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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 2
Die Funde von Predmost
In Predmost, am Südende der mährischen Pforte,
eine halbe Stunde von dem Eisenbahnknotenpunkt Prerau,
ist in den letzten Jahren die hervorragendste Station
Mitteleuropas aus der Steinzeit aufgedeckt worden, mit
der sich nur die urzeitlichen Fundstätten Südfrankreichs
vergleichen können. An die wissenschaftliche Bear
beitung stellte dieser Riesenfund so gewaltige Aufgaben,
daß eine Veröffentlichung auch nur des Wichtigsten
bisher ausgeblieben ist. Um so wichtiger ist der zu
sammenfassende Bericht von Dr. Karl Absolon, Kustos
am Landesmuseum zu Brünn, den der Ethnologe Dr. Adolf
Heilborn, Berlin, in seine jetzt im deutschen Verlagshaus
Bong erscheinende Ausgabe des schönen nachgelassenen
Werkes von Professor Dr. Hermann Klaatsch, dem ver
storbenen Breslauer Gelehrten, ,,Der Werdegang der Mensch
heit und die Entstehung der Kultur” aufgenommen hat.
Die Hauptfunde von Predmost werden da überhaupt
zum ersten Male abgebildet, so vor allem die wohlerhaltenen
Schädel von Urmenschen. Sie fanden sich in einem Grabe in
Hockerstellung, zwanzig Individuen vom kindlichen bis zum
Greisenalter, neben Knochen vom M immut. Ein Ktnd hatte
Schmuckbeigaben, bei einem Skelett lag der Kopf eines Eis
fuchses. Das Ganze befand sich unter einer Kalksteinklippe,
die dem Mrmmutjäger als Schlupfwinkel und ständige Wohn
stätte gedient hat' und in der er in einem regelrechten Grabe
seine B'amilie bestattete. Der Skelett-Typus wurde als Misch
typus aus dem Jungpaläolithikum bestimmt und stellt wahr
scheinlich eine Kreuzung von dem im Neandertal gefundenen
M mschen mit dem.des südfranzösischen Aurignacmenschen dar.
Ein erwachsenes Paar ist das besterhaltene und vollständigste
fossile Mmschenskelett überhaupt. Charakteristisch für diesen
Urmenschen sind die flache fliehende Stirn und die starken,
zusammenfließenden Überaugenwülste. Das Ungeheuer
lichste an dem Funde ist aber das riesige Mrmmutleichenfeld,
das sich hier öffnete, gering geschätzt etwa 1000 Tiere, an aus
gezeichnet erhaltenen Backenzähnen des Mammut fanden sich
allein etwa 2000. Und vieles davon lag so sorgfältig aufge
schichtet, daß hier der Urmensch die Knochen absichtlich
sortiert haben muß. Die M ammutleichen scheinen ihm nicht
als Nahrung gedient zu haben, sondern nur die Knochen
und Zähne als Material für seine Werkzeuge. Von diesen
wurden etwa 40.000 Stück aufgedeckt, in mannigfaltigster
Form aus Hornstein, Feuerstein, Bergkristall, Jaspis u. a
hergsstellt, aber besonders viele auch aus Knochen. Aus den
Wadenbeinen des Löwen und Bären hat sich der Predmost-
mensch seine Dolche bereitet. Küchengeräte wie Löffel finden
sich in großer Zahl. Rätselhaft sind vorläufig mehrere „Schaber”
aus Mimmutrippen, noch rätselhafter die gezähnte Gabel
aus Elfenbein, bei der Dr. Heilborn an ein Zeremonialgerät
erinnert, wie etwa die MBnschenfleischgabel auf Fidji. Die
Angeln sind geschickt aus Elfenbein und einem Mammut
backenzahn geschnitzt.
Der Predmost-Mensch —■ seine Kulturschicht wird etwa
30.000 v. Chr. angesetzt —- war aber auch schon ein aus
gesprochener Künstler. Viele Geräte verzierte er mit geo
metrisch eingeritzten Strichen, Punkten, Grübchen, er bedeckte
Knochen mit kombinierten Zeichnungen, die oft aus unzähligen
Strichen bestehen. Ein Mammutstoßzahn ist mit der stilisierten
Zeichnung einer weiblichen Gestalt bedeckt: die Frau ist
nackt und reich tätowiert. Deutlich zu erkennen sind die
üppigen Hängebrüste, auf deren Wiedergabe die Künstler
der Altsteinzeit fast stets besondere Sorgfalt verwandten.
Gut beobachtet ist die Hüftverengerung. Die Bockenverbreite-
rung ist so übertrieben, daß Absolon die Darstellung einer
Schwangeren vermutet: der Predmoster Mammutjäger wollte
damit vielleicht das Wunder der Fortpflanzung seines. Ge
schlechtes verherrlichen. Ja, es fanden sich fünf aus Mammut -
fußknbehen geschnitzte kleine Statuetten solcher Schwangeren.
