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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 101)

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Neapel w Wahrscheinlich Wirtschaftlicher 
und finanzieller Art r brachten es mit 
sich, daß er fünfmal als Gesandter nach 
Neapel reisen mußte: in den Jahren 1354, 
1375, 1383, 1384 und 1385. Auch in Avi- 
gnon, am päpstlichen Hofe, hatte Siena 
seine Interessen _- es Waren dort auch 
sienesische Goldschmiede tätig, wie der 
berühmte Giovanni di Bartolo 7 und so 
zieht Andrea Vanni 1372 dorthin; 1373 
steht er, immer als Gesandter, vor der 
Signoria von Florenz. Selbst eine Seereise 
Wurde ihm zugemutet: 1385 muß er nach 
Palermo, an den Hof der Aragon4. 
Man vermutet, und vielleicht nicht zu 
Unrecht, daß Andrea Vanni eine Zeitlang 
in Neapel sich niedergelassen hat. Die 
Gemäldegalerie im Palazzo di Capodimonte 
zu Neapel besitzt eine bedeutende Tafel. 
Ein von ihm signiertes Triptychon, jetzt 
in der National Gallery zu Washington, 
kam aus Neapel. Bei dem regen Kunst- 
handel zwischen Siena und Neapel ist es 
durchaus möglich, daß schon vor der 
ersten Gesandtenreise an den Hof der 
Anjou, 1354, WO die zwielichtige Königin 
Johanns. I. an Liebesintrigen und rau- 
schenden Festen mehr Freude fand als an 
Regierungsgeschäften, Werke des Andrea 
Vanni in die Königsgemächer im Castel 
Nuovo - dem imponierenden „Maschio 
Angioino" im Stadtzentrum - gelang- 
ten5. 7 
Wie eine byzantinische Ikone ist dieses 
Marienbild zum großen Teil mit Treib- 
arbeiten, Grubenschmelzen und transluzi- 
den Emails auf vergoldetem Silber bedeckt. 
Der Hintergrund der Gottesmutter des 
Menschensohnes ist zugedeckt; ebenso der 
ganze Rahmen. Die Aureolen sind getrennt 
gearbeitet; Edelsteine und Perlen zieren, 
Wie Kronen, Mutter und Sohn. Im Kreuz- 
nimbus des Kindes fehlen leider fast alle 
Steine, und nur links ist ein kleiner Wap- 
penschild in Grubenschmelz erhalten. 4 
Das RahmenWerk ist ein kleines heraldi- 
sches Kompendiuxn, das dem Marienbilde 
eine besondere politische Bedeutung gibt, 
deren Situation im Zusammenhang mit 
dem Bilde Interesse erregt. Engere Zu- 
sammenhänge mit der Geschichte des 
Hauses Anjou und Ungarns klären sich auf 
und ermöglichen - meines Erachtens - 
eine genaue historische Ortung des kost- 
baren Kunstwerkes. 
Fünfzehn Platten zeigen in äußerst sorg- 
fältiger Treibtechnik fein modellierte Akan- 
thusblätter, mit einem „gekordelten" Draht 
eingerahmt. Man kann sich des Eindruckes 
nicht erwehren, daß diese Platten mit 
einer sehr fein geschnittenen Matrize serien- 
mäßig auf Bleiunterlagen geprägt worden 
sind. 
Wenn sich auch der Vergleich mit anderem 
Blattwerk der gotischen Reliefkunst auf- 
drängt, bei dem es im allgemeinen un- 
möglich ist, das botanische Vorbild genau 
zu bestimmen, besteht im vorliegenden 
Falle, für mich Wenigstens, nicht der ge- 
ringste Zweifel, daß es die seit dem Alter- 
tum bekannte Pflanze ist. Und nicht nur 
4 
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geschnitten hat, zeigt das Akanthusblatt 
von der Unterseite, wo die „Nerven" 
plastisch scharf vortreten. Außerdem hat 
er nicht den von den Hellenen bevorzugten 
„Acanthus rnollis" zum Vorbild genom- 
men, sondern die in Süditalien - auch in 
der Neapler Umgebung - Wachsende Ab- 
art „Acanthus spinosus", die, wie die 
lateinische Bezeichnung andeutet, sich durch 
noch rnarkiertere Zuspitzung und Härte 
der Blätter auszeichnet. Beide Arten ge- 
hören zur Pflanzenfamilie der Rachen- 
blütler (Scrophulariaceae). Diese botanische 
Identifizierung hat bei der nachher zu be- 
sprechenden Herkunft des Meisters der 
Goldarbeiten auf dem Schatzkammerbild 
ein nicht zu unterschätzendes Gewicht 6. 
Die den Bildhintergrund bedeckenden vier 
Platten zeigen das Wappen der Anjou: 
dunkelblau, mit goldenen Lilien besät. 
Auffallend ist die gestreckte Form der 
Lilien. Durch ihr enges Zusammenriicken 
ergibt sich ein Teppichmuster. 
Die gemugelten Edelsteine der Marien- 
krone weisen eigenartige Fassungen auf, 
wie sie für die französische und die mit 
ihr eng verbundene neapolitanische ju- 
welierkunst typisch sind: rechteckige bis 
quadratische Fassungen in Form von ab- 
gestumpften Pyramiden laufen in Klam- 
mern aus, welche die Steine umschließen. 
Die Perlen sind mit einem Niet direkt auf 
die Bodenplatte aufgesetzt. Der Nietkopf 
ist eine kleine Goldkugel. Auf die Form 
der Steineinfassungen wird noch zurück- 
zukommen sein. 7 
Nun zu den Wappenschilden des Rahmen- 
werks, insgesamt fünfzehn Platten. Drei- 
mal sehen wir das Allianzwappen Ungarn- 
Anjou, Wobei nur die eine Hälfte des 
ungarischen Wappens erscheint, viermal 
rot und weiß, horizontal. Die andere 
Hälfte, die dem Zeichen der Anjou hat 
Platz machen müssen, wird separat vier- 
mal gebracht: grün mit dem apostolischen 
Doppelkreuz in Gold. Weitere viermal 
erscheint das Wappen des Königreiches 
Polen: rot mit dem gekrönten Adler, mit 
hängendem Flug, in Silber. Noch weitere 
viermal erscheint auf rotem Felde ein 
Vogel Strauß mit einem Hufeisen im 
Schnabel. Das Fehlen einer Umrahrnung 
in Schildform und deren dreimalige Vari- 
ierung geben zu erkennen, daß es sich 
nicht um ein eigentliches Wappen, sondern 
um ein Wahlzeichen i etwa im Sinne der 
„impresa" der italienischen Renaissance 7 
handelt. 
All diese Zeichen beziehen sich auf Ludwig 
den Großen aus dem Geschlecht der Anjou 
von Neapel. Um sie besser zu verstehen, 
erscheint es mir angebracht, zunächst die 
genealogische Situation darzulegen, welche 
den Ungarnkönig rnit Neapel verknüpft. 
Seine weitblickende Politik würde, wenn 
er am Fuß des Vesuvs einen ebenbürtigen 
Gegenspieler gefunden hätte i und nicht 
die verbuhlte johanna I. -, Südosteuropa 
ein ganz anderes Gesicht gegeben haben. V 
Karl I. von Anjou, der Niederkämpfer der 
Staufer, beherrscht sein Reich r nach dem 
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