der Kunstwelt
Berichte
Informationen
Streiflichter
lesmi nisterium für Unterricht
cherstatistik der Staatlichen
esn und Kunstsammlungen
Bundesministerium fui Unterricht gibt
int, daß in den ihm unterstehenden
lichen Museen und Kunstsammlun-
in den Monaten November 1968
L7 und Dezember 1968 56,320 Besu-
gezählt wurden.
Albertina - Das graphische Werk
von Ernst Fuchs
Mit den bisherigen Ausstellungen, die zeit-
genössischen Kiinstlern gewidmet waren,
erlitt die Albertina zumeist Schiffbruch. Das
Zustandekommen dieser Expositionen war
nämlich weniger das Flesultat streng ange-
legter Werimaßstabe und eines entsprechen-
den Konzeptes als vielmehr ein Produkt außer-
kunstlerlscher Uberlegungen und eines ge-
wissen Druckes von oben.
Bei der Ausstellung des druckgraphischen
CEuvres von Ernst Fuchs lagen die Verhalt-
nisse freilich anders. Ein volles Ja zu dieser
Retrospektive, die im Anschluß in Wien von
der Frankfurter Galerie Sydow übernommen
wurde, kannte jedoch auch hier nicht aus-
gesprochen werden.
Walter Koschatzky, der Direktor jener Samm-
lung, der der führende Graphiker unter den
Malern der Wiener Schule ein Gutteil wesent-
licher Anregungen und mit das Fundament
fur sein konstantes Bekenntnis zur Tradition
verdankt, will die Ausstellung von Ernst Fuchs
als Auftakt zu weiteren Expositionen ver-
standen wissen, die die wesentlichsten Gra-
phiker unseres Landes einem großen Publikum
nahebringen sollen. im Sinne internationaler
Aufwertung österreichischer Gegenwartskunst
(sie ist zweifellos nicht nur in Einzelfallen
berechtigt und natwandig) soll die naii ge-
startete Ausstellungsreihe eine wichtige Funk-
tion erfiillen. Ob es freilich klug war. ein derart
retrosoektiv eklektizistisches und - zum
Teil - nur noch mit einem Schlagwort wie
Nobelkitsch zu apostrophierendes Werk wie
das von Fuchs für den Beginn auszuwahlen,
sei dahingestellt. Die bis 2. Februar 1959
lerminisierte, ini großen unteren Raum des
Institutes untergebrachte Schau umfaßte mit
139 Blattern aus der Zeit von 1950 bis 1968
das gesamte druckgraphlsche Euvre des1930
in Wien geborenen Künstlers. Der Uberblick,
den sie ermoglichie, war eine fur das Kennen-
lernen der geistigen Haltung von Fuchs ebenso
aufschluß- und umfangreiche Vergleichsbasis
wie fiir das außergewohnliche handwerkliche
Können, das so gut wie jeder nur erdenklichen
Gegenüberstellung standhalt.
In der Kunst nach 1945 bildet - lokal und
international gesehen - das Werk von Ernst
Fuchs zusammen mit denjenigen der anderen
Wiener Phantasten einen Anachronismus spe-
zifischer Art. Die Meinungen darüber sind
kraß divergierend, Das betrifft selbst die weit-
aus interessanteren Anfange von Fuchs, die
noch nicht mit den Abstrichen großen Er-
folges und den Konzessionen an einen erotisch
ausgerichteten Publlkumsgeschmack versehen
sind, für die der von Sydow herausgebrachte
Zyklus von Farbradierungen mit iiani Titel
.Die sieben Bilder und Sprüche der Sphinx"
symptomatisch ist. Ernst Fuchs war als
Künstler solange diskulabel, als man ihiri
seine l8llgiO5_ inspirierten Visionen und
Trauma, die Angste und Gleichnisse seiner
Aymbolistischen Metaphorik" noch glaubte
und glauben konnte. Von Ausnahmen abge-
sehen, war dies der Zeitraum von 1950 bis
1952. Fuchs war zwar auch damals kein
Avantgardist, kein Exparimentierer oder Neue-
rer, dafür jedoch eine starke Persönlichkeit
der Wiener Kunstszene. die viele in ihren Bann
zog und als Gegenpol zu anderen Stromungen
und Tendenzen, wie etwa der Gruppe um die
Galerie St. Stephan, galt.
