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es ostasiatische Szenerien gewesen zu sein, 
denn eine Eintragung Schindlers im Kon- 
versationsheft lautet 9: 
darf da: Mädl rzirbl 
in China aufdecken, 
damit rie keinen Lärm 
im großen Zim, wohl 
weil der Baron 
unten Jrbliifl. 
Wie Breuning nach mündlichen Mit- 
teilungen Schindlers berichtet m, hatte Prö- 
nay sich einzig und allein ausbedungen, claß 
Beethoven in dem gartenseitig gelegenen 
Raum der insgesamt vier Zimmer um- 
fassenden Sommerwohnung abends keinen 
Lärm machen solle, weil er 1011er demtelben 
rellut und {war xebr [ein rzblide. Die kleine 
Einschränkung scheint Beethoven bald auf 
die Nerven gegangen zu sein, er begann 
Jirh unheimlirb im Haine zu fühlen und 
soupierte von nun an absichtlich über dem 
Schlafzimmer des Barons, wobei er sich 
möglichst hörbar machte. Diese Mitteilung 
stimmt mit den folgenden Eintragungen 
im Konversationsheft überein, mit denen 
sich Schindler wegen seiner vorwitzigen 
Frage rechtfertigt: 
irb wußle nirlrl, daß Xie 
der Kälte wegen diue: 
Zimer gewählt haben . . . 
Der „verbotene" und eben darum so an- 
ziehende Raum ist fraglos das Landschafts- 
zimmet. Welch tiefsinniges Gleichnis bietet 
sich da an! Wäre nicht Paradies treffender 
als China gewesen? Aber die ganze Sache 
erschien Beethoven wohl nur lächerlich, 
das absonderliche, unbewohnbare Zimmer 
und der schrullige Baron, der tagsüber 
seine Pelargonien bcschnüffelte und mit 
dem Abendstern zu Bett ging, noch dazu 
im Gartensaal zu ebener Erde. 
Der Ofen aus Beethovens Zimmer ist ein 
ganzer Landschaftsausschnitt: unten ein 
felsig zerklüftetet Grund mit Schwam- 
merln, Fröschen und einer Eidechse, oben 
der knorrige Strunk einer mächtigen Eiche 
mit verkrüppelten Ästen und sparlichem 
Laub. Über Stamm und Grund schlingt 
sich Efeu, oben auf dem Strunk steht eine 
große Uferschnepfe, die mit ihrem langen 
Schnabel eben auf eine Natter hinfährt. 
In technischer Hinsicht handelt es sich um 
einen Überschlagofen aus gebranntem Ton, 
jedoch ohne Glasur; er ist statt dessen 
mit Tempera in den Naturfarben bemalt. 
Die ihrer Art nach nicht sehr beständige 
Bemalung ist bei der Restaurierung stark 
aufgefrischt worden. Der Ofen ist ungefähr 
2m hoch, der Durchmesser beträgt unten 
zwischen 80 und 90 cm, oben 72 cm. 
Oberteil und Unterteil bestehen aus ie 
vier mit Rippen versehenen Stücken. Die 
Deckplatte mit dem Vogel ist aus einem 
Stück. Ein Heizkasren fehlt von jeher; 
der Ofen, der vom Nebenraum zu heizen 
war, muß daher nahe an der Wand ge- 
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standen sein. Er wird nicht oft benützt 
worden sein, denn ein wirklich brauchbarer 
Heizkörper ist er nicht. 
Freilich ist dieses ungewöhnliche Hafner- 
kunststück auch kein solches Unikum, wie 
man zunächst glauben möchte. Ähnliches 
hat es gewiß in manch anderem Land- 
schaftszimmer gegeben. F. Blümel weiß 
allerdings von nichts dergleichen zu be- 
richten, sieht man von einem sonst nor- 
malen Ernpire-Aufsatzofen im Garten- 
zimmer des Behn-Hauses in Lübeck ab, 
dessen Rauchabzugrohr als Baumstamm 
gebildet war". Doch hat sich auch in 
Schloß Schönbrunn ein Baumofen et- 
halten, er steht in einem der Bergl-Zimmer 
(früher Goäss-Appartement). Hier ist es 
eine knorrige Weide, auf der Vögel nistcn 
und allerlei anderes Getier sein Wesen 
treibt. Dieser erst kürzlich restaurierte 
Tonofen ist zur Gänze vergoldet. Die 
Frage ist, ob nicht auch er ursprünglich in 
den Naturfarben bemalt gewesen ist. 
