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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 103)

werden also z. B. zueinander erfolgende 
Bewegungen um verschiedene Achsen dar- 
zustellen sein, so wird die Darstellung ver- 
wirrend und zum Teil auch ungenau. 
Wenn die Aufgabe der Armillarsphaere die 
Veranschaulichung von Vorgängen ist, 
dann ist auch leicht zu erklären, weshalb 
die „ptolemäischäß also die die Erde als 
Mittelpunkt habende Armillarsphaere, die 
zur Zeit des Ptolemäus nach den Erkennt- 
nissen von Aristarch (um 290 v. Chr.) 
bereits als nicht die Wahrheit darstellend 
erkannt sein mußte, bis spät in das 18. und 
19. Jahrhundert hergestellt xvird5. 
Die ptolemäische, die geozentrische Armil- 
larsphaere stellt die Bewegung und Be- 
ziehung so dar, wie sie vom Betrachter- 
standpunkt aus gesehen werden kann. Die 
kopernikanische, heliozentrische Armillar- 
sphaere zeigt die Wirklichkeit 7 ist aber 
mit der laienhaften Natutbeobachtung 
schlecht zu koordinieren 6. Das Nebenein- 
ander der beiden Arten von Armillar- 
sphaeren beschreibt deshalb auch Bion7, 
dessen Buch die beiden Abbildungen ent- 
nommen sind (Abb. 2, 3). 
Zweifellos verdient die Demonstration der 
Vorgänge vom Betrachterstandpunkt aus 
große Beachtung. Das Entstehen der 
Jahreszeiten für eine bestimmte Polhöhe ist 
ebenso darstellbar wie die für jeden Tag 
des Jahres erreichte Sonnenhöhe, die 
Dauer von Tag und Nacht, die Bedeutung 
der Wendekreise wie der Polarkreise wird 
klar, die Praecession der Aequinoktien ist 
dcmonstrietbar, usw. Bion widmet sein 
Kapitel III (S. 277) dem Gebrauch der 
ptolemäischen Armillarsphaere und gibt 
19 Aufgaben an, die mit der ptolemäischen 
Armillarsphaere lösbar sind. Für die ko- 
pernikanische Armillarsphaere gibt er drei 
Demonstrationsmöglichkeiten an, die aller- 
dings in ihrer Wichtigkeit mit den vorge- 
nannten Aufgaben unvergleichbar sind. 
Schon die ältesten Hinweise lassen darauf 
schließen, daß Armillarsphaeren mit Ringen 
für die Darstellung der Planetenbewegungen 
ausgerüstet wurden (3), dazu gesellten sich 
ingeniöse mechanische Antriebe 3, 3, 9, das 
Lehr-Modell wird kompliziert, zum Teil 
ungenau. Im Unterricht bewährt sich noch 
immer die „einfache" Armillarsphaere, im 
Gegensatz zum Erd- und Himmelsglobus 
ein selten gebrauchtes Lehrgerät, daher 
auch in viel geringerer Stückzahl erhalten 
als der Globus derselben Zeit, obwohl die 
größte Zahl der Armillarsphaeren, aus 
Metall verfertigt, eine bessere Chance zum 
Überdauern hatte. (Bi0ns Abbildungen 
beziehen sich möglicherweise auf Armillar- 
sphaeren, deren Ringe weitgehend aus 
Pappe bestehen, solche sind z. B. erhalten 
im Marincmuseum Greenwich, in Wien 10 
sowie in München 11 dort Abb. 106 (2. Fig. 
- 129). Diese Instrumente sind relativ 
späten Datums. Demgemäß war die aus 
Metall hergestellte Arrnillarsphaere auch 
ein relativ teures Gerät, welches, da das 
Darzustellende hohe Vorstellungsgabe und 
vielleicht auch hohe Bildung von dem mit 
dem Gerät Konfrontierten verlangte, oft 
in Prunkausführung hergestellt und Kunst- 
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kammem oder Fürstenhäusern zugewiesen 
wurde9, 12, 13 und dort mehr bewundert 
als gebraucht, einen metaphysischen Gehalt 
ausstrahlte, über welchen später noch zu 
reden sein wird. 
Kehren wir zu einem typischen Demon- 
strationsobjekt zurück: einer Armillar- 
sphaere (Abb. 1) aus dem 18. Jahrhundert, 
einem offenbar in Wien verfertigten In- 
strument. Die nachstehend näher be- 
schriebene Armillarsphaere ist nach dem 
geozentrischcn System aufgebaut. Sie be- 
sitzt eine Grundplatte mit Kompaß, dieser 
hat keine Mißweisung angegeben, wohl 
aber jeweils 301 nach NNW und NNO zu 
eine Gradeinteilung. Die vier Himmels- 
richtungen sind lateinisch bezeichnet. Die 
Grundplatte aus Messing ist mit Hilfe von 
drei Schlitzschrauben an eine hölzerne 
Unterlagsplatte geschraubt, welche wie- 
derum drei gedrechselte Füßchen trägt, die 
dem Instrument aufciner Unterlage sicheren 
Stand verleihen sollen. An der Grundplatte 
befestigt eine von unten durchgehende 
Schraube den gedrehten Fuß aus Messing, 
der mit vier Viertelkreisen den Horizontring 
trägt. Die Viertclkreise sind, ebenso wie die 
Unterseite des Horizontringes, unbe- 
schriftet. Der Horizontring ist an seiner 
Oberseite innen mit einer Gradeinteilung 
versehen, wobei - bei richtiger Aufstellung 
der Armillarsphacre i bei dem nach N 
und S zeigenden Punkt des Horizont- 
krcises sowohl der Schlitz zur Aufnahme 
des Meridians angebracht ist als auch die 
Gradeinteilung beginnt, die jeweils bis 
zum O- und W-Punkt von O bis 90" ver- 
läuft. Außen trägt der Horizontkreis einen 
Kalenderring mit Angabe der Tierkreis- 
zeichen und deren Symbole, dazu eine 
Unterteilung in 12XO bis 30 Teilstriche, 
nach links umlaufend. 
In die beschriebenen Schlitze eingelassen 
und auf dem Kreuzungspunkt der Viertel- 
kreise durch zwei Messingzungen gehalten, 
ruht für jede Polhöhe einstellbar der Meri- 
diankreis. Dieser trägt eine Gradeinteilung, 
und zwar vom Äquator mit O" bis zum 
Durchgang der Achse mit der Bezeichnung 
90". (Eine solche Einteilung konnte sonst 
nur bei einem Erdglobus von Hondius- 
Rossi [ca. 1615] - soferne dessen Meridian- 
ring original ist -- gefunden werden, die 
Meridianringe von Erd- und Himmels- 
globen von Blaeu, Valk, Doppelmayer, 
Pigon, Fcrguson und Klinger tragen jeweils 
auf dem linken Teil des Meridiankreises 
eine Gradation vom Äquator zum Pol, auf 
dem rechten Teil vom Pol zurn Äquator 
von O" bis 90". Das Bild von Bion zeigt 
aber, ebenso wie Bild 98 aus ll die für die 
beschriebene Armillarsphaere ausgewiesene 
Einteilung.) 
Nahe dem oberen Durchgang der Achse 
durch den Meridianring sind zwei Ein- 
kerbungen und kleine Löcher für die 
Befestigung des Stundenringes (dieser er- 
gänztl) vorgesehen. 
Die drehbare eigentliche Ringkugel wird 
von einer Achse durchzogen, die auf ihrem 
durch den Meridiankreis herausragenden 
Ende den (ergänzten) Stundenzeiger trägt.
	        
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