6 Egon Schiele, Studie zu Stern an der Donau. Öl auf
Holz, 39,7x31,5 cm, Sign.: Egon Schiele 1
besitz USA (Kallir, CEeuvlevelz. Nl. 189)
913. Privat-
7 Egon Schiele Zeichnung der Frauenbergkirche vom
Steine! Kreuzberg aus (A Skelchbook by Egon Schiele,
Johannes Press, New vom 1967, s. 27, 2a)
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Egon Schiele, Hume Weltenegg (19l6?). Bleistilt.
Skizlenbuch N1. 3 p 1 aus dem Avchiv der Staatlichen
graphischen Sammlung Albertina Wien
8:1,!) Ausschnine mit den Croquis aus der Zeichnung
Ruine Weltenegg (Abb, s)
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Diese sehr instruktive Erinnerungsnotiz an eine
konkrete Situation, mit einigen Farbhinweisen,
kann jedoch keineswegs als Arbeitsunterlage
gedient haben. Wo sind nun die genauen Vor-
lagen zu den Bildern Schieles? Diese Frage hat
für die Städteansichten von Stein ihre besondere
Berechtigung, denn die vielfältigen Formen der
Häuser und ihrer Fassaden, die doch im großen
und ganzen richtig wiedergegeben wurden, kann
die Erinnerung nicht bewahren. Frau Dr. Comini
hat am Beispiel der Krumau-Bilder auf die Ver-
wendung alter Postkarten aufmerksam gemacht
und damit auf einen sehr plausiblen Weg ver-
wiesen. Leider konnte, trotz aller Nachforschun-
gen a für die Städtebilder von Stein eine photo-
graphische Vorlage bisher nicht festgestellt
werden. Eine solche Arbeitsweise ist aber schon
deshalb wahrscheinlich, da wir bisher keinen
Nachweis für exakte Naturstudien Schieles be-
sitzen. Dadurch wäre die Arbeitsweise des
Künstlers neuerlich charakterisiert. In Schieles
Werk spielt nämlich der Spiegel, im realen wie
im geistigen Sinn, eine sehr wesentliche Rolle.
Auch im Photo wird der Naturausschnitt zum
flächigen Bild, das von der Realität abgehoben
ist. Und dieses Bild, das sich der Maler vor der
Natur in solcher Verläßlichkeit nicht einprägen
kann, wird zum Ausgangspunkt, zum Vorbild
und zum Medium für die weitere künstlerische
Auseinandersetzung. Der Ausdruck „Vor-Bild"
kennzeichnet die Art der künstlerischen Aus-
einandersetzung recht gut. Egon Schiele erkennt
die Natur wohl als Voraussetzung und Ausgangs-
punkt seines Schaffens an, er sieht in ihr aber
auch ein „Bild", das ein Erlebnis auslöst, das
sich in seiner Intensität des Ausdrucks schließ-
lich von der Natur frei macht und zu einer eigen-
wertigen künstlerischen Aussage inspiriert. Das
Bildhafte des Motivs ist es, das Schiele zuerst
fasziniert hat; und dies gilt ganz allgemein,
auch wenn er kein Photo, sondern eine genaue
Zeichnung verwendet hätte. Innerhalb des
gewählten Motivs variiert er dann die ihm
wichtigen Details gemäß seiner eigenen Auf-
fassung.
So war es auch bei den Städtebildern von Stein.
Schiele findet in einem Bild, das als Ausgangs-
punkt diente, gewisse Häusergruppen interessant.
Er malt dabei nicht die Natur ab, sondern faßt
sehr bald das Eigentümliche auf, gestaltet und
zeichnet es nach seiner Vorstellung. Es sind -
wie wir gesehen haben - unzweifelhaft die
Häuser, Plätze und Kirchen von Stein, aber
nun sind sie so, wie der Künstler sie haben will;
er gibt ihnen das Leben und die Eigenart.
Dies zeigt sich an den Fassaden, Dächern,
Schornsteinen, Fenstern und Türen. Schließlich
kombiniert er die einzelnen Elemente, wie es
ihm gut erscheint. Er gestaltet also nicht nur
die Einzelheiten auf eigene Art, sondern schließ-
lich das gesamte Städtebild. Dadurch erhöht er
die Lebendigkeit. Der Vorwurf ist von der Natur
entlehnt, die Darstellung aber ist neu und
stärker im Ausdruck. Aus dem Naturbild ist
ein künstlerisches Bild geworden, mit dem ihm
eigenen Gesetzen der Gestaltung, mit einer vom
Maler gegebenen Struktur, die mit Ausge-
wogenheit und Gegensätzlichkeit, mit Linien,
Flächen und Farben arbeitet. Es scheint anfangs
wie ein Spiel mit gegebenen Elementen. Die
dabei gewonnene Ordnung aber ist schließlich
so stark, daß sich ihr alles unterzuordnen hat.
Anders als die ausgeführten Gemälde wirken
die Studien, die, wie aus einem Guß, direkt
vor der Natur entstanden sein können. Sie sind
von einer sehr dynamisch wirkenden Idee erfüllt.
Hier hat Schiele kein Interesse am Detail, hier
interessiert ihn das Wesen der Stadt. des
Stromes und des Berges, vor allem aber der
Turm, der aus der kleinen Stadt emporwächst.
Die subjektive Aussage ist in beiden Fällen ein
Endpunkt. Sie ergibt sich aus dem Meditieren
über das Motiv oder wird vom unmittelbaren
Erlebnis diktiert und wie in einem Zuge hinge-
schrieben. Die Stadt, das Motiv also, hat nicht
die stärkste Wirkung, diese geht vom Künstler
aus, von seinem Bild, das sich am Vorbild
gestaltet hat.
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