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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 105)

Repräsentativen, des allgemein gültigen 
Kaiscrbildes. Nichts Wäre irriger, als in 
diesem Wandel nur die negative Seite, nur 
die Preisgabe, den Verzicht zu sehen, ohne 
des Positiven, des dafür Eingetauschten 
sich bcwußt zu sein. 
Die beiden Gemälde gehen in dieser Hin- 
sicht über den Holzschnitt noch weit hinaus. 
Das Nürnberger Bild, eindeutig das frühere 
von den beiden, wie sich noch im einzelnen 
erweisen wird, vollzieht diesen Schritt mit 
überraschendem Aufwand und übertrifft, 
um es vorwegzunehmen, das Endergebnis, 
die Wiener Tafel, in dem äußerlichen Reich- 
tum der Gesamtanlage um ein beträcht- 
liches. Maltechnisch freilich ist es beschei- 
dener. Es handelt sich um eine jener so sehr 
verletzlichen und eben deshalb in so gerin- 
ger Zahl erhaltenen Tüchleinmalereien, d. h. 
es ist mit Wasserfarben auf sehr feine, kaum 
grundierte Leinwand gemalt. Das Bild - 
ursprünglich in ImhofPschem Besitz, erst 
1860 vom Germanischen Nationalmuseum 
aus der Erbschaft des  S. Ch. Joachim 
Reichsfreiherrn Haller am Hallerstein er- 
worben - mußte im Lauf der Jahrhunderte 
viele Unbilden über sich ergehen lassen; es 
wurde gei-irnißt, mit Ölfarbe übermalt, an 
mehreren Stellen zerrissen, immer wieder 
„restauriert" und bis zur Unkenntlichkeit 
entstellt. Nach den letzten Reinigungs- und 
Wiederherstellungsarbeiten erlaubt das Ge- 
mälde - trotz aller Zerstörung immer noch 
eine ehrwürdige und sehr wertvolle Ruine 
e eine gewisse, wenngleich sehr vorsich- 
tige Beurteilung. 
Die Jlebende Gestalt des Kaisers ist jetzt - 
als Halb-, fast als Zweidrittelfigur - vor 
einen weißlich-blauen, in seinem Farb- 
charakter sicher sehr entstellten Hinter- 
grund gesetzt. Koloristisch von stärkster 
Wirksamkeit ist im Bilde das Rot des Man- 
tels, in der linken Seite, den Schattenpartien, 
karmin, rechts, im Lichte, mehr Zinnober. 
Der Portratierte ist also hier eindeutig mit 
kaiserlichem Gewand gekleidet, das sich in 
breiter, feierlicher Form, mit großem Kra- 
gen, in sehr reichen Falten über die Schul- 
tern, über die ganze Gestalt breitet. Mit der 
Bereicherung des Gewandes ist auch das 
Barett viel umfangreicher, anspruchsvoller 
geworden. Mit breiter Krempe schwingt es 
weit aus, erhält Bedeutung wie etwa die 
hohe Pelzmütze in Pisanellos Bildnis Kaiser 
Sigismunds. Außerordentlich breit und auf- 
wendig ist auch die Ordenskette des Golde- 
nen Vlieses gegeben. Die Schließe vorne 
auf der Brust in Form eines flammenden 
Löwen-Sonnen-Kopfes, an dem das Ordens- 
symbol hängt, ist ungewöhnlich. Vom 
„Allerhöchsten" Stand gibt auch das Wap- 
pen, der Doppeladler mit dem Habsburger 
Bindenschild als Herzschild, umrahmt von 
der Kollane des Ordens vom Goldenen 
Vlies und gekrönt von der Kaiserkrone, 
Kunde, das man links vom Haupt des Kai- 
sers angeordnet sieht. Das Gesicht erscheint 
geradezu klein im Verhältnis zu diesem 
viel größeren Wappenemblem, das übrigens 
im Detail mit wenig Sorgfalt, fast unbehol- 
fen, grob in die Fläche gesetzt ist. Während 
die Malerei im Bereich des Kostümlichen 
noch ziemlich viel Detailarbeit zeigt, fehlt 
eine solche im Gesicht fast vollständig. Die 
dünne „Haut" ist hier wohl weitgehend 
verlorengegangen. Der Eindruck wird auch 
von den (unschwer erkennbaren) Retuschen 
der Restaurierung (Querriß unterhalb des 
Mundes, Ausbesserungen am Hals, am 
jochbein, an der Schläfe) etwas gestört. 
Auch die harte Begrenzung der Stirn wirkt 
befremdend; ähnliches gilt von den Haaren. 
Die noch erhaltenen Reste der originalen 
Malerei im Gesicht sind sehr dünn. Dieser 
Umstand erleichtert es, dem Verhältnis zur 
Zeichnung nachzugehen, die Arbeitsweise 
(nicht die Hand) Dürers zu erkennen: Die 
aus der Zeichnung durch Pause übertrage- 
nen Linien sind größtenteils klar zu sehen: 
die Nasenkontur, das Wangenproi-il, auch 
einige Falten bei Mund, Nase, Kinn. Die 
Begrenzung der Augen entspricht zwar der 
Zeichnung, mehr als etwa dem Holzschnitt; 
durch die Vergrößerung der Iris und deren 
Betonung durch die dunkle Farbe wirkt das 
Auge offener, der Blick im Ausdruck völlig 
verändert. Auch die Augenbrauenform ist 
eine andere. Das Weiche, Schlatfe des Kinns 
ist gut aus der Zeichnung übernommen, 
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