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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 105)

Planrllß Nr. 21 R, Entwurf eines gotischen Profznbaucs 
in Wien. (zrnnurlß m: 2. Obergschosm. Photo: Bundes- 
denkmalamt 
Planriß NLZH} R, Entwurf eines gotischen Pmrnn- 
baucs in Wien. Grundriß des Erdgeschosses (mit späterer 
Eintragung der nördlichen Tumlvorhalle von St. Stc- 
hzn). Photo: Bundesdcnklnalamt 
hnriß Nr. 12 (Umzeirhnung) Entwurf einer Kapelle. 
Ansicht 
Planriß Nr. 12 R (Umzeichlzung) Enlwurfeiner Kapelle. 
Grundriß 
Rlß 283 R, Grundrß de: Erdgerrborrex (Abb. 4) 
Riß 283 R zeigt bei etwa gleicher Größe 
und ähnlicher Fensterteilung eine andere 
Einteilung der Zwischenwände, die nur auf 
die Fassadenöffnungen des Erdgeschosses 
bezogen werden können, weil die Zwischen- 
wände der Kammern zur Linken in die 
Fenstcrprofile des 1. Obergeschosses ein- 
schneiden würden. Schornsteine sind hier 
nicht vorhanden. Diese wurden früher erst 
in den oberen Geschossen auf die Zwischen- 
decken aufgesetzt. 
Für die Beurteilung der Gesamtsituation 
ist die rechte Ecke der hinteren Front bei 
dem sechseckigen Treppenturm von größ- 
ter Wichtigkeit. Wie beim Riß 21 R führt 
hier ebenso ein Portal von dem äußersten 
Raum der Rückseite in die Spindel wie von 
der anderen Seite außerhalb unseres Grund- 
risses. Doch sieht man auf Riß 283 R dcut- 
licher, daß hier die Außenwand der Hinter- 
front in gleicher Stärke und Richtung wei- 
tergeführt ist. Nach der besonderen Art 
der Betonung dieses Treppenturmes mit 
zwei bis drei Geschossen über dem Dach- 
gesims konnte man ohnehin annehmen, daß 
hier kein Abschluß, sondern eher ein be- 
sonders betonter baulicher Akzent für die 
Hinterfront gegeben werden sollte. Bei 
einem Abschluß hätte man ohne Zweifel 
eine nach beiden Außenseiten vortrctcndc 
Eckspindel gewählt. 
Die ilächstwichtige Problemstellung ist 
nun die Frage, 0b sich diese Fortsetzung 
auch an der Hauptfront wiederholt. Der 
Grundriß 21 R ist gerade an dieser Stelle 
beschnitten, Riß 283 R zeigt hier eine Ecke 
ohne Eckgliederung wie auf der gegen- 
überliegenden Seite - allerdings auch ohne 
Fortsetzung der Außenwand. Daß hier eine 
Ungenauigkeit vorliegen muß, beweist die 
Tatsache, daß einer Fortsetzung an der 
Hintcrfront eben auch eine Fortsetzung an 
der Hauptfront entsprechen muß. Natür- 
lich könnte der anschließende Baukörper 
schmäler sein und an der Hauptfront zu- 
rückspringen. Aber gerade dann hätte es 
auf dem Fassadenriß 21 zur Rechten eine 
Ecklösung geben müssen. Zudem ist auf 
dem Riß 283R die ganze Feuermauer in 
voller Stärke gezeichnet, ohne daß eine 
andere Querrnauer eingezeichnet wäre. 
Eine Lösung kann hier nur der Fassaden- 
riß Nr. 21 bringen, der an der rechten 
Flanke absolut offenbleibt, d. h. nicht ein- 
mal die letzten begrenzenden Wand- und 
Dachfialen bringt, die bei einem definitiven 
Anbau an ein bestehendes Objekt mit 
Sicherheit gezeichnet worden wäre. Die 
Fassade sollte also hier noch mindestens 
um eine weitere Hauptachse (Erdgeschoß) 
weitergeführt werden. Zu dieser Lösung 
kommt man übrigens auch bei einer Be- 
trachtung der Fassade mit dem hohen Eck- 
des unbedeutenden 2. Obergeschosses, nicht 
dagegen des entscheidenden l. Oberge- 
schosses besitzen, in dem ohnc Zweifel ein 
großer Saal geplant war. Unverständlich ist 
nur, weshalb auf der Rückseite des großen 
Fassadenplanes nicht dieses Hauptgeschoß, 
sondern der Grundriß des 2. Obergeschos- 
ses gezeichnet ist. 
Der Saal im 1.0bergesch0ß war sicher 
eine völlige Einheit mit Stützenstellungen, 
die im Verlauf der zwci Hauptmauerzüge 
stehen sollten. Lediglich der Raum unter- 
halb des Eckturmes hätte aus diesem 
System ausgespart werden müssen. Ob der 
große Saal für eine Überwölbung geplant 
war, muß offen bleiben. Eine ungelöste 
Frage bleibt auch, wie dieser Saal vom 
Erdgeschoß aus zugänglich gemacht wer- 
den sollte. Wir sehen zwar zwei Wendel- 
treppen an der hinteren Front, die aber 
doch relativ schmal sind und zu kleine 
Türen haben, um einen größeren Saal auf- 
zuschließen. Eine hölzerne Stiege, die 
natürlich nicht im Plan eingetragen ist, muß 
wohl in der Nähe der Votdcrwand (viel- 
leicht im Bereich des Eckturmes) ergänzt 
Werden. 
DIE ZEITLICHE UND STILISTISCHE 
EINREIHUNG 
Ohne Zweifel gehört der Fassadcnriß Nr. 21 
in engsten Zusammenhang mit dem Plan- 
riß Nr. 75 der abgebrochenen Magdalenen- 
kapelle bei St. Stephan und hat auch den- 
selben Zeichner zum Urheber. Typisch für 
diesen Zeichner ist die ungewöhnliche Ge- 
staltung der Verbindung zwischen dem 
unteren Kaifgesims und den anschließenden 
Kielbogen mittels Viertelkteisen. Zudem 
versucht dieser Zeichner, graphische und 
malerische Effekte in seinen Zeichnungen 
herauszuarbeiten. Dabei versucht er, durch 
Stricheln am oberen Ende ansteigender 
Gesimse eine Art Tiefenwirkung zu er- 
reichen, was im Grunde der Eigenart goti- 
scher Planrisse widerspricht. 
Bruno Grimschitz hat die Rißgruppe 21 
und 75 Hanns Puchspaum zuzuschreiben 
versucht. Nun hat schon Hans Tietze eine 
Notiz „zu dem (auf Riß 75 dargestellten!) 
Vorbau vor der Gruft bei dem neuen 
Karner" (Magdalenenkapellel) mit dem be- 
merkenswerten Zusatz: „. . . so man an- 
hebt zu pawen" aus dem Jahr 1478 über- 
liefert. Somit ist bewiesen, daß dieser Vor- 
bau der Magdalenenkapelle 1478 noch nicht 
begonnen war. 
Hanns Puchspaum, der 1446 Dombau- 
xneister von St. Stephan wurde und 1454 
ein Testament errichtet haben soll, war 
bereits 1456 durch Laurenz Spenyng als 
Dombaumeister von St. Stephan ersetzt. 
Seine überschaubare und sicher datierbare 
Tätigkeit in Wien umfaßt also lediglich das 
Jahrzehnt zwischen 1446 und 1456. Wir 
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