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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 105)

das der Dürer'schen Fassung besonders 
nahestebt und 7 eine weibliche Variante 7 
nur etwa zwei Dezennien früher entstanden 
ist, mag das (auch sonst sehr interessante) 
wohl französische Bildnis einer Fürstin aus 
der Sammlung Benda genannt sein4. Unter 
den Italienern ist Antonello einer der vaeni- 
gen, der, in Anschluß an Rogicr, das Motiv 
aufgriff (Salvator in London), bezeichnen- 
derweise aber auf die gemalle Brüstung nicht 
verzichten wollte. Eine reiche Gefolgschaft 
findet sich dagegen in der deutschen Bild- 
nismalerei des 15. Jahrhunderts, besonders 
in den sechziger und siebziger Jahren, der 
Zeit des allgewaltigen niederländischen Ein- 
flusscs. Man könnte eine eigene Geschichte 
darüber schreiben. Auch Dürer hat das 
Mntiv schon früher gekannt und - sehr 
vereinzelt und meist nicht ganz klar w ver- 
wendet, eindeutig beim Krell-Bildnis von 
1499 der Münchener Pinakothek. In nuce 
bedeuten, wie schon eingangs erwähnt, be- 
reits die beiden Abschlußlinien in der A1- 
bertina-Zeichnung den als Balustrade ver- 
standenen Rahmen. Die prätentiöse Art der 
Verwertung im Wiener Maximilianbildnis, 
die sich in Dürers später Porträtkunst noch 
zweimal, im Bildnis von 1521 in Dresden 
und in jenem von 1524 in Madrid, sehr 
ähnlich vorlindet, läßt vielleicht doch an 
eine neue, frische, entscheidende niederlän- 
dische Anregung denken. 
Natürlich bedeutet für Dürer die schritt- 
weise Abwandlung der crsten Naturstudie 
der Hände mit dem Granatapfel bis zur 
schließlichcn Angleichung an das altüber- 
kommene Motiv aus den Niederlanden weit 
mehr als nur die Wiederholung einer viel- 
geübten augentäuschenden Spielerei. Nicht 
als ob Dürer an der immer wieder faszinie- 
renden Wirksamkeit dieser unmittelbaren 
Verbindung von wirklicher und gemalter 
Realität nicht auch seine Freude gehabt 
hätte. Nur ging diese über den Selbstzweck 
hinaus. Wesentlich ist die Nutzbarmachung 
für das Bildganze, für die Aussagekraft der 
Komposition. Es fand bereits Erwähnung, 
daß in der Wiener Bildtafel im Zuge der 
geänderten Bildordnung die Hand mit dem 
Granatapfel weit aus der Bildmitte gegen 
die Ecke links verschoben wurde. Der ganze 
Körper erhielt damit eine merkliche Dre- 
hung nach links. Merkwürdigerweise ge- 
winnt man jetzt, um es nebenbei zu bemer- 
ken, auch den Eindruck des Sitzens, des 
Thronens, während der Kaiser in der Nürn- 
berger Fassung eindeutig xlebt. Die Finger 
in der Ecke nun, die auf der Fensterbrüstung 
ruhen, und die Hand darüber, die den Gra- 
natapfel präsentiert, ziehen den Blick mit 
Vehemenz an. Hier greift die gemalte Reali- 
tät ja nahezu aus dem gemalten Raum her- 
aus. Um so mehr rückt damit die Büste, das 
Haupt in eine Sphäre fürstlicher Unnahbar- 
keit. Immer wieder nimmt der Betrachter 
von dieser Ecke, von diesen vielen kleinen 
wirklichkeitsnahen Formen aus seine Be- 
trachtung auf, um aufmannigfaltigen Wegen, 
sei es die Diagonale, die das ganze Bild be- 
herrscht, sei es der weite Bogen des Arms 
und der Schulter, zur Erhabenheit des Kop- 
fes emporzusteigen. 
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In der linken oberen Ecke der Bildtafel 
schwebt jetzt das kleine, aber doch in Gold 
gemalte Wappen mit Vlieskette und Kaiser- 
krone. An gleicher Stelle ist in einem der 
letzten Bildnisse Dürers, jenem des reichen 
Johann Kleeberger, der später der Wohl- 
täter der Stadt Lyon werden sollte, ebenfalls 
in Gold die gefährlich-großartige Konstel- 
lation des Gebuitshoroskops, die sechs Pla- 
neten im Zeichen des Löwen, angebracht. 
Wie dort die Gestirne als Schicksal, so ist 
es hier das Gottesgnadentum des Impera- 
tors, das den Lebensweg Maximilians als 
Würde und Bürde bestimmt. 
Rechts von dem Wappen, über dem Kaiser- 
kopf, über der elegant geschwungenen 
Krempe des Baretts, dessen Größe im 
Nürnberger Bild vorbereitet ist, sieht man 
jetzt die Inschrift in leicht gelblicher Farbe 
unmittelbar auf den grünen Grund gesetzt. 
Der lateinische Text, ohne Zweifel von 
einem zünftigen Humanisten verfaßt und 
von kundiger Hand in sehr feinen, regel- 
mäßigen römischen Majuskeln auf sieben 
Zeilen verteilt, ist keine Wörtliche Über- 
setzung der deutschen Beschriftung des 
Nürnberger Bildes: 
POTENTISSIMUS MAXIMUS ET IN- 
VICTISSIMUS CAESAR MAXIMILIA- 
NUS 
QUI CUNCTOS SUI TEMPORIS REGES 
ET PRINCIPES IUSTITIA PRUDENCIA 
MAGNANIMITATE LIBERALITATE 
PRAECIPUE VERO BELLICA LAUDE 
ET 
ANIMI FORTITUDINE SUPERAVIT 
NATUS EST ANNO SALUTIS HUMA- 
NAE 
MCCCCLIX DIE MARCII IX VIXIT 
ANNOS LIX MENSES IX DIES XXV 
DECESSIT VERO ANNO MDXIX 
MENSIS IANUARII DIE XII QUEM 
DEUS 
OPT. MAX. IN NUMERUM VIVEN- 
CIUM REFERRE VELIT 
Die Laudatio ist ausführlicher, sowohl in 
der Aufzählung der Tugenden des Kaisers 
als auch in der Nennung jener, die Maxi- 
milian übertraf. Der Namen des Sterbeortes 
ist ausgefallen. Schriftform, Sprache und 
Diktion lassen das ganze Epitaph viel ge- 
wählter, feierlicher, würdevoller erscheinen. 
Der Vergleich dieser letzten Fassung mit 
den Texten der vorausgehenden Bildnisse, 
mit dem Pergamentstreifen auf der Nürn- 
berger Leinwand, der einmal den wesent- 
lichen Inhalt fixiert, mit den wenigen vor 
alters geprägten Worten der Schriftzeile auf 
dem in vielen Hunderten, vielleicht Tausen- 
den gedruckten Holzschnitt und schließlich 
mit dem von Dürers Hand persönlich hin- 
geschriebenen Vermerk auf der Kohlezeich- 
nung, die in schlichten Worten, doch offen- 
sichtlich nicht ohne Bewegtheit das Faktum 
des intimen Tete-a-tetc der beiden „Gott- 
begnadeten" im Stüble der Augsburger 
Pfalz festhält, diese rückblickende, wägende 
Wertung der Schrifttexte allein schon cha- 
rakterisiert die einzelnen Stadien und zu- 
gleich die ganze Spannweite von Dürers 
Bemühungen um sein Kaiserbild: Von der 
Naturstudie zum Staatsporrrät.
	        
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