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Die wirkliche G-rösse der Römer verkündet sich vielmehr in ihren Palästen, Bädern, Schauspielhäusern,
Wasserleitungen und andern Werken zum allgemeinen Gebrauch, als in der Baukunst ihrer Tempel, indem
diese letztem, als die Aeusserung einer den Griechen entlehnten Religion, der sie wahrscheinlich nur
geringen Glauben beimassen, einen entsprechenden Mangel an ernsthafter Würde und Kunstverehrung
verrathen.
In den griechischen Tempeln sprach sich allenthalben das Bestreben aus, eine Vollkommenheit zu
erzielen, die der Götter würdig sei. In den römischen Tempeln hingegen ist die Selbst-Verherrlichung der
einzige Zweck. Von der Basis der Säule bis zum Scheitel des Giebels ist jeder Iheil mit Verzierungen
überladen, die mehr darauf ausgehen, das Auge durch die Menge zu verblenden, als durch die Qualität der
Arbeit Bewunderung zu erregen. Die gemalten griechischen Tempel waren zwar eben so reichlich verziert
als die der Römer, aber der Erfolg war verschieden. Die Ornamente waren so angeordnet, dass sie einen
farbigen Blüthenglanz über den ganzen Bau verbreiteten, ohne jedoch im geringsten den herrlichen Entwurf
der Oberflächen zu beeinträchtigen, auf denen sie angebracht waren.
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Die Römer legten nicht mehr denselben Werth auf das allgemeine Ebenmass des Baues und auf die
Contouren der modellirten Oberflächen, die sie, im Gegentheil, durch die ausgearbeitete Oberfläclien-
Modellirung der darauf geschnitzten Verzierungen, gänzlich vernichteten; und diese Verzierungen ent
springen überdies nicht auf natürliche Weise aus der Oberfläche, sondern sind auf derselben bloss ange
heftet. So sind die Acanthusblätter unter den Sparrenköpfen und um den Korb des korinthischen Kapitals
ohne alles Kunstgefühl vor einander hingestellt. Ja, sie sind nicht einmal mittelst des Säulenhalses am
Schaft mit einander verbunden, sondern bloss auf diesem gestützt. Wie ganz anders ist das im ägyptischen
Kapital, wo die den Korb umgebenden Blumenstiele durch den Säulenhals fortgeführt sind, und so zugleich
der Schönheit Genüge leisten und der Wahrheit huldigen.
Die unglückselige Leichtigkeit, die das römische Decorationssystem zur Anfertigung von Ornamenten
darbietet, indem man bei jeder Form und in jeder möglichen Richtung nur die Acanthusblätter anzuwenden
braucht, ist wohl die Ursache warum diese Verzierungsweise in den meisten modernen Werken so sehr
überhand genommen hat. Es ist ein Ornament das so wenig Nachdenken erfordert und so gänzlich einen
blossen Gegenstand der Fabrikation bildet, dass die Baukünstler sich veranlasst fühlten eine der Specialitä-
ten ihres Faches sorglos zu vernachlässigen, und die innere Verzierung der Gebäude Händen zu überlassen,
die ganz unfähig sind ihren Platz einzunehmen.
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Die Römer zeigten nur wenig Kunstgefühl im Gebrauch des Acanthusblattes. Sie hatten es von c en
Griechen schön und conventionell behandelt empfangen, näherten sich aber dem Typus in den allgemeinen
Contouren mehr als die Griechen, und übertrieben die Verzierung der Oberflächen. Die Griechen be
schränkten sich darauf das Principium des Blattwuchses auszudrücken, und verwendeten alle ihre Soigfalt
auf die zarte Undulation der Oberfläche.
Das am Anfänge dieses Capitels befindliche Ornament ist das typische "V orbild aller römischen Oma
mente, die durchgeliends aus Schnörkeln bestehen, von denen einer aus dem andern entspriesst, eine Blume
oder eine Blättergruppe umschliessend. Dieses Muster beruht in seiner Construction auf giieckischen