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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 103)

6 Egon Schiele, Studie zu Stern an der Donau. Öl auf 
Holz, 39,7x31,5 cm, Sign.: Egon Schiele 1 
besitz USA (Kallir, CEeuvlevelz. Nl. 189) 
913. Privat- 
7 Egon Schiele Zeichnung der Frauenbergkirche vom 
Steine! Kreuzberg aus (A Skelchbook by Egon Schiele, 
Johannes Press, New vom 1967, s. 27, 2a) 
8 
Egon Schiele, Hume Weltenegg (19l6?). Bleistilt. 
Skizlenbuch N1. 3 p 1 aus dem Avchiv der Staatlichen 
graphischen Sammlung Albertina Wien 
8:1,!) Ausschnine mit den Croquis aus der Zeichnung 
Ruine Weltenegg (Abb, s) 
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Diese sehr instruktive Erinnerungsnotiz an eine 
konkrete Situation, mit einigen Farbhinweisen, 
kann jedoch keineswegs als Arbeitsunterlage 
gedient haben. Wo sind nun die genauen Vor- 
lagen zu den Bildern Schieles? Diese Frage hat 
für die Städteansichten von Stein ihre besondere 
Berechtigung, denn die vielfältigen Formen der 
Häuser und ihrer Fassaden, die doch im großen 
und ganzen richtig wiedergegeben wurden, kann 
die Erinnerung nicht bewahren. Frau Dr. Comini 
hat am Beispiel der Krumau-Bilder auf die Ver- 
wendung alter Postkarten aufmerksam gemacht 
und damit auf einen sehr plausiblen Weg ver- 
wiesen. Leider konnte, trotz aller Nachforschun- 
gen a für die Städtebilder von Stein eine photo- 
graphische Vorlage bisher nicht festgestellt 
werden. Eine solche Arbeitsweise ist aber schon 
deshalb wahrscheinlich, da wir bisher keinen 
Nachweis für exakte Naturstudien Schieles be- 
sitzen. Dadurch wäre die Arbeitsweise des 
Künstlers neuerlich charakterisiert. In Schieles 
Werk spielt nämlich der Spiegel, im realen wie 
im geistigen Sinn, eine sehr wesentliche Rolle. 
Auch im Photo wird der Naturausschnitt zum 
flächigen Bild, das von der Realität abgehoben 
ist. Und dieses Bild, das sich der Maler vor der 
Natur in solcher Verläßlichkeit nicht einprägen 
kann, wird zum Ausgangspunkt, zum Vorbild 
und zum Medium für die weitere künstlerische 
Auseinandersetzung. Der Ausdruck „Vor-Bild" 
kennzeichnet die Art der künstlerischen Aus- 
einandersetzung recht gut. Egon Schiele erkennt 
die Natur wohl als Voraussetzung und Ausgangs- 
punkt seines Schaffens an, er sieht in ihr aber 
auch ein „Bild", das ein Erlebnis auslöst, das 
sich in seiner Intensität des Ausdrucks schließ- 
lich von der Natur frei macht und zu einer eigen- 
wertigen künstlerischen Aussage inspiriert. Das 
Bildhafte des Motivs ist es, das Schiele zuerst 
fasziniert hat; und dies gilt ganz allgemein, 
auch wenn er kein Photo, sondern eine genaue 
Zeichnung verwendet hätte. Innerhalb des 
gewählten Motivs variiert er dann die ihm 
wichtigen Details gemäß seiner eigenen Auf- 
fassung. 
So war es auch bei den Städtebildern von Stein. 
Schiele findet in einem Bild, das als Ausgangs- 
punkt diente, gewisse Häusergruppen interessant. 
Er malt dabei nicht die Natur ab, sondern faßt 
sehr bald das Eigentümliche auf, gestaltet und 
zeichnet es nach seiner Vorstellung. Es sind - 
wie wir gesehen haben - unzweifelhaft die 
Häuser, Plätze und Kirchen von Stein, aber 
nun sind sie so, wie der Künstler sie haben will; 
er gibt ihnen das Leben und die Eigenart. 
Dies zeigt sich an den Fassaden, Dächern, 
Schornsteinen, Fenstern und Türen. Schließlich 
kombiniert er die einzelnen Elemente, wie es 
ihm gut erscheint. Er gestaltet also nicht nur 
die Einzelheiten auf eigene Art, sondern schließ- 
lich das gesamte Städtebild. Dadurch erhöht er 
die Lebendigkeit. Der Vorwurf ist von der Natur 
entlehnt, die Darstellung aber ist neu und 
stärker im Ausdruck. Aus dem Naturbild ist 
ein künstlerisches Bild geworden, mit dem ihm 
eigenen Gesetzen der Gestaltung, mit einer vom 
Maler gegebenen Struktur, die mit Ausge- 
wogenheit und Gegensätzlichkeit, mit Linien, 
Flächen und Farben arbeitet. Es scheint anfangs 
wie ein Spiel mit gegebenen Elementen. Die 
dabei gewonnene Ordnung aber ist schließlich 
so stark, daß sich ihr alles unterzuordnen hat. 
Anders als die ausgeführten Gemälde wirken 
die Studien, die, wie aus einem Guß, direkt 
vor der Natur entstanden sein können. Sie sind 
von einer sehr dynamisch wirkenden Idee erfüllt. 
Hier hat Schiele kein Interesse am Detail, hier 
interessiert ihn das Wesen der Stadt. des 
Stromes und des Berges, vor allem aber der 
Turm, der aus der kleinen Stadt emporwächst. 
Die subjektive Aussage ist in beiden Fällen ein 
Endpunkt. Sie ergibt sich aus dem Meditieren 
über das Motiv oder wird vom unmittelbaren 
Erlebnis diktiert und wie in einem Zuge hinge- 
schrieben. Die Stadt, das Motiv also, hat nicht 
die stärkste Wirkung, diese geht vom Künstler 
aus, von seinem Bild, das sich am Vorbild 
gestaltet hat. 
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