt. Eine wohl auf dem Rück-
zug betindliche Kolonne warfcnlos marschierender
Soldaten, an deren Spitze ein Gespann scheut und
davonstürmt. zieht ins drohende UFlgEWlSSE. Im
Vordergrund links erschöpfte Flüchtlinge. Die
rechte Hälfte des Freskos der vorhin beschrie-
bene Teil bildet die linke davon zeigt das aus-
gebrannte lnnerc einer Kirche. deren Boden von
Leichen bedeckt ist. In der Mitte dieser beiden
Dokumentationen des Kriegsdramas stehen die
Namen der Gefallenen. An Ernst dieser Auffassung.
aber nicht an Monumentalitäit. scheint Defreggers
Freiheitskrieg von 1809 und Dobrowskys Bauern-
krieg dieser tief menschlichen Dokumentation
des Kriegserlebnisses nahezukommen, Abbildung 6
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