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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 105)

tere Wiederholungen tragen dazu allerdings 
noch einen gesonderten Hinweis auf den 
Tod des Fürsten). 
Der in seinen Maßen doppelt überraschende 
Holzschnitt des Kaisers ist das erste druck- 
graphische Bildnis Dürers, dem in den letz- 
ten Lebensjahren des Künstlers noch sieben 
weitere folgen: fünf Kupfetstiche und zwei 
Holzschnitte, darunter allein das Bildnis des 
Ulrich Varnbülcr von 1522 in gleicher 
Größe. Dürer setzt den Kopf des Kaisers 
wie in der Zeichnung vor die leere Fläche. 
In der Folgezeit geschieht das nur noch ein 
einziges Mal, bei dem Kupferstichbildnis 
Willibald Pirkheimers von 1524; in allen 
übrigen wird ein Hintergrund gegeben, beim 
großen, auch sonst viel reicheren Varnbüler 
ist das ganze Blatt mit feiner Schraffierung 
und dem Inschriftpergament vollends ausge- 
füllt. Im Maximilian-Holzschnitt ist das 
Verhältnis von Kopf und Bildfeld gegen- 
über der Kohlezcichnung insoferne etwas 
verändert, als hier die Büste wesentlich mehr 
Platz einnimmt, d. h. vom Oberkörper mehr 
sichtbar ist und auch mit dem Schriftbancl 
über dem Haupt ein neuer Akzent geschaf- 
fen wird. Bei genau gleicher Breite ist der 
Holzschnitt etwas höher. Auf das in der 
Zeichnung im Gedanken bereits vorhan- 
dene Motiv der Abgrenzung des Porträtier- 
ten vom Beschauer zum Zwecke der Ver- 
stärkung der Realität, der Plastik, der RaumA 
"Wirkung, auf die Einfügung einer Barriere 
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(eines Sockels mit Inschrift etwa, wie er 
bei Dürers graphischen Bildnisscn der 
Folgezeit fast obligat wird), ist hier verzich- 
tet. Dafür erhält das Blatt mit dem (auch 
vom Technischen her begründeten) Holz- 
schnittrand eine klare Rahmenbegrenzung, 
aus der sich bezeichnenderweise die beiden 
Spiralen des Schriftbandes in den oberen 
Ecken räumlich herausrollen. Auch die 
Veränderung des Gesamteindruckes, die 
durch die (freilich nicht ungewohnte) spie- 
gclbildliche Umkehr der Zeichnung im 
Holzschnitt bewirkt wird, soll nicht über- 
sehen werden: In der Zeichnung begegnet 
der Kaiser dem Beschauer, im Holzschnitt 
hingegen gleitet der hier durch die Inschrift 
zum Ablesen des Bildes von links nach 
rechts in besonderer Weise angeleitete, ja 
geradezu genötigte Blick an dem Gesicht 
fast vorüber, das übrigens auch sonst nicht 
unwesentlich sich verändert hat, um es kurz 
zu sagen, „offizicller" geworden ist. Mittels 
Pause übertragen ließen sich aus der Kohle- 
zeichnung natürlich nur feste, klare Be- 
grenzungen: die Konturen der Nase, des 
abgewandten Profils des Gesichts, der Sitz 
der Augen, die Haare, die Gesamtform des 
Kostürnlichen, des Baretts besonders. In 
diesen Belangen decken sich Zeichnung und 
Holzschnitt völlig. Anders, wo weiche For- 
men ohne feste Begrenzung, kaum ange- 
deutete (jetzt kaum noch sichtbare) Schat- 
tierungen des körperlosen Kohlesttichs in 
die unerbittlich eindeutige reine Linie des 
Holzschnitts übersetzt werden mußten. Aus 
der Technik schon wurde vieles präziser, 
härter. Manches aber hat Dürer im Zuge 
dieser Transponierung bewußt geändert: 
Der weiche, feinbewegte, fast unbegrenzte, 
wie zum Sprechen, zum Atmen leicht ge- 
öffnete Mund der Zeichnung erhält seine 
geschlossene, seine feste, entschiedene Form. 
Der Mundwinkel ist stärker gesenkt, die 
Unterlippe ist dicker, fast wulstig, die 
Oberlippe von „gewohnter" Bildung. Das 
Auge, in der Zeichnung verhältnismäßig 
klein, natürlich unbeschwert im Blick, wird 
im Holzschnitt nicht nur größer in der 
Gesamtform, kräftiger im Strich; die ge- 
änderte Formgebung mancher dieser Linien 
bewirkt einen wesentlich anderen Aus- 
druckswert, einen Zug ins Selbstsichere, 
Überlegene, fast Kühne. Das obere Augen- 
lid z. B. mit den Wimpern, in der Zeich- 
nung ein ganz Hacher, kaum merklich ein! 
gesenkter Bogen, wird im Holzschnitt zu 
einer kräftig geschwungenen S-Kurve; ge- 
nauso die Lidfalte; oder die Augenbrauen, 
die im Holzschnitt viel kräftiger, buschiger 
sind und nun, höher emporgezogen, „be- 
deutender" werden. Auch die Ausweitung, 
die Anreicherung, das Konkretisieren des 
in der Zeichnung eben nur angedeuteten 
Kostümlichen bewirkt, bezweckt im Grunde 
nichts anderes als das Zurückdrängen alles 
allzu Persönlichen, das Herausatbeiten des
	        
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