In der vielschichtigen Auseinandersetzung mit
seinem verschlüsselten, literarischen Werk
kommt es mehr als in anderen Beispielenuzeit-
genclssischer Kunst auf grundsatzliche Uber-
legungen an, Diese betreffen weniger die
zahlreich vorhandenen Fakten artistischer
Konnerschaft und die oft bewundernswerte
kompositorische Dichte als vielmehr jene
Problemkreise, die mit Begriffen wie Zeit-
gemäßheit, Lauterkeit und geistiger Haltung
zu umschreiben sind. In jenen Kreisen, die
sich in Osterreich mit bildender Kunst ein-
gehend beschäftigen. sind die Antworten auf
die hier skizzierten Fragen bereits gegeben.
konnte man doch in zahlreichen kleineren Aus-
stellungen immer wieder die neuesten Radie-
rungen von Fuchs kennenlernen. Nicht zuletzt
deshalb glich die Albertina-Ausstellung so-
mit einer Plattform des bereits Etablierten
(Abb. 1, 2).
Museum des 20. Jahrhunderts -
Arnulf Rainer
Arnulf Rainer als den zur Zeit vermutlich
interessantesten und stärksten österreichischen
Maler und Graphiker zu bezeichnen, ist keine
Ubertreibung. Durch den imponierenden
(Euvrequerschnitt, den seine bisher größte
und wichtigste Kollektive im Wiener Museum
des 20.Jahrhunderts vermittelte. erfuhr das
Gesagte jedenfalls kompakte Bestätigung.
Werner Holmann, der sich in dem glänzend
gelungenen Katalog ausführlich ritii Rainer
beschaftigte, hob aus Anlaß der Eroffnung der
153 Werke umfassenden Exposition nicht nur
die Konsequenz, Risiko- und Provokations-
freudigkeit des Künstlers hervor, sondern auch
diegeistigen Dimensionen Rainerscher Malerei,
was seiner Meinung nach dazu berechtigt,
den Maler als eine der wichtigsten Künstler-
persönlichkeiterl des heutigen Europa überr
haupt zu werten.
Die - leider nicht besonders günstig gehangte
- Schau enthielt Arbeiten aus beinahe zwei
Jahrzehnten. Sie dokumentierte das Schaffen
eines Künstlers, der bewußt und wiederholt
das Wagnis im Sinne extremster bildnerischer
und geistiger Notwendigkeit einging, um da-
durch dem z_u entgehen, was man einerseits
als bloßen Asthetizismus und Formalismus,
anderseits aber auch als ungenügendes geis
ges Aufwärmen und Nachvollziehen be-
zeichnen könnte,
Ähnlich wie bei Hundertwasser verlief auch
die Entwicklung Rainers, der 1929 in Baden
bei Wien geboren wurde und nach der Matura
iui Hochbau lediglich dreieinhalb Tage an
Wiener Kunstakademien zubrachte, unter den
Vorzeichen und Bedingungen lange zeit hin-
durch mißverstandenen, ja vielfach überhaupt
ignorierten Außcnseitertums. Ahnlich wie
Hundertwasser nahm auch der Einzelgänger
Rainer wiederholt in Manifesten und provo-
katorischen Kundgebungen zur Situation der
Kunst Stellung. um sich durch klare Formu-
lietulig des eigenen Standpunktes - unab-
hängig vom Beifall des Publikums m Rechen-
schaft zu geben und zu belegen, wofur der
konsequente Einsatz geleistet wird.
Bereits 1951, am Beginn seiner Ausstellungs-
tätigkeit mit der .Hundsgruppe", schockierte
Rainer mit einer "Publikumsbeschimpfung" an
Stelle der üblichen Erolfnungsrede. Noch im
selben Jahr unternahm er Versuche, mir ge-
schlossenen Augen zu arbeiten. Die Ergebnisse
dieser ..Blindmalerei" stellte er dann unter dem
Pseudonym JRRH" aus. Zusammen mit
Ernst Fuchs und Hundertwasser gründete
Rainer 1959 das ,Pintorarium", eine Anti-
akademie in Form eines plakatienen Mani-
festes, gedacht als ,i3ruistatte kultureller
Provokation".
Um 1958 setzte Bainers bisher umstrittenste
Periode, die der Ubermalungen, Uberdeckun-
gen und Uberzeichnungen, ein, die 1962 mit
einer gerichtlichen Verurteilung wegen der
offentlichen Uhermalung eines pramllerten
Bildes in der Volkswagenstadt Wolfsburg
ihren biographischen Hohepunkt verzeichnet.
