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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 102)

Sigfried Asche 
ZWEI GUE_R1DONS VON 
BALTHASAR PERMOSER 
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Leben und Werk Balthasar Permosers 
(geb. 1651 in Kammer bei Traunstein, 
gest. 1732 in Dresden) wurden spät von 
der Forschung entdeckt. Der Historiker 
Hans Beschorner trug 1913 alles Erreich- 
bare zusammen. Dem Kunsthistoriker Ernst 
Michalski kommt das Verdienst zu, das 
Werk Permosers 1927 der Öffentlichkeit 
bekannt gemacht zu haben. Wilhelm Boeck 
und Eberhard Hempel haben die Forschung 
weitergeführt. In der Folgezeit wurde 
Permoser in seiner hohen Bedeutung er- 
kannt. Der Wunsch, sein Werk zu er- 
weitern, ließ es durch vielerlei Zuweisung 
sehr anwachsen. Der Gewinn war zweifel- 
haft. Ein großer Teil der Vorschläge 
wurde auf Grund von Skulpturen angeregt, 
die ihrerseits nur Zuweisungen waren, so 
daß es längst an der Zeit war, das Werk des 
Meisters neu zu ordnen. Ich habe das 1966 
versucht, wobei die seltenen signierten 
oder urkundlich verbiirgten Arbeiten Grund- 
lage warenl. Daß dabei neue urkundliche 
Funde zu bisher unerkannten Schnitz- 
werken Permosers verwendet werden konn- 
ten, war willkommen 2. 
Wenn nun, nach der Überprüfung, für 
immerhin 85 Arbeiten sein Name nicht 
mehr in Anspruch genommen werden 
kann, so stehen dem doch ebenso viele 
Werke und Werkgruppen gegenüber, für 
die Permosers Name zu Recht besteht3. 
Trotzdem bleibt es eine Aufgabe, zu 
untersuchen, ob es nicht doch noch bisher 
unerkannte Arbeiten des Meisters geben 
könnte - ganz abgesehen davon, daß 
Werke völlig neu auftauchen, bei denen 
die Frage nach dem Meister zu Permoser 
führen könnte. Die Anzahl seiner uns 
bekannten, aber verschollenen Arbeiten ist 
sehr groß. 
In den Wochen, als der Druck meines 
Buches beendet wurde, erschien im Kunst- 
handel ein Katalog, der für zwei Gueridons 
den Namen Permoser in Anspruch nahm 4. 
Es gelang, Wenigstens noch einen Hinweis 
einzuschieben5. Allerdings konnte auf 
Grund der Bilder und in der gebotenen 
Eile die endgültige Entscheidung nicht 
getroffen werden. Im Für und Wider 
knapper Angaben blieb die endgültige 
Antwort olfen. So ist eine neue Unter- 
suchung schon darum berechtigt. Sie wird 
notwendig, weil die eingehende Betrachtung 
vorm Objekt doch wesentliche, neue 
Grundlagen offenbart und die stilktitische 
Prüfung zu anderen Ergebnissen führen 
muß. 
Es handelt sich um ein Paar Gueridons 
(Schwarzerle, ganze Höhe 170 bzw. 172cm, 
die Figuren 136 bzw. 137 cm)(Abb. 1-5). 
Auf dreiseitigen, mit Masken verzierten und 
an den Kanten in Voluten auslaufenden 
Sockeln stehen die Allegorien von „Herbst" 
und „S0mmer". Ein Jüngling hält eine mit 
Weintrauben und Weinlaub umkränzte 
Schale empor. Er ist mit einem gleichartigen 
Kranz gegürtet. Die Rechte stützt er auf 
einen Stamm. Als Allegorie des Sommers 
ist ein junges Mädchen dargestellt, welches 
ein Ährenbündel emporhält, dem offen- 
sichtlich der Abschluß einer Abdeckung 
fehlt. Das Ganze war mit starker Fassung 
überzogen: dunkelfarbenes Gold auf 
weitgehend künstlich durchgeriebenem 
Bolus. 
Bei der Beurteilung Permosefscher Schnitz- 
werke taucht zuerst die Frage nach der 
Fassung auf. Der Meister, der sich in 
mancherlei Bezug dem deutschen mittel- 
alterlichen Schnitzwerk nahe fühlteö, hat 
dennoch recht selten seine Arbeit unter 
abdeckende Fassung gebracht. Die beiden 
Kruzifixe in Florenz und Bautzen tragen 
sie zweifellos aus dem Grunde des Alther- 
gebrachten, der Pistoieser Kruzii-lxus aber 
ist ungefaßtl Die Bautzener Kirchenvater 
sind sehr dünn weiß planiert; ob sie an 
ihrem Bestimmungsort Dresden bereits 
gefaßt waren oder erst 1753, als sie in 
Bautzen Aufstellung fanden, angleichend 
behandelt wurden, steht dahin. Die Kanzel 
der Dresdner Hofkirche von 1712 war - 
wie zahlreiche Flämische Werke gleichen 
Themas - ungefaßt. Erst 1724 erhielt sie 
eine dünne Vergoldung. Die dicke Weiß- 
fassung ist Zutat von 1748! Bleibt der 
Mohr mit der Smaragddruse im Grünen 
Gewölbe. Er ist aus Ebenholz geschnitten. 
Die heutige Lackierung - nicht also 
eigentliche „Fassung" - wird, wie der 
Schmuck der Figur, Zutat der Dinglinger- 
Werkstatt sein. Permoser entwickelte aus 
dem Material heraus Farbigkeit: wie beim 
Ebenholz, so im bunten Marmor der 
„Verdamrnnis" in Leipzig und bei den 
drei Fassungen des „Christus in der 
Marter"7. 
Und tatsächlich: die Fassung der Münch- 
ner Gueridons ist neu. Proben bewiesen es. 
Das Ährenbündel des „Sommer? War 
abgebrochen. Dennoch war die Bruchstelle 
einheitlich mit Fassung überdeckt. Die 
Traubendekoration der Schale des „Herbst" 
war mit moderner Schraube auf der Wein- 
schale befestigt. Dennoch aber zeichnete 
sich in der Fassung nichts von einer Fuge 
ab. Unter der Fassung lagen zahlreiche 
Wurmlöcher, die mit Bolus oder Kreide 
gefüllt bzw. abgedeckt waren. Das frei- 
gelegte Holz ist nachgedunkelt, teils auch 
schmutzig. Kurz: der Eindruck der bran- 
stig-rotgoldenen, weitgehend künstlich 
durchgeriebenen Fassung, als Zutat einer 
Restaurierung des 19. Jahrhunderts, wurde 
durch den Befund bestätigt. 
Nach der Freilegung kamen Figuren zum 
Vorschein, die in subtilster Schnitzerei von 
gratig-scbarfer Akzentuierung bis zu kaum 
noch erkennbarem Verschwimmen der 
Formen durchgearbeitet sind. Nichts deutet 
daraufhimdaß etwadie Fassung die weitere 
Modellierung von Einzelheiten zu über- 
nehmen hätte. Im Gegenteil, die im 
Charakter kleinplastische Art der Behand- 
lung widersetzt sich jedem Überzug, der 
ja auch tatsächlich alles wulstig-weich 
überdeckt hatte. 
Ehe wir die Figuren betrachten, soll ein 
kurzer Blick den Sockeln gelten, die eben- 
falls modern gefaßt sind. Permoser hat sich 
eigenhändig mit ornamentalen Zutaten 
kaum beschäftigt. ln souveräner Art läßt 
er seine Figuren gänzlich unverbunden auf
	        
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