Das bedeutsamste Stück aber ist wohl die aus Mammutzahn
geschnitzte Statuette eines Mammuts, nun im Landesmuseum
zu Brünn, bisher die einzige plastische Darstellung dieses
Riesentieres aus der Hand seiner Zeitgenossen, von erstaunlicher
Naturwahrheit in der Charakteristik des ganz gewaltigen
Körpers.
Chronik.
AUTOGRAPHEN.
(Aufgefundene Strindberg-Briefe.) Wie „Politiken“
aus Stockholm erfährt, ist eine sehr interessante Sammlung
von Briefen August Strindbergs an seinen Jugendfreund
Leo Lipmansson, die man für verloren hielt, aufgefunden
worden. Es handelt sich um 130 Briefe aus den Jahren 1883
bis 1906.
BIBLIOPHILIE.
(Eine Gutenberg-Bibel unter dem Hammer.)
Ein Exemplar der Gutenbergschen lateinischen Bibel, 1455
zu Mainz gedruckt, kam bei Sotheby in London unter
den Hammer. Das Buch, das aus der Bibliothek der Baronin
Zouche stammte, war etwas defekt, denn im Laufe der Jahr
hunderte waren verschiedene Anfangsbuchstaben heraus-
geschnitten worden; es ist in zwei Bänden gebunden und trägt
auf dem Umschlag das Wappen einer früheren Besitzerin,
der Marie Augusta von Sultbach. Der Verkaufspreis betrug
2750 Pfund, während bei dar ersten Huth-Verstcigerung
für ein unbeschädigtes Exemplar desselben Werkes 5800 Pfund
und für die Vellinausgabe auf der Hoe-Auktion sogar 50.000
Dollar bezahlt wurden.
(Versteigerung von Luxusdrucken.) Bei der Ver
steigerung von Luxusdrucken durch Gilhofer & Ransch-
burg in Wien (siehe Nr. 1) wurden weiters erzielt:
Essex House-Press. Nr. 179, Roterodamus, The Praise
K 3200; Nr. 180, Ricketts, A defence of the revival of prin-
ting, K 1800; Nr. 181, Thomas a Kempis, Of the Imitation,
K 4800; Nr. 182, Eulenberg, Alles um Liebe, K 2100; Nr. 183,
Die Insel, ein Spiel, K 1150; Nr. 185, Fichte, Atheismus
streit, K 1200; Nr. 186, Firenzuola, Novellen und Gespräche,
K 1600; Nr. 187, Fortini, Die 8 Tage der Neulings-Novellen,
K 3400; Nr. 188, Frank, Fremde Mädchen, K 1050; Nr. 189,
Franz. Liebesbriefe, K 2000; Nr. 190, Fred, Lebensformen,
K 3200; Nr. 192, Ed. Fuchs, Illustrierte Sittengeschichte,
K 12.500; Nr.. 193, Ders., Geschichte der erotischen Kunst,
K 2300; Nr. 194, Dets., L’element erotique dans la caricature,
K 1200; Nr. 195, Fuchs und Kind, Die Weiberherrschaft
in der Geschichte der Menschheit, K 3700; Nr. 196, Furt-
wängler, Griechische Vasenmalerei, K 24.000; Nr. 197,
Gaul, Alte Tierfabeln, K 6100; Nr. 198, Gautier, Le Pavillon
sur l’eau, K 3300; Nr. 199, Ders., Mdme de Maupin, K 1350;
Nr. 200, Geiger, Die Verwandlungen der Venus, K 6400;
Nr. 202, Gessner, Idyllen, K 4200; Nr. 203, Ghettobuch,
K 1100; Nr. 204, Goncourt, A Denise, K 3000; Nr. 205,
Goethe, Clavigo, K 1100; Nr. 206, Ders., Wilhelm Meisters
Theatralische Sendung, K 2700; Nr. 207, Ders., Faust, K 2200;
Nr. 208, Ders., Balladen, K 7000; Nr. 209, Ders., Prometheus,
K 3200; Nr. 210, Ders., Weissagungen des Bakis, K 2500;
Nr. 211, Ders., Das Tagebuch, 1810 K 2500; Nr. 212, Trilogie
der Leidenschaft, K 1100; Nr. 213, Antike Gedichte, K 1150;
Nr. 214, Briefwechsel zwischen Schüler und Goethe, K 1600;
Nr. 215, Goethe im Gespräch, K 1500; Nr. 217, Goya, Caprichos,
K 5500; Nr. 219, Grazzini, Die Nachtmähler, K 2100; Nr. 220,
Grillparzer Werke, Wien, Gerlach & Wiedling, K 4400:
Nr. 221, Ders., Der arme Spielmann, K 2600; Nr. 222, Guten
berg-Bibel, 42zeilige, K 48.000.