Rainer ubermalte in den Jahren bis 1963
nicht nur eigene Arbeiten (wobei allerdings
die Ubermalung immer nur gradueller Natur
war und außer auf differenzierende Viel-
schichtlgkeit stets auch auf das Freilassen
weißer Bildpartien bedacht war), sondern
auch Bilder und Graphiken von Kollegen wie
Sam Francis, Emillo Vedova, Vasarely und
Georges Mathieu, die man zu diesem Zweck
bereitstellte.
In dieser Periode entstanden ernste, kontam-
plative, in der Regel fest monochrome Bilder,
zu denen man erst heute den entsprechenden
Abstand besitzt, um sie in ihrer notwendigen
Radikalität aus der subjektiven Sicht des
Künstlers, aber auch im Hinblick auf die in-
zwischen eingetretene Entwicklung der Malerei
zu verstehen.
Zu seinen in gewisser Weise durch den Sur-
realismus beeinflußten, doch nichtsdesto-
weniger ungemein eigenstandigen, seelische
Tiefen und Bawußtseinsschichien auslotenden
Anfangen um 1950 kehrte Rainer 1964 zu-
riick. Sein Bestreben, nach einer Periode über-
deckter. doch nicht ganzlich ausgemttetar
Gegenständlichkeit sich wieder ..voller Wahn-
willen von lrrwelten, Fremdwesen und Neo-
morphismen überschwemmen zu lassen",
findet im Sammeln von Arbeiten irrer und
oftmaligen Rausch- und Drogenexperimenten
unter ärztlicher Aufsicht erkenntnisfordernde
Unterstützung.
Hofmann spricht im Zusammenhang damit
von einer geradezu ,.ekstatischen Erlosungs-
hoffnung, von dunkler Erinnerung an die ur-
sprüngliche Ganzheit und der Sehnsucht nach
dem verlorenen Paradies der Instinkte",
Was Rainer seit 1964 unter der Einbeziehung
von Offsetdrucktechniken leistete, stellte heute,
knapp vier Jahre später, bereits einen aus-
gedehnten Komplex intensiver Auseinander-
setzung und bildnerischer Bewaltigung dar.
Rainers immer starker von der Zeichnung her
bestimmte Biatter sind originare Zeugnisse
neu gewonnener Erfahrungen, die - umge-
setzt in einen adaquaten, bedruckandan .hallu-
zinaiiven Stil" - unsere Vorstellungen von
Kunst und deren legitimen Moglichkeiten im
Sinne eines permanenten Streitgespraches er-
weitem.
Eine Ausstellung, die man gesehen haben
mußte (Abb. 3).
Wiener Künstlerhaus - Horst
Janssen, Karl Korab
Sich drei Jahre hindurch um eine Ausstellung
bemüht und diese trotz vieler Widrigkeiten
doch noch bekommen zu haben, zeugt von
Beharrungsvermogen. lnge Zimmer-Lehmann,
vormals initiative Leiterin und Gründerin des
Internationalen Künstlerclubs und gegen-
wärtig als ambitionierte Generalsekretarln im
Künstlerhaus tatig, hat dieses Beharrungs-
vermogen im Falle des deutschen Graphikers
Horst Jansseri unter Beweis gestellt. Was ihr
jedoch als mögliches Novum fur den IKC
verwehrt blieb, gelang als etwas abgestandene
Sensation fui die seit kurzem bestehende
Galerie im Künstlerhaus: eine Janssen-Schau
mit rund 50 Radierungen und Lithos aus dem
Zeitraum von 1958 bis heute. Nach den spieß-
bürgeilichen Eseleien Brauers folgte mit den
sexgeschwangerten, zum Teil pornographi-
schen, doch durch die Bank technisch
brillanten Gustostückerln des 1929 geborenen
Hamburgers eine weitere zugniirriniai garan-
tierter Publikumsgunst.
Die Möglichkeiten einer Stoßkraft ent-
wickelnden, informativen Avantgarde-Galerie
steuert das Künstlerhaus freilich erst gar nicht
an.
BILDTEXTE 173
1 Ernst Fuchs nahm die Pressekonferenz
seiner Albertina-Ausstellung zum Anlaß,
das Publikum mit der Herstellung und
dem Druck einer Radierung vertraut zu
machen
2 Ernst Fuchs, Die Einkleidung Esthers im
Jungfrauenhaus, 1965. Radierung, 30,7X
24,2 cm (Abb. 1, 2 aus der Ausstellung
des Künstlers in der Staatlichen Graphi-
schen Sammlung Albertina, Wien)
3 Arnulf Flainer nach vorgenommener
Selbstübermalung vor einer Zeichnung
jüngeren Datums in seiner Ausstellung im
Museum des 2D. Jahrhunderts Wien
51