Sigfried Asche
ZWEI GUE_R1DONS VON
BALTHASAR PERMOSER
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Leben und Werk Balthasar Permosers
(geb. 1651 in Kammer bei Traunstein,
gest. 1732 in Dresden) wurden spät von
der Forschung entdeckt. Der Historiker
Hans Beschorner trug 1913 alles Erreich-
bare zusammen. Dem Kunsthistoriker Ernst
Michalski kommt das Verdienst zu, das
Werk Permosers 1927 der Öffentlichkeit
bekannt gemacht zu haben. Wilhelm Boeck
und Eberhard Hempel haben die Forschung
weitergeführt. In der Folgezeit wurde
Permoser in seiner hohen Bedeutung er-
kannt. Der Wunsch, sein Werk zu er-
weitern, ließ es durch vielerlei Zuweisung
sehr anwachsen. Der Gewinn war zweifel-
haft. Ein großer Teil der Vorschläge
wurde auf Grund von Skulpturen angeregt,
die ihrerseits nur Zuweisungen waren, so
daß es längst an der Zeit war, das Werk des
Meisters neu zu ordnen. Ich habe das 1966
versucht, wobei die seltenen signierten
oder urkundlich verbiirgten Arbeiten Grund-
lage warenl. Daß dabei neue urkundliche
Funde zu bisher unerkannten Schnitz-
werken Permosers verwendet werden konn-
ten, war willkommen 2.
Wenn nun, nach der Überprüfung, für
immerhin 85 Arbeiten sein Name nicht
mehr in Anspruch genommen werden
kann, so stehen dem doch ebenso viele
Werke und Werkgruppen gegenüber, für
die Permosers Name zu Recht besteht3.
Trotzdem bleibt es eine Aufgabe, zu
untersuchen, ob es nicht doch noch bisher
unerkannte Arbeiten des Meisters geben
könnte - ganz abgesehen davon, daß
Werke völlig neu auftauchen, bei denen
die Frage nach dem Meister zu Permoser
führen könnte. Die Anzahl seiner uns
bekannten, aber verschollenen Arbeiten ist
sehr groß.
In den Wochen, als der Druck meines
Buches beendet wurde, erschien im Kunst-
handel ein Katalog, der für zwei Gueridons
den Namen Permoser in Anspruch nahm 4.
Es gelang, Wenigstens noch einen Hinweis
einzuschieben5. Allerdings konnte auf
Grund der Bilder und in der gebotenen
Eile die endgültige Entscheidung nicht
getroffen werden. Im Für und Wider
knapper Angaben blieb die endgültige
Antwort olfen. So ist eine neue Unter-
suchung schon darum berechtigt. Sie wird
notwendig, weil die eingehende Betrachtung
vorm Objekt doch wesentliche, neue
Grundlagen offenbart und die stilktitische
Prüfung zu anderen Ergebnissen führen
muß.
Es handelt sich um ein Paar Gueridons
(Schwarzerle, ganze Höhe 170 bzw. 172cm,
die Figuren 136 bzw. 137 cm)(Abb. 1-5).
Auf dreiseitigen, mit Masken verzierten und
an den Kanten in Voluten auslaufenden
Sockeln stehen die Allegorien von „Herbst"
und „S0mmer". Ein Jüngling hält eine mit
Weintrauben und Weinlaub umkränzte
Schale empor. Er ist mit einem gleichartigen
Kranz gegürtet. Die Rechte stützt er auf
einen Stamm. Als Allegorie des Sommers
ist ein junges Mädchen dargestellt, welches
ein Ährenbündel emporhält, dem offen-
sichtlich der Abschluß einer Abdeckung
fehlt. Das Ganze war mit starker Fassung
überzogen: dunkelfarbenes Gold auf
weitgehend künstlich durchgeriebenem
Bolus.
Bei der Beurteilung Permosefscher Schnitz-
werke taucht zuerst die Frage nach der
Fassung auf. Der Meister, der sich in
mancherlei Bezug dem deutschen mittel-
alterlichen Schnitzwerk nahe fühlteö, hat
dennoch recht selten seine Arbeit unter
abdeckende Fassung gebracht. Die beiden
Kruzifixe in Florenz und Bautzen tragen
sie zweifellos aus dem Grunde des Alther-
gebrachten, der Pistoieser Kruzii-lxus aber
ist ungefaßtl Die Bautzener Kirchenvater
sind sehr dünn weiß planiert; ob sie an
ihrem Bestimmungsort Dresden bereits
gefaßt waren oder erst 1753, als sie in
Bautzen Aufstellung fanden, angleichend
behandelt wurden, steht dahin. Die Kanzel
der Dresdner Hofkirche von 1712 war -
wie zahlreiche Flämische Werke gleichen
Themas - ungefaßt. Erst 1724 erhielt sie
eine dünne Vergoldung. Die dicke Weiß-
fassung ist Zutat von 1748! Bleibt der
Mohr mit der Smaragddruse im Grünen
Gewölbe. Er ist aus Ebenholz geschnitten.
Die heutige Lackierung - nicht also
eigentliche „Fassung" - wird, wie der
Schmuck der Figur, Zutat der Dinglinger-
Werkstatt sein. Permoser entwickelte aus
dem Material heraus Farbigkeit: wie beim
Ebenholz, so im bunten Marmor der
„Verdamrnnis" in Leipzig und bei den
drei Fassungen des „Christus in der
Marter"7.
Und tatsächlich: die Fassung der Münch-
ner Gueridons ist neu. Proben bewiesen es.
Das Ährenbündel des „Sommer? War
abgebrochen. Dennoch war die Bruchstelle
einheitlich mit Fassung überdeckt. Die
Traubendekoration der Schale des „Herbst"
war mit moderner Schraube auf der Wein-
schale befestigt. Dennoch aber zeichnete
sich in der Fassung nichts von einer Fuge
ab. Unter der Fassung lagen zahlreiche
Wurmlöcher, die mit Bolus oder Kreide
gefüllt bzw. abgedeckt waren. Das frei-
gelegte Holz ist nachgedunkelt, teils auch
schmutzig. Kurz: der Eindruck der bran-
stig-rotgoldenen, weitgehend künstlich
durchgeriebenen Fassung, als Zutat einer
Restaurierung des 19. Jahrhunderts, wurde
durch den Befund bestätigt.
Nach der Freilegung kamen Figuren zum
Vorschein, die in subtilster Schnitzerei von
gratig-scbarfer Akzentuierung bis zu kaum
noch erkennbarem Verschwimmen der
Formen durchgearbeitet sind. Nichts deutet
daraufhimdaß etwadie Fassung die weitere
Modellierung von Einzelheiten zu über-
nehmen hätte. Im Gegenteil, die im
Charakter kleinplastische Art der Behand-
lung widersetzt sich jedem Überzug, der
ja auch tatsächlich alles wulstig-weich
überdeckt hatte.
Ehe wir die Figuren betrachten, soll ein
kurzer Blick den Sockeln gelten, die eben-
falls modern gefaßt sind. Permoser hat sich
eigenhändig mit ornamentalen Zutaten
kaum beschäftigt. ln souveräner Art läßt
er seine Figuren gänzlich unverbunden auf