Repräsentativen, des allgemein gültigen
Kaiscrbildes. Nichts Wäre irriger, als in
diesem Wandel nur die negative Seite, nur
die Preisgabe, den Verzicht zu sehen, ohne
des Positiven, des dafür Eingetauschten
sich bcwußt zu sein.
Die beiden Gemälde gehen in dieser Hin-
sicht über den Holzschnitt noch weit hinaus.
Das Nürnberger Bild, eindeutig das frühere
von den beiden, wie sich noch im einzelnen
erweisen wird, vollzieht diesen Schritt mit
überraschendem Aufwand und übertrifft,
um es vorwegzunehmen, das Endergebnis,
die Wiener Tafel, in dem äußerlichen Reich-
tum der Gesamtanlage um ein beträcht-
liches. Maltechnisch freilich ist es beschei-
dener. Es handelt sich um eine jener so sehr
verletzlichen und eben deshalb in so gerin-
ger Zahl erhaltenen Tüchleinmalereien, d. h.
es ist mit Wasserfarben auf sehr feine, kaum
grundierte Leinwand gemalt. Das Bild -
ursprünglich in ImhofPschem Besitz, erst
1860 vom Germanischen Nationalmuseum
aus der Erbschaft des S. Ch. Joachim
Reichsfreiherrn Haller am Hallerstein er-
worben - mußte im Lauf der Jahrhunderte
viele Unbilden über sich ergehen lassen; es
wurde gei-irnißt, mit Ölfarbe übermalt, an
mehreren Stellen zerrissen, immer wieder
„restauriert" und bis zur Unkenntlichkeit
entstellt. Nach den letzten Reinigungs- und
Wiederherstellungsarbeiten erlaubt das Ge-
mälde - trotz aller Zerstörung immer noch
eine ehrwürdige und sehr wertvolle Ruine
e eine gewisse, wenngleich sehr vorsich-
tige Beurteilung.
Die Jlebende Gestalt des Kaisers ist jetzt -
als Halb-, fast als Zweidrittelfigur - vor
einen weißlich-blauen, in seinem Farb-
charakter sicher sehr entstellten Hinter-
grund gesetzt. Koloristisch von stärkster
Wirksamkeit ist im Bilde das Rot des Man-
tels, in der linken Seite, den Schattenpartien,
karmin, rechts, im Lichte, mehr Zinnober.
Der Portratierte ist also hier eindeutig mit
kaiserlichem Gewand gekleidet, das sich in
breiter, feierlicher Form, mit großem Kra-
gen, in sehr reichen Falten über die Schul-
tern, über die ganze Gestalt breitet. Mit der
Bereicherung des Gewandes ist auch das
Barett viel umfangreicher, anspruchsvoller
geworden. Mit breiter Krempe schwingt es
weit aus, erhält Bedeutung wie etwa die
hohe Pelzmütze in Pisanellos Bildnis Kaiser
Sigismunds. Außerordentlich breit und auf-
wendig ist auch die Ordenskette des Golde-
nen Vlieses gegeben. Die Schließe vorne
auf der Brust in Form eines flammenden
Löwen-Sonnen-Kopfes, an dem das Ordens-
symbol hängt, ist ungewöhnlich. Vom
„Allerhöchsten" Stand gibt auch das Wap-
pen, der Doppeladler mit dem Habsburger
Bindenschild als Herzschild, umrahmt von
der Kollane des Ordens vom Goldenen
Vlies und gekrönt von der Kaiserkrone,
Kunde, das man links vom Haupt des Kai-
sers angeordnet sieht. Das Gesicht erscheint
geradezu klein im Verhältnis zu diesem
viel größeren Wappenemblem, das übrigens
im Detail mit wenig Sorgfalt, fast unbehol-
fen, grob in die Fläche gesetzt ist. Während
die Malerei im Bereich des Kostümlichen
noch ziemlich viel Detailarbeit zeigt, fehlt
eine solche im Gesicht fast vollständig. Die
dünne „Haut" ist hier wohl weitgehend
verlorengegangen. Der Eindruck wird auch
von den (unschwer erkennbaren) Retuschen
der Restaurierung (Querriß unterhalb des
Mundes, Ausbesserungen am Hals, am
jochbein, an der Schläfe) etwas gestört.
Auch die harte Begrenzung der Stirn wirkt
befremdend; ähnliches gilt von den Haaren.
Die noch erhaltenen Reste der originalen
Malerei im Gesicht sind sehr dünn. Dieser
Umstand erleichtert es, dem Verhältnis zur
Zeichnung nachzugehen, die Arbeitsweise
(nicht die Hand) Dürers zu erkennen: Die
aus der Zeichnung durch Pause übertrage-
nen Linien sind größtenteils klar zu sehen:
die Nasenkontur, das Wangenproi-il, auch
einige Falten bei Mund, Nase, Kinn. Die
Begrenzung der Augen entspricht zwar der
Zeichnung, mehr als etwa dem Holzschnitt;
durch die Vergrößerung der Iris und deren
Betonung durch die dunkle Farbe wirkt das
Auge offener, der Blick im Ausdruck völlig
verändert. Auch die Augenbrauenform ist
eine andere. Das Weiche, Schlatfe des Kinns
ist gut aus der Zeichnung übernommen,
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