Die illusionistische Ausschmückung der 
Bergl-Zimmer, von der nur ein schwacher 
Abglanz auf uns gekommen ist, fällt in die 
Zeit um 1775, und eben damals dürfte 
auch das Landschaftszimmer im l-letzen- 
dorfer Haus entstanden sein; daß die 
Ausgestaltung des Hauses in seine „hö- 
fische" Periode, also zwischen 1743 und 
1784 fällt, ist ja kaum anzuzweifeln. 
H. Tietze hat zwar den Bau Ende des 
18. Jahrhunderts datiertlz, ich möchte 
aber allein an Hand von Photographien 
die Bauzeit früher, mehr gegen Mitte des 
Jahrhunderts, ansetzen. Man muß nur die 
häßlichen Zutaten des 19. Jahrhunderts 
wegdenken. 
Es bleibt die Frage nach dem Schöpfer der 
beiden so nahe verwandten Baumöfen. 
Für Schönbrunn haben um 1775 dic 
Wiener Hafner Adamer und Oswald ge- 
arbeitet 13, aber von wem stammt Idee und 
Entwurf? Ich nenne mit gebotener Vor- 
sicht Johann Ferdinand Hetzendorf von 
Hohenberg (1732-1816), der 1775 in den 
Hofdienst getreten ist und gleich mit der 
Leitung der Hofbauten vor den Linien 
Wiens betraut wurde. Hohenberg hat sich 
in seiner Frühzeit hauptsächlich mit Theater- 
und Festdekorationen befaßr, und der 
Zusammenhang der Landschaftszimtner und 
ihrer Einrichtung mit dem illusionistischen 
Bühnenbild ist ja evident. Vielleicht ist 
also der Schöpfer der Römischen Ruine 
und der Obeliskgrotte im Park von Schön- 
brunn der Urheber der Baumöfen. Sie 
gehören ein und derselben Gedankenwelt 
an: Zeugnisse eines eigentümlichen, magi- 
schen Naturalismus, der auch das Panorama 
und andere imitative Artefakte hervor- 
gebracht hat, stilistisch in einem seltsamen 
Niemandsland zwischen Rokoko und R0- 
mantik beheimatet, dem einen wie dem 
andern ebenso nah wie fern, und unbe- 
stimmt erklärbar aus dem naiven Natur- 
gefühl der Epoche Jean Jacques Rousseaus 
und aus den Verheerungen, die die Auf- 
klärung in der barocken Weltvorstellung 
angerichtet hat. 
ANMERKUNGEN 9A13 
9 Konvcrsatioushefl Nr. 39 (cm: Augusthälftc 1823), 
Blatt 13V. DCuBChc Slutsbibliolhrk, Btrlin. Für den 
Einblick bin ich Herrn Dr. Karl-Heinz Köhlcr Zu Dank 
vcrpßichter. 
w ÄIIS dCTn Schwarßpanicrhzusc. Wim 1374, S. Mf. 
11 Deutsch: Öfen. München 1965, S. 163 u. Abb. S. 312. 
Ub dißts Abzugsrohr nicht von tintm ällcrtn Ofen 
stammt? 
u In dem von ihm bearbeiteten. btltil! angeführten Bind 
dcr Österr. Kunsrtopographic. s. 4a. 
u H. Tictzc. i. a. 0-, S. XVII. Die ziliexte Urkunde hcllim 
allerding nur "die in die neuen japanischen Zimmer zu 
setzenden Öfen".
	        
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