das der Dürer'schen Fassung besonders
nahestebt und 7 eine weibliche Variante 7
nur etwa zwei Dezennien früher entstanden
ist, mag das (auch sonst sehr interessante)
wohl französische Bildnis einer Fürstin aus
der Sammlung Benda genannt sein4. Unter
den Italienern ist Antonello einer der vaeni-
gen, der, in Anschluß an Rogicr, das Motiv
aufgriff (Salvator in London), bezeichnen-
derweise aber auf die gemalle Brüstung nicht
verzichten wollte. Eine reiche Gefolgschaft
findet sich dagegen in der deutschen Bild-
nismalerei des 15. Jahrhunderts, besonders
in den sechziger und siebziger Jahren, der
Zeit des allgewaltigen niederländischen Ein-
flusscs. Man könnte eine eigene Geschichte
darüber schreiben. Auch Dürer hat das
Mntiv schon früher gekannt und - sehr
vereinzelt und meist nicht ganz klar w ver-
wendet, eindeutig beim Krell-Bildnis von
1499 der Münchener Pinakothek. In nuce
bedeuten, wie schon eingangs erwähnt, be-
reits die beiden Abschlußlinien in der A1-
bertina-Zeichnung den als Balustrade ver-
standenen Rahmen. Die prätentiöse Art der
Verwertung im Wiener Maximilianbildnis,
die sich in Dürers später Porträtkunst noch
zweimal, im Bildnis von 1521 in Dresden
und in jenem von 1524 in Madrid, sehr
ähnlich vorlindet, läßt vielleicht doch an
eine neue, frische, entscheidende niederlän-
dische Anregung denken.
Natürlich bedeutet für Dürer die schritt-
weise Abwandlung der crsten Naturstudie
der Hände mit dem Granatapfel bis zur
schließlichcn Angleichung an das altüber-
kommene Motiv aus den Niederlanden weit
mehr als nur die Wiederholung einer viel-
geübten augentäuschenden Spielerei. Nicht
als ob Dürer an der immer wieder faszinie-
renden Wirksamkeit dieser unmittelbaren
Verbindung von wirklicher und gemalter
Realität nicht auch seine Freude gehabt
hätte. Nur ging diese über den Selbstzweck
hinaus. Wesentlich ist die Nutzbarmachung
für das Bildganze, für die Aussagekraft der
Komposition. Es fand bereits Erwähnung,
daß in der Wiener Bildtafel im Zuge der
geänderten Bildordnung die Hand mit dem
Granatapfel weit aus der Bildmitte gegen
die Ecke links verschoben wurde. Der ganze
Körper erhielt damit eine merkliche Dre-
hung nach links. Merkwürdigerweise ge-
winnt man jetzt, um es nebenbei zu bemer-
ken, auch den Eindruck des Sitzens, des
Thronens, während der Kaiser in der Nürn-
berger Fassung eindeutig xlebt. Die Finger
in der Ecke nun, die auf der Fensterbrüstung
ruhen, und die Hand darüber, die den Gra-
natapfel präsentiert, ziehen den Blick mit
Vehemenz an. Hier greift die gemalte Reali-
tät ja nahezu aus dem gemalten Raum her-
aus. Um so mehr rückt damit die Büste, das
Haupt in eine Sphäre fürstlicher Unnahbar-
keit. Immer wieder nimmt der Betrachter
von dieser Ecke, von diesen vielen kleinen
wirklichkeitsnahen Formen aus seine Be-
trachtung auf, um aufmannigfaltigen Wegen,
sei es die Diagonale, die das ganze Bild be-
herrscht, sei es der weite Bogen des Arms
und der Schulter, zur Erhabenheit des Kop-
fes emporzusteigen.
14
In der linken oberen Ecke der Bildtafel
schwebt jetzt das kleine, aber doch in Gold
gemalte Wappen mit Vlieskette und Kaiser-
krone. An gleicher Stelle ist in einem der
letzten Bildnisse Dürers, jenem des reichen
Johann Kleeberger, der später der Wohl-
täter der Stadt Lyon werden sollte, ebenfalls
in Gold die gefährlich-großartige Konstel-
lation des Gebuitshoroskops, die sechs Pla-
neten im Zeichen des Löwen, angebracht.
Wie dort die Gestirne als Schicksal, so ist
es hier das Gottesgnadentum des Impera-
tors, das den Lebensweg Maximilians als
Würde und Bürde bestimmt.
Rechts von dem Wappen, über dem Kaiser-
kopf, über der elegant geschwungenen
Krempe des Baretts, dessen Größe im
Nürnberger Bild vorbereitet ist, sieht man
jetzt die Inschrift in leicht gelblicher Farbe
unmittelbar auf den grünen Grund gesetzt.
Der lateinische Text, ohne Zweifel von
einem zünftigen Humanisten verfaßt und
von kundiger Hand in sehr feinen, regel-
mäßigen römischen Majuskeln auf sieben
Zeilen verteilt, ist keine Wörtliche Über-
setzung der deutschen Beschriftung des
Nürnberger Bildes:
POTENTISSIMUS MAXIMUS ET IN-
VICTISSIMUS CAESAR MAXIMILIA-
NUS
QUI CUNCTOS SUI TEMPORIS REGES
ET PRINCIPES IUSTITIA PRUDENCIA
MAGNANIMITATE LIBERALITATE
PRAECIPUE VERO BELLICA LAUDE
ET
ANIMI FORTITUDINE SUPERAVIT
NATUS EST ANNO SALUTIS HUMA-
NAE
MCCCCLIX DIE MARCII IX VIXIT
ANNOS LIX MENSES IX DIES XXV
DECESSIT VERO ANNO MDXIX
MENSIS IANUARII DIE XII QUEM
DEUS
OPT. MAX. IN NUMERUM VIVEN-
CIUM REFERRE VELIT
Die Laudatio ist ausführlicher, sowohl in
der Aufzählung der Tugenden des Kaisers
als auch in der Nennung jener, die Maxi-
milian übertraf. Der Namen des Sterbeortes
ist ausgefallen. Schriftform, Sprache und
Diktion lassen das ganze Epitaph viel ge-
wählter, feierlicher, würdevoller erscheinen.
Der Vergleich dieser letzten Fassung mit
den Texten der vorausgehenden Bildnisse,
mit dem Pergamentstreifen auf der Nürn-
berger Leinwand, der einmal den wesent-
lichen Inhalt fixiert, mit den wenigen vor
alters geprägten Worten der Schriftzeile auf
dem in vielen Hunderten, vielleicht Tausen-
den gedruckten Holzschnitt und schließlich
mit dem von Dürers Hand persönlich hin-
geschriebenen Vermerk auf der Kohlezeich-
nung, die in schlichten Worten, doch offen-
sichtlich nicht ohne Bewegtheit das Faktum
des intimen Tete-a-tetc der beiden „Gott-
begnadeten" im Stüble der Augsburger
Pfalz festhält, diese rückblickende, wägende
Wertung der Schrifttexte allein schon cha-
rakterisiert die einzelnen Stadien und zu-
gleich die ganze Spannweite von Dürers
Bemühungen um sein Kaiserbild: Von der
Naturstudie zum Staatsporrrät.